70 Reportings für Recruiting-KPIs: Die Allianz hat sich tief in die Welt der Key Performance Indicators begeben. Doch was wird in der Recruiting-Abteilung des Versicherungskonzerns alles gemessen? Und gibt es eine Struktur im komplexen Reporting-Netz?
Recruiting-KPIs haben immer noch nicht in jeder Personalabteilung einen hohen Stellenwert. Beim Versicherungskonzern Allianz schon. Dort werden so viele Arbeitsschritte mittels Key Performance Indicators (KPIs) in Zahlen verpackt wie nur möglich. „Wenn wir etwas entlang des Recruiting-Prozesses messen können, dann tun wir das“, sagt Dominik Hahn, Global Head of People Attraction der Allianz SE. Diese Einstellung hat dafür gesorgt, dass es im kommenden Oktober in den weltweiten Recruiting-Abteilungen des Versicherungskonzerns rund 70 Reportings geben wird. Druck verursache das bei den Mitarbeitenden nicht. Vielmehr bringe es die Recruiterinnen und Recruiter in eine gute Verhandlungsposition, um nötige Prozessänderungen von der Führungsebene abgesegnet und mehr Budget zur Verfügung gestellt zu bekommen, so Hahn.
Die Reportings der Allianz würden teilweise bereits automatisch von den Systemen externer Anbieter erstellt, die für die tägliche Arbeit der Recruiting-Mitarbeitenden verwendet werden. „Die restlichen Messinstrumente haben wir selbst an den Stellen eingebaut, an denen wir es für nötig hielten“, sagt Hahn. Dabei habe man stets das Ziel vor Augen gehabt, die komplette Candidate Journey analysieren zu können. Derzeit wird dies beim Versicherungskonzern mit zwei unterschiedlichen Systemen getan: Zum einen werden externe Aktionen – wie etwa die Aktivitäten auf der Webseite, in den sozialen Medien und den Stellenportalen mittels Adobe und Google Analytics getrackt. „So können wir beispielsweise nachvollziehen, wer von welcher Quelle aus auf unsere Karrierewebseite gelangt ist und worauf sich diese Person beworben hat“, erklärt Hahn. Zum anderen werden interne Prozesse durch Reportings von Bewerbermanagement-Systemen und Umfragen bewertet. Damit arbeite das Allianz-Recruiting-Team mit mehreren Datenpools. Ab Oktober soll sich das ändern. Dann sollen alle Daten über das Bewerbungs-Tool Successfactors eingehen.
Sub-KPIs: Quantitativ oder qualitative Messungen?
Für die Analyse interner Prozesse haben Hahn und sein Team ihr Handeln sowie ihre dazugehörigen Messungen in mehrere Dimensionen eingeteilt. So werden auf der einen Seite die Prozessschritte quantitativ analysiert. Dabei drehe sich alles um die Frage wie schnell und wie viel etwas stattgefunden hat. Diese Ebene werde noch einmal in strategische und operative Prozesse unterteilt. Ins strategische Sortiment falle alles, was die Gruppenperspektive betrifft wie etwa die Anzahl der Einstellungen für bestimmte Talent-Profile und die Summe an weiblichen Führungskräften, die neu eingestellt wurden. Operative KPIs beziehen sich dahingegen auf die lokalen Ebenen. Wie viele Bewerbungen sind wo eingegangen? Wie reibungslos verläuft die Interaktion zwischen Recruiting-Abteilung und einstellender Führungskraft? Solche Fragen spielen auf dieser Ebene eine Rolle, so Dominik Hahn.
Nach den wichtigsten Kontaktpunkten mit den Kandidaten fragen wir nach, wie sie den Service fanden.
Neben den quantitativen Analysen werde bei der Allianz auch die Candidate Experience qualitativ gemessen. Dies geschieht vor allem mittels Umfragen. „Nach den wichtigsten Kontaktpunkten mit den Kandidaten fragen wir nach, wie sie den Service fanden“, sagt Hahn. So erhalte die Kandidatin oder der Kandidat nach der Einreichung der Bewerbung direkt eine E-Mail, mit einer Bitte, doch kurz den Bewerbungsprozess zu bewerten. Das Gleiche gelte nach dem letzten Job-Interview. Ab Herbst kommen ähnliche Abfragen auch für den Pre- und Onboarding-Prozess hinzu. Was als nervig wahrgenommen werden kann, zahle sich für das Recruiting-Team der Allianz aus. „Ich war erstaunt, wie hoch die Teilnahme an diesen Umfragen ist“, sagt Hahn. Auf die Frage nach der Application Experience geben durchschnittlich rund 20 Prozent der Bewerbenden eine Bewertung ab.
Learning-by-Doing-Ansatz
Viele der Analyse-Tools erhalten regelmäßig über den externen Betreiber ein Update, womit das Team der Allianz immer wieder neue Messinstrumente zur Verfügung hat. Zudem können die Recruiter auch selbst Wünsche nach neuen Tools äußern, die nach Abstimmung installiert werden. Eine Ausbildung zum Datenanalysten habe im Allianz-Recruiting-Team keiner. „Wir haben die datenbasierte Arbeit via Learning-by-Doing eingeführt“, sagt Hahn. „Die Kolleginnen und Kollegen und ich haben uns das meiste hierfür selbst beigebracht, indem wir uns ins entsprechende System reingefuchst haben – größtenteils auch mithilfe von Youtube- und Linkedin Learning-Videos oder indem wir den SAP-Guide durchgelesen und einfach Dinge ausprobiert haben.“
Man muss nicht immer Externe zur Hilfe rufen.
Für umfangreichere Lösungen wie das kommende Successfactors-Tool gebe es natürlich eine kurze Einführung der externen Partner, aber um mit den Allianz-Reporting-Tools umzugehen sei kein Data Analytics Training nötig. „Da genügt es, sich schlicht selbst einzuarbeiten“, sagt Hahn. Wer darüber hinaus eine Schulung machen möchte, könne und sollte dies aber tun. „Mir ist es wichtig, dass alle von uns selbst wissen, wie sie mit den Systemen umgehen sowie sich als Verantwortliche oder Verantwortlicher sehen“, erklärt der Recruiting-Spezialist. „Man muss nicht immer Externe zur Hilfe rufen.“. So habe zwar auch generell jedes Team-Mitglied seine Aufgaben und die meiste Zeit auch nur die dazugehörigen Reports auf dem Schirm, erfahre aber anhand eines monatlichen globalen KPI-Reports wie die Situation bei den Kollegen aussieht. Die Heads of Recruiting der Landesgesellschaften der Allianz treffen sich zusätzlich regelmäßig, um die Zahlen für die Standorte durchzugehen und Best Practices sowie anderes Wissen zum Umgang mit KPIs auszutauschen. „Unsere Einheiten agieren zwar extrem unterschiedlich, doch wir nutzen alle dasselbe System“, sagt Hahn. Und auf diesem System basiert bei der Allianz der gesamte Recruiting-Prozess.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.