Die Einkommen von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland sind im Jahr 2024 spürbar gestiegen. Laut einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit lag der Median der monatlichen Bruttoarbeitsentgelte zum Stichtag 31. Dezember bei 4.013 Euro – das sind 218 Euro mehr als im Vorjahr. Prozentual entspricht das einem Anstieg von 5,7 Prozent. Seit dem Jahr 2020 hat sich der Medianlohn damit um knapp 600 Euro erhöht – trotz Pandemie, Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit.
Noch bemerkenswerter ist die Entwicklung der Reallöhne. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Nominallöhne im Jahresverlauf um durchschnittlich 5,4 Prozent, während die Verbraucherpreise lediglich um 2,2 Prozent zulegten. Das ergibt einen Reallohnzuwachs von 3,1 Prozent – der höchste seit dem Jahr 2008.
Der kräftige Anstieg kommt überraschend, denn das wirtschaftliche Umfeld war 2024 alles andere als stabil. Energiepreise, Konsumzurückhaltung, geopolitische Unsicherheit – all das bremste Investitionen und Produktion. Umso deutlicher sticht der Lohntrend heraus.
Spitzengehälter in der IT – Ostdeutschland bleibt zurück
Der Medianwert von 4.013 Euro verdeckt allerdings erhebliche Unterschiede – sowohl regional als auch zwischen Berufen und Qualifikationen. Besonders gut bezahlt wurden 2024 erneut Informatikberufe mit einem Median von 5.907 Euro. Es folgen technische Entwicklungs- und Konstruktionsberufe (5.760 Euro) sowie Tätigkeiten im Finanz- und Steuerwesen (5.354 Euro). Auch Berufe in Bauplanung, Vertrieb, Unternehmensführung oder Marketing lagen deutlich über dem Durchschnitt.
Demgegenüber bleiben viele klassische Dienstleistungs- und Care-Berufe hinter dem Bundesmittelwert zurück. Lehrende, pädagogische oder soziale Berufe überschreiten häufig nur knapp die 4.000-Euro-Marke, Pflegekräfte liegen teils deutlich darunter – trotz hoher gesellschaftlicher Relevanz.
Regional führt Hamburg die Liste mit einem Median von 4.527 Euro an, gefolgt von Baden-Württemberg (4.356 Euro) und Hessen (4.325 Euro). Schlusslichter bleiben Mecklenburg-Vorpommern (3.294 Euro), Thüringen (3.307 Euro) und Sachsen-Anhalt (3.353 Euro). Der Osten ist trotz aller Aufholversuche weiterhin deutlich unterdurchschnittlich entlohnt. Ein strukturelles Problem, das sich durch steigende Wohn- und Lebenshaltungskosten noch verschärft – auch wenn das allgemeine Preisniveau in vielen Regionen des Ostens noch unter dem westdeutschen Durchschnitt liegt.
Bei der Betrachtung nach Bildungsabschluss ergibt sich wenig überraschend ebenfalls ein klares Bild: Menschen ohne Berufsabschluss verdienten im Median nur 2.987 Euro, mit abgeschlossener Ausbildung waren es 3.870 Euro. Akademikerinnen und Akademiker kamen auf durchschnittlich 5.916 Euro – also fast das Doppelte im Vergleich zur niedrigsten Qualifikationsstufe.
Auch das Alter spielt eine Rolle: Das höchste Medianentgelt wurde bei den 55- bis 59-Jährigen erreicht. Danach sinken die Werte wieder – vermutlich aufgrund von Teilzeitregelungen, Führungsrückzug oder Vorruhestand.
Tarifpolitik mit spürbarer Wirkung
Dass die Löhne gestiegen sind, erscheint nur auf den ersten Blick erstaunlich, gibt es doch dafür gute Gründe. Ein wesentlicher Treiber des Entgeltanstiegs waren die Ergebnisse der Tarifrunden 2023 und 2024. Im öffentlichen Dienst der Länder wurde eine zweistufige Erhöhung vereinbart: Ab November 2024 erhielten Tarifbeschäftigte eine monatliche Pauschale von 200 Euro, ab Februar 2025 folgt eine Erhöhung um weitere 5,5 Prozent. Ähnliche Abschlüsse gab es im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. In der Metall- und Elektroindustrie lagen die Abschlüsse 2023 ebenfalls bei rund fünf Prozent, ergänzt um steuerfreie Inflationsausgleichsprämien.
Solche Tarifabschlüsse wirken oft nicht nur auf tarifgebundene Betriebe, sondern setzen auch Impulse für nicht gebundene Unternehmen. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) orientieren sich Unternehmen besonders in Bereichen mit hohem Fachkräftebedarf an den Abschlüssen, um keine Wettbewerbsnachteile zu riskieren.
Laut dem Beratungsunternehmen Kienbaum rechneten bereits zu Jahresbeginn 2024 rund 92 Prozent der befragten Unternehmen mit einem hohen bis sehr hohen Druck auf die Gehaltsentwicklung – vor allem im mittleren und gehobenen Qualifikationssegment. Die durchschnittlich erwarteten Steigerungen lagen bei 5,4 Prozent für Fachkräfte und bei über sechs Prozent für Spezialistinnen und Spezialisten.
Mindestlohn und Marktdynamik
Auch die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns hat weiterhin Wirkung gezeigt. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts profitieren etwa sechs Millionen Menschen von der Erhöhung – darunter viele in Ostdeutschland, im Einzelhandel, in der Logistik oder in personenbezogenen Dienstleistungen. Die strukturelle Auswirkung auf das Entgeltniveau ist unübersehbar: In unteren Lohngruppen wurde 2023 häufig nachgesteuert, um über der gesetzlichen Schwelle zu bleiben – und 2024 setzten viele Unternehmen zusätzliche Erhöhungen um, um sich am Markt zu behaupten, heißt es seitens des Bundesamtes.
Dabei wirkt nicht allein das Gesetz. Der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass Unternehmen auch ohne tarifliche Verpflichtung gezwungen sind, attraktive Gehälter zu bieten. In Branchen wie Pflege, IT, Handwerk oder Bildung sind Stellen oft langfristig unbesetzt – wer Personal finden oder halten will, muss beim Gehalt mitziehen.
Dazu kommen punktuelle Engpässe, etwa in der Gastronomie, dem Bauwesen oder der Transportbranche, die nach der Pandemie und im Zuge gestiegener Kosten unter hohem Personalbedarf stehen, hat die Bundesagentur für Arbeit in ihrer jüngsten Fachkräfteanalyse aus 2024 festgestellt.
Dynamik schwächt sich wahrscheinlich ab
Ob sich der positive Trend fortsetzt, bleibt abzuwarten. Zwar bleiben viele der strukturellen Treiber bestehen: der Druck auf dem Arbeitsmarkt, die Anforderungen an Bindung und Attraktivität, tarifpolitische Forderungen. Doch vieles spricht dafür, dass sich die Dynamik abschwächt. Die meisten Inflationsausgleichsprämien laufen Ende 2024 aus. Erste Tarifabschlüsse im neuen Jahr fallen flacher aus.
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

