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Bärbel Bas plant „Work-and-Stay-Agentur“ für ausländische Fachkräfte

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Update vom 5. November 2025: Das Bundeskabinett hat Eckpunkte für den Aufbau der sogenannten Work-and-Stay-Agentur zur Fachkräfteeinwanderung beschlossen.

Deutschland braucht dringend Fachkräfte – doch die Zuwanderung bleibt bislang schleppend. Laut Bundesagentur für Arbeit leben rund 300.000 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Arbeiten aus Nicht-EU-Staaten hierzulande, etwas mehr als 106.000 verfügen über eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis. Angesichts des demografischen Wandels ist das wenig. Die Bundesagentur für Arbeit jedenfalls geht von einem jährlichen Bedarf von rund 400.000 ausländischen Fachkräften aus. 

Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will deshalb die Einwanderung erleichtern und so mehr Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen. Ihr Vorschlag: eine „Work-and-Stay-Agentur“, die Verfahren rund um die Erwerbsmigration zentralisiert, digitalisiert und beschleunigt. Eine solche Einrichtung ist auch schon Bestandteil der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien gewesen. Das Konzeptpapier für die Gründung der Agentur liegt derzeit zur Abstimmung in den beteiligten Ressorts. 

„Mit der digitalen Work-and-Stay-Agentur reißen wir die bürokratischen Hürden ein, die den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bisher erschweren“, sagte Bas in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Für ausländische Fachkräfte wird es einfacher und attraktiver, nach Deutschland zu kommen.“ Interessenten, die nicht aus EU-Staaten stammen, brauchen aktuell in der Regel beispielsweise einen Aufenthaltstitel und es muss ein inländisches Beschäftigungsverhältnis nachgewiesen werden. Es gelten zudem zahlreiche Ausnahmen für bestimmte Beschäftigtengruppen, etwa medizinisches Personal oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Vielzahl von Regelungen und Ausnahmen sowie die verschiedenen Anlaufstellen der beteiligten Behörden machen das Verfahren derzeit sehr unübersichtlich und kompliziert. 

Ziel: Ein „One-Stop-Government“

Die neue Agentur soll künftig als digitale Anlaufstelle nach dem Prinzip des „One-Stop-Government“ arbeiten: Fachkräfte können dort online Visa- und Aufenthaltsanträge stellen, Dokumente hochladen und Bescheide abrufen. Auch Arbeitgeber sollen ihre Bewerbenden über die Plattform unterstützen können – vom Mittelständler bis zum Konzern. 

Es werde geprüft, ob im Erwerbsmigrationsverfahren Arbeitgeber etwa über Befugnisse im Antragsverfahren eine größere Rolle in der Titelbeantragung spielen könnten, heißt es in dem Eckpunktepapier, das der Redaktion der Personalwirtschaft vorliegt: „Wir prüfen, ob wir einen eigenen Antragsweg für Arbeitgeber schaffen. Auch wollen wir ermöglichen, dass Arbeitgeber beschäftigungsbezogene Informationen über eigene Zugänge in das Verfahren einspeisen können.” 

Eine weitere Erleichterung könnte auch der Vorschlag bieten, das Titelerteilungsverfahren optional in englischer Sprache durchzuführen und englischsprachige Dokumente zu akzeptieren. Ein weiteres Ziel ist die Abschaffung von Redundanzen: So sollen laut dem Eckpunktepapier beispielsweise Biometriedaten nur noch beim Erstkontakt erhoben und dann gespeichert werden, wodurch sich persönliche Vorsprachen im Inland erübrigen könnten. Außerdem sollten einmal geprüfte Sachverhalte nicht noch einmal geprüft werden.  

Hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufserfahrungen soll nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums die Work-and-Stay Agentur „alle Verfahren der Fachkräfteeinwanderung bündeln, darunter auch die Anerkennungsverfahren.“ Für die Anerkennungsverfahren selbst seien grundsätzlich aber die Länder und Kammern zuständig. „Wie genau die Anerkennungsverfahren in die Work-and-Stay Agentur einbezogen werden, wird im weiteren Prozess besprochen. Ziel ist, dass die Anerkennungsverfahren deutlich schneller gehen und mit weniger Aufwand für Fachkräfte auf dem Ausland verbunden sind”, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. 

Wann genau die neue Agentur an die Arbeit gehen kann, ist naturgemäß noch offen. In dem Eckpunktepapier heißt es, die Agentur solle „gestaffelt umgesetzt werden. Im Vordergrund stehen die Verwaltungsprozesse, die notwendig sind, damit Fachkräfte nach Deutschland einreisen können. Nach Festlegung von Standards und Anforderungen für prioritäre Funktionen unter Einbindung relevanter Stakeholder kann sukzessive gemäß dem ‘Plug-and-Play-Prinzip‘ das Aufgabenportfolio ergänzt werden.” Die Finanzierung für Aufbau und Betrieb der Work-and-Stay-Agentur liegt beim Bund. 

Wirtschaft fordert Tempo und klare Zuständigkeiten 

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist dem Projekt gegenüber aufgeschlossen, es sei eine „große Chance, die Erwerbsmigration zukunftsgerichtet weiterzuentwickeln“, heißt es in einer Stellungnahme von Ende August. Die BDA mahnt allerdings: Der Erfolg stehe und falle mit der konsequenten Digitalisierung und Zentralisierung der Verfahren. 

Heute seien zu viele Behörden beteiligt – von den Visastellen über die Bundesagentur für Arbeit bis zu den Ausländerämtern. Das mache die Prozesse langwierig und ineffizient. Die BDA fordert deshalb eine „Tandemlösung“ aus dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) als organisatorisches Rückgrat der neuen Agentur.  

Die Work-and-Stay-Agentur müsse der zentrale Ansprechpartner für ausländische Arbeitskräfte sein, die zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung, einer Ausbildung, einer beruflichen Anerkennung oder eines Studiums nach Deutschland einreisen, und für deren Arbeitgeber. Eine weitere Forderung der BDA: Die Erteilung von Erstaufenthaltstiteln müsse mit dem Visaverfahren verschränkt und so beschleunigt werden. Die Ausländerbehörden (ABH) vor Ort sollten aber weiterhin für alle anderen Verfahren zuständig bleiben, etwa für die Vergabe unbefristeter Aufenthaltstitel, Themen rund um den Familiennachzug, wenn er nicht im Rahmen der Einreise der Arbeitskraft stattfindet, oder Einbürgerungsverfahren.  

Außerdem betont die BDA, dass die Anerkennung beruflicher Qualifikationen weiterhin bei Kammern und Ländern bleiben solle – allerdings digital angebunden und mit klaren Schnittstellen. Die „Work-and Stay-Agentur“ müsse der zentrale Ansprechpartner für Fachkräfte und Arbeitgeber werden, lautet das Fazit der Arbeitgebervertreter: „Deutschland kann sich keine Papierverfahren mehr leisten, wenn andere Länder längst digital rekrutieren.“ 

Studie bestätigt: Vernetzung bringt Effizienz 

Dem aktuellen Vorschlag von Arbeitsministerin Bas liegt eine Machbarkeitsstudie zur „Zentralisierung der Erwerbsmigrationsverfahren“ zugrunde, die das Innenministerium in Abstimmung mit dem Bundesarbeitsministerium und dem Auswärtigen Amt im Februar 2025 veröffentlichte. Demnach gelten eine gemeinsame IT-Plattform und eine enge Verzahnung der bestehenden Behörden als Schlüssel zu mehr Effizienz und Transparenz. Die Studie spricht von einem „Tandem“ aus BfAA und BA – keine neue Behörde, sondern eine vernetzte Struktur mit klaren Zuständigkeiten. 

Zudem könnten eine prozessübergreifende Datennutzung und digitale Schnittstellen nicht nur Bearbeitungszeiten um bis zu 40 Prozent verkürzen, sondern auch die Zufriedenheit bei Arbeitgebern und Antragstellenden erhöhen. Die Studie empfiehlt, das Projekt als zentralen Baustein einer modernen Migrationsverwaltung weiterzuverfolgen. 

Anerkennung auf Rekordniveau 

Einer der Engpässe bei der Fachkräfteeinwanderung ist bislang die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Sie liegt in der Verantwortung der Länder und Kammern – und soll auch nach dem neuen Entwurf dort verbleiben, könnte aber künftig digital über die „Work-and-Stay-Agentur“ angestoßen werden. 

Für 2024 hat das Statistische Bundesamt bereits Rekordzahlen zur Anerkennung gemeldet: 

  • 95.500 Anerkennungsverfahren wurden erfasst – so viele wie nie zuvor. 
  • 79.100 Abschlüsse wurden anerkannt, 21 Prozent mehr als im Vorjahr. 
  • 87 Prozent der positiv beschiedenen Anträge kamen aus den sogenannten Drittstaaten. 

Am häufigsten wurden Qualifikationen aus der Türkei (9.200), der Ukraine (6.400), Tunesien (5.300), Indien (4.900) und Syrien (4.300) anerkannt. Besonders gefragt blieben Pflegefachkräfte (32.500 Anerkennungen) und Ärztinnen und Ärzte (11.000) – beides Berufe, in denen der Fachkräftemangel besonders groß ist. 

Bemerkenswert ist der Zuwachs bei ukrainischen Abschlüssen: Ihre Zahl hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. Insgesamt endeten 97 Prozent der Verfahren positiv, was auf eine hohe Anerkennungsfähigkeit der Qualifikationen hindeutet. 

Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.