Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bleibt weiterhin angespannt für Unternehmen. Ein wachsender Anteil von Betrieben hat Schwierigkeiten, ausreichend Auszubildende zu finden. Fast die Hälfte der Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammern (IHKs) ist von dieser Herausforderung betroffen.
In über 30.000 Betrieben ging bei ausgeschriebenen Stellen nicht einmal eine Bewerbung ein. Besonders in den Branchen Gastronomie, Industrie und Handel gestaltet sich die Suche nach Auszubildenden als besonders herausfordernd, wie die Ausbildungsumfrage 2023 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt. Sie basiert auf den Erfahrungen des vergangenen Jahres und wurde bereits im August veröffentlicht.
Ist das überraschend?
Ja und Nein. Die Gründe sind vielfältig – und dennoch nicht neu. Und eine Zahl zeigt das ganze Dilemma für das Ausbildungssystem: die Zahl der Studierenden. Sie ist in Deutschland zwar 2022 gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen – gleichwohl ist sie in den Jahren davor deutlich gestiegen.
Die Zahl der Auszubildenden befindet sich dabei seit 2008 in einem kontinuierlichen Abwärtstrend. Beide Entwicklungen führen dazu, dass die Differenz zwischen Azubis und Studis in absoluten Zahlen weiter zunimmt, die Schere öffnet sich immer weiter. Das zeigen die Daten des Statistischen Bundesamts. Demnach gab es im Jahr 2002 rund 1,9 Millionen Studierende an Hochschulen, 2022 hingegen bereits 2,9 Millionen Studierende – ein Plus von knapp 51 Prozentpunkten. Die Zahl der Auszubildenden ist im selben Zeitraum hingegen um rund 25 Prozentpunkte auf 1,22 Millionen gefallen.
Arbeitsagentur ist out, Berufsorientierung im TikTok-Style in
Jetzt kann (und sollte!) man nach dem “Warum” fragen. Und da muss das “Team Ausbildung” aufholen – und das bereits zu Schulzeiten. Denn die Mehrheit der Auszubildenden und Ausbilder sowie Ausbilderinnen macht vor allem die fehlende Berufsorientierung in Schulen dafür verantwortlich, dass viele Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben.
Das geht aus der Studie “Azubi-Recruiting Trends 2023” hervor, worüber unter anderem der SPIEGEL bereits im Mai 2023 berichtete. Befragt wurden dafür rund 4.300 Schüler und Schülerinnen und Azubis sowie rund 1.600 Ausbilder und Ausbilderinnen. Die klassische Berufsorientierung in der Arbeitsagentur ist dabei “outdated”, heute erkundigt man sich auf Social Media nach Jobs.
Wo der Staat hinterherhinkt, ergeben sich manchmal auch Chancen: So bieten Start-ups wie das Heidelberger HR-Tech-Unternehmen „nextx” (eine Beteiligung von allygatr, Anm. d. Red.) beispielsweise eine Berufsorientierung im “Tik-Tok-Style” an.
Es braucht den “Dreifach-Wumms”
Die Probleme hören nach der Gewinnung von Azubis, wenn es denn gelang, aber nicht auf. Mehr als jeder beziehungsweise jede Vierte (29,5 Prozent) aller Auszubildenden brechen die Ausbildung ab. So hoch waren die Quoten zuletzt in den 1990er-Jahren. Wenn man sich dann die Zahlen noch etwas genauer anschaut, kann man nur erahnen, was uns hinsichtlich des demografischen Wandels noch bevorsteht: Die größten Abbrecherquoten gibt es in den Bereichen, wo es jetzt schon mehr als nur “knirscht”: Handwerk, Pflege und Gastgewerbe.
Auch in diesem Markt tummeln sich bereits Start-ups, wie zum Beispiel novaheal (Beteiligung von allygatr, Anm. d. Red.), welche speziell für die Pflegeberufe (wo die Abbrecherquoten traditionell schon höher sind) digitale Lernangebote schafft und veraltete Bücher und Methodiken ablöst. Das Ziel: Die Pflegekräfte jederzeit in einen Zustand versetzen, in dem sie sich der Situation gewachsen fühlen, anstatt überfordert zu werden.
Info
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Es bleibt also eine Mammutaufgabe, welche wir zu lösen haben: Zum einen eine bessere, digitalere und auf die Zielgruppe angepasste Orientierung, eine bessere Ausstattung und Hilfe während der Ausbildung, um die Abbrecherquote zu verringern und ganz allgemein eine Steigerung der Attraktivität der Ausbildungsplätze.
Es bedarf also einen “Dreifach-Wumms” – angefangen von der Politik, über die Schulen bis hin zum Ausbildungsbetrieb. Über 20 Jahre nach Ende meiner Ausbildung fordere ich uns daher alle auf: Lasst uns die Ausbildung wieder sexy machen!