Kandidaten gibt, kommt dem Job-Interview eine zentrale Bedeutung zu.
Zahlreiche Unternehmen suchen händeringend nach Software-Entwicklern. Sie sind die gefragtesten IT-Spezialisten auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Die jüngste Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit ergab, dass Arbeitgeber freie Entwicklerstellen erst nach durchschnittlich 144 Tagen besetzen können. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Zeit zur Besetzung einer vakanten Position über alle Berufsprofile hinweg beträgt 100 Tage.
HR bewegt sich hier in einem klassischen Kandidatenmarkt, in dem es mehr Stellen als Kandidaten gibt. Umso zentralere Bedeutung kommt dem Job-Interview zu: Einerseits dürfen begehrte Kandidaten nicht verprellt werden, andererseits muss der Arbeitgeber sicher sein, dass der jeweilige Bewerber, trotz seiner seltenen fachlichen Skills, auch persönlich und werteorientiert zu ihm passt.
Gemeinsam mit den Tech-Recruitern von Talent.io haben wir versucht, das optimale Job-Interview mit Software-Entwicklern zu skizzieren. Dabei haben wir auch die fünf wichtigsten Interviewfragen im Gespräch mit Softwareentwicklern zusammengetragen – exklusiv für User von www.personalwirtschaft.de:
Frage 1: Softwareentwickler gelten als sehr eng mit ihrer Tätigkeit verbunden. Was ist es, das Sie persönlich in Ihrem Job als Entwickler tagtäglich aufs Neue antreibt?
Erläuterung: Stellen Sie offene Fragen, um den IT-Kandidaten aus seiner Komfortzone, in der er durch die herausgehobene Position auf dem Arbeitsmarkt zu sein glaubt, herauszuholen. Arbeitgeber sollten in diesem Kontext unbedingt die intrinsische Motivation ihrer Kandidaten erfragen. Viele Softwareentwickler arbeiten mit Leidenschaft. Harte Faktoren wie das Gehalt oder monetäre Zusatzleistungen sind selten ihr Antrieb. Gute Personaler sollten daher unbedingt herausfinden, was den Kandidaten emotional antreibt. Dabei gilt es übrigens bei der Antwort verstärkt auf nonverbale Signale zu achten. Das berühmte Funkeln in den Augen ist ein untrügliches Zeichen, das zeigt: Das ist mir wichtig im Job. Wer diese Information herauskitzelt, kann sie einsetzen, um den begehrten Spezialisten zu ködern.
Frage 2: Teamwork ist der Kern in jedem Business. Was ist Ihr Beitrag zu einem erfolgreichen Arbeiten im Team? Was können Ihre Kollegen von Ihnen erwarten? Geben Sie uns bitte ein konkretes Beispiel.
Erläuterung: Die Zeiten in denen Entwickler in erster Linie schräge Nerds waren, die stundenlang alleine an ihrem Schreibtisch saßen und nicht von ihrer Tastatur aufschauten, sind vorbei. Software-Entwicklung ist Teamarbeit und das wird in den IT-Abteilungen auch längst so gelebt. Auch um die Entwickler, die bereits bei Ihnen sind, zu halten, sollten Sie darauf achten, ob derjenige, der von ihnen sitzt kooperativ und integrativ arbeitet – trotz aller Kandidaten-Knappheit in diesem Berufsfeld.
Frage 3: Beschreiben Sie bitte eine Veränderung oder Neuerung, die Sie kürzlich an Ihrem Arbeitsplatz oder Ihrer generellen Arbeitsweise initiiert haben. Was war das genau und was war das Ergebnis?
Erläuterung: Software-Entwickler sind immer auf der Jagd nach Neuigkeiten aus ihrem Berufsfeld. Sie lesen regelmäßig Blogs, Fachartikel oder tauschen sich untereinander aus. Das Interesse an ihrem Fachgebiet ist groß und einer ihrer größten Motivationen ist es, sich selbst fachlich weiterentwickeln zu können. Das sind genau die Eigenschaften, die Sie suchen. Mit einer solchen Frage holen Sie also den Kandidaten in dessen fachlichen Kosmos ab und testen gleichzeitig seine Expertise. Wenn Sie sich selbst verständlicherweise fachlich nicht sicher genug für einen solchen Dialog fühlen – nehmen Sie einen Vertreter der Fachabteilung mit oder nutzen Sie die Chance eines zeitversetzten Video-Interviews, das Sie nachher mit der Fachabteilung teilen können.
Frage 4: Erzählen Sie bitte von einer konkreten Situation in der besonders ihre Aufmerksamkeit fürs Detail nützlich für den Erfolg Ihres Teams oder das Ergebnis eines Projekts war.
Erläuterung: Software-Entwickler programmieren meist komplexe Inhalte und bewegen sich in einem Umfeld, das viele Kollegen aus anderen Abteilungen nicht verstehen oder nicht verstehen möchten. Gerade deswegen ist es wichtig, dass sie die Komplexität ihrer Inhalte reduzieren und verständlich transportieren können – etwa dann, wenn sie dem Geschäftsführer oder dem IT-Leiter die Fortschritte oder mögliche Probleme in ihrer Arbeit erklären müssen. Zudem erkennen Sie schnell, ob Programmieren für Ihren Kandidaten ein Selbstzweck ist oder eher ein Mittel zum Zweck des Team- oder Unternehmenserfolges.
Frage 5: Beschreiben Sie bitte die Arbeitsweise eines Mitglieds Ihres aktuellen Teams. Was respektieren Sie an ihr/ihm am meisten? Was haben Sie von ihr/ihm gelernt?
Erläuterung: Ist Ihr potenziell neuer Mitarbeiter in der Lage, sich und sein unmittelbares persönliches Umfeld zu reflektieren? Dieses Wissen benötigen Sie dringend, um einschätzen zu können, ob Ihr Gegenüber in der Lage ist, sich und seine Arbeitsweise selbstkritisch weiterzuentwickeln. Teamarbeit wird nur dann erfolgreich, wenn Menschen nicht nur miteinander arbeiten, sondern auch voneinander lernen und sich selbst reflektieren.