Seit einigen Jahren dominiert besonders ein Thema die Nachrichten im Bereich Berufsausbildung: das Passungsproblem. Es gibt zu wenig Interessierte und zu viele unbesetzte Stellen. Dementsprechend oft werden auch die Gründe diskutiert. Unter anderem der demografische Wandel, die Coronapandemie und die zunehmende Akademisierung der Gesellschaft seien für die rückläufige Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge verantwortlich.
Die zentrale Frage lautet also: Wie können Ausbildungsbetriebe ihr Angebot attraktiver gestalten und mehr qualifizierte Bewerbungen generieren? Um Antworten zu finden, lohnt es sich, die Zielgruppe genau zu beobachten und ihre Wünsche und Bedürfnisse rechtzeitig zu erkennen. So können die eigenen Maßnahmen neu bewertet und angepasst werden, um auf dem umkämpften Kandidatenmarkt erfolgreich zu rekrutieren.
Drei Denkanstöße für zeitgemäßes Azubi-Recruiting und -Management:
1. Das Thema mentale Gesundheit ernst nehmen.
In den vergangenen Jahren rückte das Thema mentale Gesundheit immer mehr in den Vordergrund, die Pandemie verschärfte die Problematik zusätzlich. Aktuelle Studien zeigen: Immer mehr junge Menschen geben an, sich depressiv und antriebslos zu fühlen. Viele erhoffen sich deshalb mehr psychologische Unterstützung. Ein Wunsch, der auch von Ausbildungsbetrieben ernst genommen werden sollte. Diese Fragen sind für HR-Manager:innen entscheidend:
- Welche Präventivmaßnahmen treffen wir?
- Können sich Azubis bei sensiblen Themen vertrauensvoll an uns wenden?
- Gibt es ein Konzept für den Ernstfall?
Dass die Thematik innerhalb der Branche Relevanz besitzt, zeigt auch eine Umfrage von F.A.Z. Business Media. Hier sind 45 Prozent der befragten HR-Mitarbeiter:innen der Meinung, dass sie in Zukunft zusätzliche Kompetenzen im Bereich Mental Health, beispielsweise bei der Stressprävention, aufbauen müssen.
2. Die Karrierechancen klar und frühzeitig kommunizieren.
Die zunehmende Akademisierung ist keine neue Entwicklung in Deutschland. Zwar sank die Zahl der Studienanfänger:innen im Jahr 2021 leicht, in den zehn Jahren zuvor lag diese aber jedes Mal auf einem Rekordhoch. Dass viele junge Menschen lieber ein Studium statt einer Berufsausbildung beginnen, könnte unter anderem an der mangelnden Reputation von Ausbildungsberufen liegen. Die allgemeine Auffassung: Mit einem akademischen Hintergrund seien die Karrierechancen grundsätzlich vielversprechender.
Klassische Berufsausbildungen gelten im sozialen Umfeld hingegen häufig – wenn auch nur unterschwellig – als ambitionslos. Familie und Freund:innen beeinflussen die jungen Menschen noch immer enorm bei der Planung ihrer Zukunft. Für Unternehmen gilt es deshalb, die potenziellen Azubis schon vor der Bewerbung über die oft vielfältigen Karrierechancen nach der Ausbildung zu informieren. Und zwar vor allem dort, wo sie sich aufhalten – auf Karriere-Websites und Online-Jobplattformen.
Der Zielgruppe muss deutlich gemacht werden, dass auch über den Weg der Berufsausbildung reihenweise Möglichkeiten für die individuelle berufliche Entfaltung gegeben sind. Durch die Erlangung des Meistertitels in handwerklichen Berufen können Gesell:innen beispielsweise schon nach wenigen Jahren einen Betrieb ihrer persönlichen Vorstellungen entsprechend leiten. Das durchschnittliche Gehalt von Handwerksmeister:innen ist über ihr gesamtes Berufsleben gesehen ähnlich hoch wie das der Hochschulabsolvent:innen. Wichtig: Auch andere, betriebliche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sollten gegeben sein und transparent kommuniziert werden.
3. Die Arbeitgebermarke durch Benefits und Unternehmenswerte schärfen.
Die Generation Z, also die aktuelle Zielgruppe auf dem Ausbildungsmarkt, weiß um ihren Wert. Benefits sowie eine Unternehmenskultur, mit der sich die jungen Menschen identifizieren können, sind dementsprechend wichtig, um neue Auszubildende für Ihr Unternehmen zu begeistern. Gleichzeitig motivieren Sie dadurch Ihre Lehrlinge während der Ausbildungszeit. Durch maximal transparente und genaue Angaben in Stellenanzeigen sowie Unternehmensprofilen stechen Sie aus der Masse hervor. Die Gen Z sehnt sich besonders nach Sicherheit und Work-Life-Balance. Kernfragen, die sich HR-Manger:innen für einen attraktiven Auftritt stellen sollten:
- Können wir eine vielversprechende Azubi-Übernahmequote und das Gehalt transparent kommunizieren?
- Welche konkreten Maßnahmen unterstützen die Work-Life-Balance der Mitarbeiter:innen?
- Wie kann der Betrieb helfen, die Gesundheit der Mitarbeiter:innen zu fördern?
- Welche Werte vertritt das Unternehmen und warum? Wie werden diese Werte umgesetzt?
Klar ist: Die genannten Impulse machen das Angebot für neue Auszubildende nur dann interessanter, wenn sie an den für die Zielgruppe wichtigen Stellen sichtbar werden. Erste Neugierde erzeugt man bei jungen Menschen vor allem über die populären Social-Media-Netzwerke Instagram und TikTok. Tiefergehend informieren sich die Jugendlichen besonders auf den Online-Jobplattformen, Karriere-Websites und über Suchmaschinen.