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Emotionen in Stellenanzeigen: Was dabei schiefgehen kann

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Begriffe wie „familiäre Arbeitsatmosphäre“, „kollegiales Betriebsklima“ oder „wertschätzendes Arbeitsumfeld“ kommen immer häufiger in Stellenanzeigen vor. Eine aktuelle Auswertung der Personalmarktforschung Index Research offenbart: Im ersten Halbjahr 2025 tauchten diese Formulierungen in fast 159.000 Stellenangeboten von mehr als 35.000 Arbeitgebern auf. Das entspricht rund 2,5 Prozent aller untersuchten Anzeigen – ein Anstieg gegenüber 2024 und 2023 (jeweils etwa 2,1 Prozent) sowie 2019 (1,3 Prozent).

Am stärksten setzt demnach die Gesundheits- und Pflegebranche auf emotionale Botschaften: 3,7 Prozent der Stellenausschreibungen für Ärzte und Pflegekräfte enthielten entsprechende Formulierungen. Ebenfalls häufig genutzt werden sie im Hotel- und Gastgewerbe (3,5 Prozent) sowie in den Rechts- und Steuerberufen (3,1 Prozent). Im Gegensatz dazu verwenden Manager‑, Consultant‑ und IT-Positionen emotionale Sprache deutlich seltener – nur rund 1,7 Prozent aller Anzeigen in diesen Feldern zeigen entsprechende Tendenzen.

Madeleine Kern (Foto: privat)
Madeleine Kern (Foto: privat)

„Ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander sollte in jedem Unternehmen selbstverständlich sein. Dass eine ‚familiäre Atmosphäre‘ dennoch offensiv beworben wird, zeigt klar: Es handelt sich um eine bewusst gestaltete Kommunikationsmaßnahme im Wettbewerb um Fachkräfte – unabhängig davon, ob sie gelebte Realität im Unternehmen ist“, kommentiert Jürgen Grenz, CEO von Index Research, die Ergebnisse der Studie.

Stellenanzeigen-Expertin Madeleine Kern sieht die Formulierung als problematisch an: „Das Wort ‚Familie‘ ist in Stellenanzeigen fehl am Platze“, sagt Kern, die Unternehmen zum Thema Stellenanzeigen schult und berät. „Denn in einer Familie wird man bedingungslos geliebt und nicht für Leistung bezahlt. Und kündigen kann ich dort auch nicht – oder gekündigt werden.“ Zudem wirkten solche Formulierung wie Buzzwords und leere Worthülsen – vor allem, wenn sie als alleinstehende Bulletpoints auftauchen.

Vorsicht vor austauschbaren Formulierungen

Ähnlich formuliert es auch Gunnar Merbach. Grundsätzlich könne die Erwähnung solcher Formulierungen durchaus sinnvoll sein, gehe es ja vor allem um den Gedanken, sich als Arbeitgeber attraktiver zu machen, unterstreicht der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Levelup (Eigenschreibweise: levelUP) auf Anfrage der Personalwirtschaft. „Wie bei vielen Buzzwords und Benefitschlachten ist das Problem dabei aber, dass viele Arbeitgeber diese oder ähnliche Formulierungen in ihren Anzeigen verwenden. Dadurch werden die Anzeigen beziehungsweise Arbeitgeber austauschbar, Arbeitgeberkulturen verwässern.“

Gunnar Merbach (Foto: privat)
Gunnar Merbach (Foto: privat)

Im schlimmsten Fall, so Merbach, „wird es einfach nur hineingeschrieben, ohne, dass es den Tatsachen entspricht“. Die Gefahr dabei: höheren Fluktuationsraten und vermeidbare Kosten. „Auch darf man nicht vergessen, dass nicht jeder auf der Arbeit eine alternative Familie sucht – manchen Lesenden schreckt eine solche Formulierung also auch von vornherein ab“, glaubt der Recruiting-Experte. 

Ohne echte Belege geht nichts

Wenn man denn emotionale Sprache in Stellenanzeigen verwenden will, kommt es für Gunnar Merbach vor allem auf eines an: Echte Belege. „Wenn ein Unternehmen tatsächlich eine tolle Arbeitsatmosphäre und Führungskultur hat, dann ist das natürlich eine große interne Leistung und ein großer Benefit – und sollte auch genannt werden.“

Der Trick sei, diese Behauptung mit Belegen zu stützen, beispielsweise durch einen Link oder Verweis auf Kununu- oder Indeed-Bewertungen. Auch könne man Videos einbinden, die den Umgang in Teams beziehungsweise miteinander authentisch zeigen. „Natürlich kann das gefaked sein – aber das wäre dann schon ziemlich vorsätzlich“ , sagt Merbach.

Dass sich echte Belege im Recruiting auszahlen, zeigen auch die Ergebnisse einer Karriereseiten-Studie der Unternehmensberatung Netfed (Eigenschreibweise: NetFed) aus dem vergangenen Jahr. Für die Studie wurden die Karriereportale der 50 größten deutschen Unternehmen ausgewertet. Eine wichtige Erkenntnis: „Durch Testimonials und persönliche Geschichten von Mitarbeitern erhalten Bewerber einen authentischen Einblick in das Unternehmen. Diese Transparenz macht die Unternehmen menschlicher und nahbarer“, Christian Berens, Geschäftsführer und HR-Verantwortlicher von Netfed, seinerzeit betonte. Sein Rat an die Unternehmen: „Zeigen Sie Gesicht.“

Authentizität ist auch in anderen Bereichen gefragt

Gleiche Regeln wie für die „familiäre Atmosphäre“ gelten für Gunnar Merbach übrigens auch für Formulierungen wie „attraktives Gehalt“ oder „tolle Weiterbildungsmöglichkeiten“. „Fakten beziehungsweise Belege helfen hier, beispielsweise ein Link zur entsprechenden Seite auf der Karriereseite, wo die Karrierepfade und der Weiterbildungskatalog im Detail beleuchtet werden. Dadurch wird es vom Buzzword zum glaubhaften Benefit.“ Ein weiterer Kniff bei der Formulierung: „Man kann bereits im Texten der Anzeige oder auch auf der Karriereseite das Buzzword-Vorurteil ja schon bei den Hörnern nehmen, beispielsweise: Viele schreiben es, wir leben es.“

Auch Madeleine Kern rät zur Nutzung von Beispielen. Zum Thema Betriebsklima könne dort stehen:

  • In unserem Büro herrscht eine gute Stimmung, wir lachen gemeinsam und irgendjemand bringt meist Kuchen mit.
  • Bevor wir unseren Tag in der Werkstatt starten, frühstücken wir gemeinsam.
  • Freitags schmeißt der Chef den Grill an und wir starten mit Witz und Würstchen ins Wochenende.

„Wem das gefällt, der oder die bewirbt sich“, ist sie überzeugt. Und Selbstselektion müsse das Ziel einer Stellenanzeige sein. „Jobs, Unternehmen und Menschen sind verschieden“, ist Kern überzeugt. Daher sei das wichtigste: „Schreibe in deine Stellenanzeigen, wie es wirklich ist.“

Info

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.