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Weiterbildung: Wie steht es um das Corporate Learning in Deutschland?

Kompetenzen
Künftig sind andere Kompetenzen gefragt als heute, insbesondere wegen der Digitalisierung. Foto: © Murrstock-stock.adobe.com

Ist die betriebliche Weiterbildung in Deutschland noch zeitgemäß und zukunftsfähig? Eine Befragung unter Fach- und Führungskräften kommt zu dem Schluss, dass hierzulande Nachholbedarf beim organisationalen Lernen besteht. Das betrifft vor allem digitale Skills und die Fähigkeit zu virtuellem Arbeiten. Neben den Lerninhalten gehört aber auch die Art des bisherigen Lernens auf den Prüfstand.

Sechs von zehn Fach- und Führungskräften erkennen Skill-Gap

Im Rahmen einer gemeinsamen Studie haben die Online-Jobplattform Stepstone und das Kienbaum Institut ISM im vergangenen März rund 8.000 Erwerbstätige in Deutschland repräsentativ befragt und die Antworten von 3.000 Fach- und Führungskräften ausgewertet. Danach erwarten vier Fünftel der Teilnehmer, dass Mitarbeiter in den kommenden fünf Jahren neue Kompetenzen durch veränderte Tätigkeiten benötigen. Auslöser sei insbesondere die Corona-Krise, die vor allem die Digitalisierung der Arbeitswelt befeuere. Sechs von zehn Befragten (59 Prozent) sind der Ansicht, dass es an Kompetenzen mangelt, um den künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Führungskräfte und Personaler erwarten, dass sich dieser Skill-Gap weiter vergrößert. Die Gründe sieht jeder Zweite von ihnen auch im Personal- und Fachkräftemangel.


Das Thema Corporate Learning haben wir auch in unserer Titelgeschichte zum Thema Up- und Reskilling in Heft 5/2021 und mehreren Online-Geschichten gewidmet. Unter anderem finden Sie hier sechs Thesen zu Upskilling und Reskilling, sowie Unternehmensbeispiele aus der Energie– und der Biotechnologiebranche sowie dem Fahrradhandel. Die komplette Titelstrecke finden Sie in unserem E-Paper-Archiv, das Sie einen Monat lang kostenlos testen können.

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Gefragte Kompetenzen für den digitalen Wandel

62 Prozent aller Studienteilnehmer halten Zukunftskompetenzen für überaus wichtig für den Unternehmenserfolg. Allerdings gibt nur jeder Fünfte (20 Prozent) an, dass es in seiner Organisation eine klare Definition dieser Kompetenzen gibt. Aus Sicht der Befragten stehen folgende zehn Zukunftskompetenzen im Mittelpunkt: digitale Kommunikation, lebenslanges Lernen/Lernagilität, Veränderungsbereitschaft/Anpassungsfähigkeit, digitale Anwendungskompetenz, Kundenzentriertheit, Digitalstrategie, Problemlösekompetenz, virtuelles Arbeiten, interpersonelle Zusammenarbeit und technisches Grundverständnis. Nach Aussage der Befragten fehlen den Organisationen derzeit vor allem Experten im Bereich IT & Datenanalyse. Wenn es darum geht, wie sich Unternehmen die Zukunftskompetenzen sichern wollen, so setzen Konzerne vor allem auf die Rekrutierung neuen Personals und auf Upskilling, während mittelgroße und kleine Unternehmen Weiterbildung in Form von Up- und Reskilling favorisieren.

Fortbildung meist formal, generalisiert und wenig strategisch

Die Studienteilnehmer wurden auch dazu befragt, wie organisationales Lernen in ihren Unternehmen gestaltet wird. Gut drei Viertel der Befragten (79 Prozent) beschreiben das Corporate Learning als eher formal. Weitere 70 Prozent erleben es als überwiegend generalisiert. Jeder Zweite sagt, das Lernen sei eher vorgeschrieben als eigenverantwortlich. Darüber hinaus gaben fast vier von zehn Befragten (37 Prozent) an, die Weiterbildung sei nicht an der Unternehmensstrategie ausgerichtet.
Zwei Drittel (65 Prozent) der Beschäftigten sind mit der Vielfalt der Lern- und Entwicklungsangebote unzufrieden und 58 Prozent bemängeln deren Qualität. 62 Prozent finden die digitalen Lernmöglichen unzureichend, fast genauso viele (58 Prozent) kritisieren die klassischen Lernangebote. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Mitarbeiter von Arbeitgebern, die selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen ermöglichen, deutlich weniger unzufrieden sind. Auch ist die Zufriedenheit mit den Maßnahmen in jenen Unternehmen größer, die ihre Lernangebote individuell auf die Mitarbeiter zuschneiden und mehr verschiedene Lernmethoden einsetzen.

Weniger Lernangebote und Inhalte aufgrund der Krise

Die Krise hat dazu geführt, dass die Lern- und Entwicklungsformate digitaler geworden sind, sich gleichzeitig aber das Angebot verringert hat und weniger Inhalte zur Verfügung stehen. Außerdem hat die Qualität der Angebote gelitten. Dieser negative Effekt ist laut Studie aber weniger stark, wenn den Mitarbeitern Möglichkeiten zur eigenverantwortlichen Weiterbildung zur Verfügung stehen. Mehr als jeder zweite Befragte sieht sich selbst in der Verantwortung für seinen Kompetenzerwerb.

Mitarbeiter wollen Eigenverantwortung und Begleitung

Eigenständigkeit scheint also eine wesentliche Rolle für die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit den Entwicklungsmöglichkeiten zu sein. Das heißt aber nicht, dass sie alleingelassen werden wollen, sondern gleichzeitig hätten sie gern mehr Unterstützung: So wünscht sich gut jeder Zweite (53 Prozent) deutlich mehr Coaching in Präsenz und 37 Prozent befürworten mehr Mentoring zulasten von Trainings und Workshops. In der jetzigen Praxis überwiegen jedoch Trainings (59 Prozent) und Workshops (54 Prozent). Demgegenüber bietet nur jedes dritte Unternehmen (34 Prozent) Coaching und lediglich jedes fünfte (20 Prozent) Mentoring an. Bei den virtuellen Formaten gehören Webinare/Websessions zu den häufigsten Angeboten, die Befragten wünschen sich aber stattdessen mehr Workshops und auch hier mehr Coachings und Mentoring. Was Gruppen- und Vernetzungsaktivitäten betrifft, erwarten die Studienteilnehmer ein größeres virtuelles Angebot. Ähnliches gilt für digitale und individualisierte Lernmethoden, die derzeit jedoch nur etwas mehr als jedes Unternehmen einsetzt.

Anstehende Aufgaben

Corporate Learning sei kein reiner Kostenfaktor, sondern strategischer Erfolgsfaktor für Unternehmen, so ein Fazit der Studie. Die Kunst für Unternehmen werde darin bestehen, den Spagat zwischen der Eigenverantwortlichkeit des Lernens und der strategischen Gestaltung organisationaler Leitplanken zu meistern. Dr. Tobias Zimmermann, Arbeitsmarkt-Experte bei Stepstone, rät Unternehmen dazu, ihre Mitarbeiter fortan durch passende Weiterbildungsangebote zu begleiten und ihnen die passenden Werkzeuge für effektives Lernen zur Verfügung zu stellen. Führungskräfte sollten in Sachen Corporate Learning als Vorbilder vorangehen.

Die Studie „Future Skills- Future Learning“ steht zum > Download bereit.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.