Warum hat TUI das Auszeit-Modell eingeführt?
„Die Mitarbeiter sollen Zeit finden, abzuschalten, zu entspannen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Das ist ein wichtiger Motivationsfaktor für die Mitarbeiter“, stellt Andreas Schillig, Leiter Pensionsmanagement bei TUI, fest. Vor rund einem Jahr, im April 2019, hat der Tourismuskonzern flächendeckend ein Zeitwertkontenmodell, die sogenannte TUI-Auszeit, eingeführt.
Damit hat der Konzern nach eigenen Angaben auf das Bedürfnis vieler Mitarbeiter reagiert, während des Berufslebens eine Auszeit zu nehmen. „Die heutigen Generationen wollen nicht mehr von der Ausbildung bis zur Rente durcharbeiten“, fasst Schillig zusammen. Vielmehr wünschten sich Mitarbeiter eine verlängerte Elternzeit, Vorruhestand, ein Teilzeitmodell, ein Sabbatical oder eine Pflegezeit.
Um auf diese Bedürfnisse zu reagieren und Mitarbeitern flexible oder rentennahe Freistellungen zu ermöglichen, hat der Konzern die Auszeit eingeführt. Nicht nur Mitarbeiter, die beim Konzern anfangen, fragten Zeitwertkonten nach, erzählt Schillig. Auch viele junge Menschen, die sich nach ihrer Ausbildung oder dem Studium zunächst auf den Job fokussieren, änderen ihr Arbeitsverhalten, wenn sie eine Familie gegründet haben und die persönliche Lebenssituation ihre Zeit einfordert. Hinzu kommt die Generation Z, die bald in die Unternehmen kommen wird und laut Prognosen mehrheitlich flexible Modelle nachfragen wird.
Win-win-Situation für alle
Aus der Auszeit entsteht bei TUI eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:
- Die Mitarbeiter erhalten die notwendige Flexibilität, um ihr Berufs- und Privatleben auszubalancieren und ihre Lebensziele zu verwirklichen.
- Der Konzern profitiert von einer Stärkung seiner internen und externen Arbeitgebermarke.
- Zudem kann der Konzern durch das Modell die Arbeitskultur ändern und dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter im Konzern wohlfühlen und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Somit bleiben sie dem Konzern verbunden.
Wie wird das Modell in den einzelnen Gesellschaften umgesetzt?
Mit der Auszeit hat der Reisekonzern eine einheitliche Regelung für alle seine Gesellschaften geschaffen. Diese sind in der Konzernbetriebsvereinbarung festgehalten. Zusätzlich erhalten die lokalen Gesellschaften Spielraum für eigene Rahmenbetriebsvereinbarungen. „Jede Gesellschaft hat ihre Besonderheiten. Diese unter einen Hut zu bringen ist ein hoher Anspruch“, so Schillig. Das kann durch lokale Vereinbarungen gelingen. Auf dem Weg zum Zeitwertkontenmodell hat der Konzern den Konzernbetriebsrat eingebunden, der von vorneherein das Modell befürwortete.
Wie funktioniert das Modell?
Während ihres Berufslebens können die Mitarbeiter Entgeltbestandteile in das Zeitwertkontenmodell einbringen. Diese können aus monatlichen Zahlungen, aber auch aus Sonderzahlungen stammen. Die monatliche Ansparung ist auf ein Viertel des monatlichen Einkommens begrenzt. Auch der Arbeitgeber kann optional Leistungen einbringen.
Die Einzahlung ist zweckgebunden und geht auf ein Wertkonto, das Fidelity in Fonds anlegt. „Diese Fonds werden konservativ gehandelt und sind speziell für die Anlage von Wertguthaben auf Zeitwertkonten konzipiert“, erläutert Christof Quiring, Head of Workplace Investing bei Fidelity International. Ziel sei, das Guthaben den Schwankungen des Kapitalmarktes zu entziehen, aber auch eine Rendite zu erzielen, die langfristig über der Inflationsrate liegt. Somit können auch Mitarbeiter für kurzfristige Zeithorizonte anlegen.
Einlösen können die Mitarbeiter ihr Guthaben nach einer Wartezeit von fünf Jahren. Sie können zwischen verschiedenen – flexiblen oder rentennahen – Freistellungsmöglichkeiten wählen. Wofür sie sich entscheiden, können sie zu einem späteren Zeitpunkt festlegen. Damit bietet das Modell Flexibilität für die Mitarbeiter, falls sich deren persönliche Prioritäten während des Berufslebens ändern.
Über ein Onlinetool kann jeder Mitarbeiter jederzeit den Stand seines Guthabens abfragen. Zudem ist der Aufwand für Unternehmen und Mitarbeiter dank digitaler Verwaltung gering.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.