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Studie: So könnte Deutschland den Fachkräftemangel entschärfen

Arbeitskräfte gesucht
Laut einer Studie wird es auch 2050 noch einen Mangel an Arbeitskräften geben.
Foto: © Trueffelpix-stock.adobe.com

In den nächsten Jahrzehnten wird die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter infolge des demografischen Wandels in den meisten europäischen Industrienationen zurückgehen. Aktuelle Simulationen und Prognosen. gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung negativ auf die Wirtschaft und den Wohlstand auswirken wird, sofern nicht rechtzeitig gegengesteuert wird, vor allem durch Investitionen in Bildung.

Bis 2050 wird die Zahl der Erwerbstätigen hierzulande um 5,1 Millionen sinken, das geht aus einer Studie hervor, die das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Basierend auf Annahmen und Simulationsrechnungen zu Geburtenrate, Sterblichkeit und Migration zeigt sie anhand verschiedener Szenarien auf, dass die negative Entwicklung des Arbeitsmarkts trotz des demografischen Wandels abgemildert werden kann. Neben Deutschland wurde die Arbeitsmarktsituation auch in Österreich, Frankreich, Italien und Spanien untersucht.

Mehr Bildung als Hebel gegen die Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung

Laut Studie besteht eine klare Korrelation zwischen dem Bildungsniveau und der Teilhabe am Arbeitsmarkt. In allen untersuchten Ländern lässt sich – trotz erheblicher Unterschiede – eine Kluft zwischen verschiedenen Bildungsgruppen erkennen. Bildung und sozialer Aufstieg werden laut OECD vor allem in Deutschland stark vom Bildungshintergrund der Eltern bestimmt, auch wenn es hier inzwischen Verbesserungen gab. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt – in der Studie Bildungsexpansion genannt –, kann die Schrumpfung der Erwerbsbevölkerungen den Simulationsrechnungen zufolge im Jahr 2050 um etwa 745.000 Arbeitskräfte oder rund 15 Prozent abgefedert werden. Durch weitere Investitionen in Bildung könnte die Zahl der Erwerbstätigen noch um 60.000 auf insgesamt 805.000 steigen. Die Voraussetzung dafür wäre aber, dass es einem Viertel der Menschen einer Bildungsstufe gelänge, in die nächsthöhere Stufe aufzusteigen.

Dass der Zuwachs an Erwerbspersonen nicht noch größer ausfallen würde, erklärt die Studie damit, dass bei einer Bildungsexpansion die jungen Menschen länger in Ausbildung sind und dem Arbeitsmarkt in dieser Zeit nicht zur Verfügung stehen. Die Ausweitung der Bildung auf neue Gruppen würde sich erst voll auswirken, wenn sich die heute Jungen dem Rentenalter nähern. Die demographisch bedingte Verringerung der Erwerbsbevölkerung bis zum Jahr 2080, die ohne diese Maßnahme 5,9 Millionen betrüge, würde dann um etwa 1,3 Millionen geringer ausfallen. Langfristig sind Investitionen in Bildung damit wirkungsvolle Hebel, so die Studie. Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Zahl künftig noch benötigter Arbeitsplätze wird in den Prognosen nicht berücksichtigt.

Menschen mit einem höheren Bildungsniveau sind seltener arbeitslos. Sie haben bessere Chancen auf attraktive Beschäftigung, bekommen ein höheres Gehalt und arbeiten auch mehr Stunden,

sagt Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Bildungsinvestitionen lohnten sich auch ökonomisch.

Erwerbsbeteiligung gesundheitlich eingeschränkter Menschen wirkt gegen Arbeitskräftemangel

Ein weiterer wichtiger Faktor, der sich positiv auf die Erwerbsbeteiligung auswirkt, ist laut Studie die Gesundheit. Die OECD spreche von einer „sozialen und wirtschaftlichen Tragödie“ im Zusammenhang mit der großen Zahl von Menschen, die den Arbeitsmarkt aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen oder Behinderungen verlassen. Eine bessere Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt könne die Beschäftigung erhöhen.

Dazu, wie diese konkret erfolgen könnte, sagt die Studie nichts, sie erwähnt nur am Beispiel Schweden den Hinweis auf den Abbau von gesundheitlichen Barrieren. Schweden sei Spitzenreiter, wenn es darum geht, Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden stärker am Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Sollte Deutschland diese Integration ebenso gut gelingen, könnten dem hiesigen Arbeitsmarkt durch die gleichzeitige Kombination mit Bildungsexpansion in 2050 circa 1,9 Millionen und in 2028 rund 2,3 Millionen Menschen zusätzlich zur Verfügung stehen. Das heißt, der Schrumpfungsprozess könne zu mehr als einem Drittel abgefangen werden.

Mehr Wohlstand durch Bildung und Gesundheit

Nach den Berechnungen der Bertelsmann Stiftung tragen beide Faktoren – wobei sich Bildung und Gesundheit auch gegenseitig bedingen – außerdem zu mehr Wohlstand der Menschen bei; das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen könne um bis zu 3.900 Euro steigen. Positive Effekte ergäben sich langfristig auch auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Studie räumt jedoch ein, dass die derzeitige Corona-Krise sowohl die Anhebung des Bildungsniveaus als auch den künftigen Wohlstand gefährden kann. Unter den Schulschließungen litten vor allem die Kinder aus niedrigen Bildungsschichten, die beim Homeschooling weniger Unterstützung bekommen und zudem meist auch noch über eine schlechtere technische Ausstattung verfügen als ihre Mitschüler.

Die Studie „The Impact of Education and Health on Labour Force Participation and the Macroeconomic Consequences of Ageing“ gibt es hier als > Download.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.