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KMU: Wie Computerspiele beim Recruiting helfen können

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Im Juni 2024 startete das Forschungsprojekt „Wandel durch Gamification und eSports“ (GAFABI) an der Westsächsischen Hochschule Zwickau (WHZ). Es verspricht neue Konzepte und Entwicklungen im Bereich der Mitarbeiterrekrutierung und -bindung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Landkreis Zwickau. Ziel des Projektes ist es, dortige Unternehmen für die Potenziale von Gaming zu sensibilisieren und diese Ansätze gezielt für Employer Branding, Fachkräfterekrutierung und -bindung einzusetzen. Idealerweise soll der Landkreis als Vorreiter in der digitalen Transformation der Arbeitswelt Sachsens positioniert werden. 

Unter der Leitung von Prof. Dr. Manuela Sachse widmet sich das Projekt der Sensibilisierung von Unternehmen für innovative Ansätze zur Fachkräfterekrutierung und -bindung durch Gamification und eSports. Im Interview erklärt sie die Hintergründe des Projektes und ob sich Unternehmen angesichts der Wahlergebnisse in Sachsen mehr als bisher anstrengen müssen, um attraktiv für Mitarbeitende und Bewerbende zu sein. 

Personalwirtschaft: Frau Sachse, wie können gerade KMU eSports- oder Gaming-Elemente nutzen?
Manuela Sachse: eSports-Teams eignen sich hervorragend für Employer Branding. Teams finden sich auch zum Firmenlauf zusammen – warum nicht auch eSports Teams auf Gamingevents schicken? Darüber hinaus können eSports-Teams in Unternehmen Vorteile zur Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit bieten und damit die Fachkräftebindung erhöhen, wenn sie geschickt in die Unternehmensstrategie integriert werden. eSports erfordern eine gute Teamarbeit, effektive Kommunikation und Strategieentwicklung, um erfolgreich zu sein. Diese Fähigkeiten können direkt auf die Unternehmensumgebung übertragen werden und die Teamdynamik im Arbeitsalltag verbessern.  

Die Integration von eSports-Teams kann auch die Unternehmenskultur stärken, insbesondere, wenn die Werte des Teams mit denen des Unternehmens übereinstimmen. Es kann eine Atmosphäre von Wettbewerb, Zusammenhalt und Engagement schaffen. eSports erfordert Kreativität und schnelle Entscheidungsfindung in Echtzeit, was die Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten der Teammitglieder fördert, was auch im Geschäftsumfeld von Vorteil ist. Unternehmen, die eSports-Teams unterstützen oder besitzen, können ihre Markenpräsenz in der Gaming-Community und darüber hinaus stärken. Dies kann zu einer positiven Wahrnehmung des Unternehmens führen und eine breitere Zielgruppe ansprechen. 

Welche Vorteile gibt es noch?
Gamifizierung kann die Motivation der Mitarbeitenden steigern, indem sie Anreize wie Belohnungen, Abzeichen und Fortschrittsverfolgung einführt. Spielerische Elemente fördern Engagement und schaffen ein emotionales Bindungserlebnis, das zur langfristigen Bindung von Fachkräften beiträgt. Das Onboarding neuer Mitarbeiter kann durch Gamifizierung interaktiver und ansprechender gestaltet werden.  

Gamifizierung kann auch den Rekrutierungsprozess interessanter und effizienter gestalten. Durch die Einbindung von Spielelementen können Unternehmen das Lernen und die Weiterbildung der Mitarbeiter attraktiver gestalten. Mitarbeitende können zum Beispiel durch das Erreichen von Zielen, das Bestehen von „Lernlevels“ oder durch das Sammeln von Punkten Fortschritte dokumentieren. Das sind aber nur einige Beispiele. Es ist wichtig, dass die gamifizierten Elemente nicht nur unterhaltsam sind, sondern auch einen klaren Mehrwert zur Fachkräfterekrutierung und -bindung bieten und zur Unternehmenskultur passen. Die effektive Integration von Gamification erfordert vor allem ein tiefes Verständnis der individuellen Möglichkeiten, der jeweiligen Zielgruppen und der Markenidentität. Das zu analysieren und individuelle Konzepte zu erarbeiten, ist unsere Aufgabe. 

Sprechen wir über das Forschungsprojekt „Wandel durch Gamification und eSports“. Wie kam es dazu?
Das Forschungsprojekt entstand aus der Überlegung, neue und kreative Wege zu finden, um dem Fachkräftemangel in kleinen und mittleren Unternehmen entgegenzuwirken. Viele KMU stehen vor der Herausforderung, junge und qualifizierte Mitarbeitende nicht nur zu gewinnen, sondern langfristig zu binden. In diesem Kontext gibt es schon Ideen, Spielelemente und gamifizierte Ansätze zur Rekrutierung und Mitarbeiterbindung und -motivation zu nutzen.  

Welche Rolle spielt dabei die Hochschule Zwickau? 
An der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Westsächsischen Hochschule forsche ich bereits seit einiger Zeit mit meinem Team im sogenannten GAMeS Hub – dem verhaltenswissenschaftlichen Forschungslabor zu Gaming und eSports – im Rahmen von eSports-Marketing, Employer Branding und Personalmarketing zu diesem Thema. Ich bin dann dem Aufruf zur Einreichung von Projekten zur Förderung von Maßnahmen zur Fachkräftesicherung in den Landkreisen im Rahmen der Fachkräfterichtlinie des sächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gefolgt.  

Was genau erforschen Sie? 
Wir schauen uns aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive an, wie Spielelemente die Mitarbeiteransprache beeinflussen können. Die Motivation, das Engagement und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden beeinflussen können. So ergründen wir, wie Spielelemente die Motivation, das Engagement und die Zufriedenheit von Mitarbeitenden beeinflussen können, wodurch Teambuilding entsteht oder welche Elemente für die Nutzung im Rahmen von Employer Branding erfolgreich eingesetzt werden können oder sogar sollten. Wir versuchen also, die Annahmen, dass Gamification und eSports bei der Mitarbeiteransprache helfen, wissenschaftlich zu belegen. Dabei geht es um Motivationspsychologie, Lern- und Leistungsförderung: Verhalten in sozialen Interaktionen, Emotionsforschung und vieles mehr.  

Was zeichnet die Hochschule Zwickau bei diesem Thema aus? 
Als wissenschaftliche Institution bringen wir das notwendige Know-how im Bereich der Digitalisierung, der Arbeitsmarktforschung und aktuellen Erkenntnissen aus der Marketing- und Personalmanagementforschung ein. Die Hochschule ist maßgeblich daran beteiligt, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Gamification in Unternehmen zu erarbeiten, die Bedürfnisse der KMU zu analysieren und darauf basierend geeignete Lösungen zu entwickeln. 

Durch die Zusammenarbeit mit der Hochschule erhalten die Unternehmen Zugang zu wissenschaftlich fundierten Ansätzen, um ihre internen Prozesse im Hinblick auf Fachkräfteansprache zu optimieren. Zudem bietet die Hochschule Plattformen, um die entwickelten Konzepte und Techniken zu testen und weiterzuentwickeln, was die Zusammenarbeit besonders wertvoll macht. 

Wen genau sprechen Sie mit dem Projekt an?  
Alle Arbeitgeber, die sich offen zeigen für neue Möglichkeiten der Mitarbeiteransprache. Grundsätzlich können sich alle KMU im Landkreis Zwickau und darüber hinaus beteiligen. Aktuell sind wir dabei, ein Netzwerk aufzubauen, um in gemeinsamen Workshops zunächst die Möglichkeiten von Gamification und eSports aufzuzeigen. Der erste Schritt lautet also Sensibilisierung für die Chancen, junge Zielgruppen in „ihrer“ Welt abzuholen. Besteht darüber hinaus Interesse der KMU, entwickeln wir gern gemeinsam individuelle Lösungen. 

Gibt es in Zwickau und Umgebung viele Unternehmen, die dafür infrage kommen?  
Da das Angebot der Sensibilisierung für Maßnahmen und auch die Umsetzung nicht branchen- oder Unternehmensgrößen-gebunden sind, kommt es grundsätzlich für jedes KMU infrage. 

Müssen sich Unternehmen angesichts der Wahlergebnisse in Sachsen noch mehr als bisher anstrengen, um attraktiv für Mitarbeitende und Bewerbende zu sein? 
Unabhängig von den Wahlergebnissen müssen sich in Deutschland alle Unternehmen verstärkt darum bemühen, attraktiv für Mitarbeitende und Bewerbende zu bleiben. Die politische Lage und die damit verbundene Unsicherheit können das Image der Region beeinflussen. Theoretisch könnte das sowohl Fachkräfte als auch potenzielle Bewerber aus anderen Regionen abschrecken. Das ist aktuell aber nicht belegt. Unternehmen sind daher ohnehin gefordert, sich noch stärker als moderne, zukunftsorientierte und stabile Arbeitgeber zu positionieren.  

Insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der in Sachsen wie in vielen anderen Regionen Deutschlands eine Herausforderung darstellt, müssen Unternehmen gezielte Maßnahmen ergreifen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Dies kann eben durch innovative Konzepte zur Mitarbeiterrekrutierung und -bindung geschehen. Eine starke Arbeitgebermarke ist aber grundsätzlich wichtig, um sich als attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber von möglichen negativen Standortfaktoren abzuheben. Das gilt für alle Regionen und diverse negative Standortfaktoren. Dazu zählen nicht nur Wahlergebnisse. 

Info

Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

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