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Zeitwertkonten für eine flexiblere ­Gestaltung der Lebensarbeitszeit bei REHAU

Herr Haas und Herr Klarmann, REHAU bietet den Mitarbeitern ein Zeitwertkonten(ZWK)-Modell an. Wie ist Ihr Unternehmen dazu gekommen?

Christian Haas: Mit dem Wegfall der staatlich geförderten Altersteilzeit im Jahr 2009 entstand für uns und unseren älteren Mitarbeiter eine neue Fragestellung: Müssen unsere Kollegen eigentlich bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters arbeiten, oder gibt es eine Möglichkeit, den vorzeitigen Ausstieg zu gestalten? Tatsächlich ist nicht jeder Mitarbeiter, vor allem in der Produktion, physisch in der Lage oder einfach nicht gewillt, bis zum 65. oder 67. Lebensjahr berufstätig zu sein. Gleichzeitig können wir als Arbeitgeber nicht jedem älteren Kollegen bei Verringerung der Leistungsfähigkeit einen Leichtarbeitsplatz anbieten. Also entwickelten wir eine neue betriebliche Brücke zum Übergang in den Ruhestand. Zunächst einmal haben wir ein Budget für eine von REHAU finanzierte Altersteilzeit für verdiente Mitarbeiter eingeführt. 2011 haben wir uns entschlossen, zusätzlich ein mitarbeiterfinanziertes Zeitwertkontenmodell für einen früheren Eintritt in den Ruhestand anzubieten. Diese Angebote gelten naturgemäß nur für Mitarbeiter in unseren deutschen Standorten.

Wie funktioniert das zweiteilige Modell?

Karsten Klarmann: Mit der REHAU Altersteilzeit sollte der Wegfall der staatlich geförderten Altersteilzeit teilweise aufgefangen werden. In ihrem Mechanismus entspricht sie der bisherigen Altersteilzeitregelung im Blockmodell, das heißt, REHAU zahlt eine Aufstockung zum Teilzeitgehalt über die Gesamtlaufzeit. Konkret gesprochen: Im Regelfall handelt es sich um einen vierjährigen Zeitraum, der aus je zwei Jahren Arbeits- und Freistellungsphase besteht. Der Mitarbeiter erhält also 50 Prozent seines bisherigen Gehalts, das REHAU um einen bestimmten Prozentsatz aufstockt. Das ZWK-Modell haben wir anfangs als perspektivisches Instrument aufgesetzt, auch weil nicht alle Arbeitnehmer das freie Gehalt haben, um kurzfristig größere Ansparungen vorzunehmen. Wir wollen dies aber im Laufe der Zeit verstärken. So möchten wir unsere Mitarbeiter dazu motivieren, durch frühzeitige Eigenvorsorge für einen eventuellen, vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben selbst ein Guthaben aufzubauen. Das ZWK lässt sich beispielsweise mittels Entgelteinbringung aus laufenden Bezügen besparen. Dabei teilen die Mitarbeiter uns mit, welchen monatlichen Betrag sie regelmäßig auf das ZWK übertragen lassen wollen. Natürlich lassen sich diese Beträge je nach Bedarf flexibel anpassen. Weitere Möglichkeiten für den Aufbau von in Geld geführten Wertguthaben sind die Einbringung von Einmal- oder Sonderzahlungen, beispielsweise Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld.

Wie sieht es mit Mehrarbeit und Urlaubstagen aus?

Christian Haas: Für das Management von Überstunden sowie von Mehrarbeit in auftragsstarken Phasen führen wir in unseren deutschen Werken sogenannte Arbeitszeitkonten. Eigentlich ist es unser Ziel, dass unsere Mitarbeiter diese Zeiten in Form von Freizeit ausgleichen. Das Arbeitszeitkonto dient dabei dem Ausgleich von Auslastungsschwankungen, wird aber von unseren Mitarbeitern auch für eine kurzfristige Urlaubsnahme genutzt.

Karsten Klarmann: Unsere Werke haben also beim Abbau der Arbeitszeitkonten ein Wort mitzureden. Denn es geht immer auch um die Frage, ob die Kapazitäten ausgelastet sind. Sind unsere Kapazitäten absehbar nicht ausgelastet, dann sollten die Mitarbeiter zum Ausgleich über das Arbeitszeitkonto Freizeit nehmen. Wenn die Werke aber zustimmen, können Mitarbeiter einen Teil der Überstunden auf das ZWK übertragen. Schließlich erlauben wir es auch, eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen in Wertguthaben umzuwandeln. Davon ist natürlich die Anzahl an Urlaubstagen, die uns der Gesetzgeber im Arbeitsrecht vorschreibt, unberührt. Wir führen die Zeitwertkonten in Geld, nicht in Zeiteinheiten. Daher werden in diesen Fällen die entsprechenden Entgeltanteile dem Konto gutgeschrieben.

Wie viele Ihrer Mitarbeiter nutzen das ZWK-Modell?

Christian Haas: Wir beschäftigen rund 8.000 Mitarbeiter in Deutschland, davon rund 2.500 Personen in Rehau. Insgesamt ist das Familienunternehmen heute stark internationalisiert, und unsere Benefits sind stark vom jeweiligen lokalen Arbeitsmarkt geprägt. Das ZWK-Modell haben wir aktuell nur in Deutschland eingeführt. Ursprünglich wollten wir damit vor allem jüngere Fachkräfte ansprechen, die ja noch die Zeit zum Ansparen eines Guthabens haben. In der Praxis nutzen aber vor allem mittlere und ältere Jahrgänge das Angebot, während wir jüngere Mitarbeiter für das Modell noch mehr begeistern müssen. Junge Menschen setzen in ihrem Leben andere Prioritäten als ältere. Meistens sprechen uns Mitarbeiter auf das ZWK an, die ihr Eigenheim bereits abbezahlt haben und deren Kinder schon aus dem Haus sind. Diese Menschen planen jetzt den nächsten Schritt in ihrem Leben. Oft haben jüngere Mitarbeiter auch noch gar nicht das notwendige Einkommen, um nennenswerte Beträge einzusparen und in das ZWK einzubringen.

Karsten Klarmann: Derzeit besparen rund 300 Mitarbeiter aktiv ein Zeitwertkonto. Die Kollegen, die Wertguthaben aufbauen, kommen aus der gesamten Organisation, also aus der Produktion und der Verwaltung. Aus der bisherigen Erfahrung sehen wir, dass leider gerade bei Mitarbeitern aus der Produktion häufig das Einkommen nicht ausreicht, um neben der Entgeltumwandlung für die Altersvorsorge auch ein ZWK zu finanzieren. Um das ZWK-Modell in Zukunft gerade für diesen Mitarbeiterkreis attraktiver zu machen, denken wir über ein Matching des ZWK-Modells durch REHAU als Arbeitgeber nach. Auch bewerben wir das Modell immer wieder – gutes Marketing muss manchmal auch innerhalb des Unternehmens gemacht werden. Wenn ein vorzeitiger Ausstieg aus dem Berufsleben ansteht oder angedacht ist, sprechen wir mit dem Mitarbeiter in der Regel frühzeitig dazu. Dies ist für die Nachfolgeplanung wichtig, aber auch, damit der Mitarbeiter rechtzeitig mit dem Ansparen beginnen kann.

In welcher Form dürfen Ihre Mitarbeiter die Zeitguthaben aufbrauchen?

Karsten Klarmann: Die erste Variante des ZWK soll den Vorruhestand unmittelbar vor dem Eintritt in die gesetzliche Rente finanzieren. Inzwischen bieten wir eine zusätzliche ZWK-Variante an, die zusätzliche Optionen für Freistellungen anbietet. Dazu zählen vor allem Sabbaticals, die auch für Jüngere spannend sein können. Dies kann eine Reise durch Südamerika sein oder die Teilnahme an einer Weiterbildung. Weitere Zwecke, die wir zulassen, sind eine Verlängerung der Elternzeit und die Pflege von Angehörigen. Generell können die Mitarbeiter auch unsere Angebote für einen Vorruhestand miteinander kombinieren, wir sind da sehr flexibel. So kann die REHAU Altersteilzeit mit dem ZWK-Modell verknüpft werden. Möglich ist hier eine Verkürzung der Arbeitsphase der Altersteilzeit durch das ZWK oder eine finanzielle Aufstockung der Bezüge während der gesamten Altersteilzeit, um finanzielle Einschnitte abzufedern.

Wie läuft die Administration der ZWK ab?

Karsten Klarmann: Die Einrichtung des ZWK-Modells liegt grundsätzlich beim Unternehmen. Zunächst schließen Arbeitgeber und Mitarbeiter eine vertragliche Vereinbarung über das ZWK und über eine Entgelteinbringung ab. Über die Entgeltabrechnung werden dann in der Regel monatliche Beträge vom Einkommen eines Mitarbeiters steuer- und sozialversicherungswirksam auf sein ZWK abgeführt. Die erforderlichen Prozesse wiederholen sich dann immer wieder und lassen sich deshalb automatisieren. Aufwand entsteht für uns bei HR in erster Linie bei der Einrichtung und Auflösung eines Kontos oder bei Einmaleinzahlungen bzw. einer Änderung des monatlich einzubringenden Betrags. Die Guthaben der Mitarbeiter auf ihren ZWK sind gegen die Insolvenz des Arbeitgebers über ein Treuhandkonstrukt abgesichert und im Todesfall des Mitarbeiters vererbbar. Die Verwaltung der ZWK sowie die Anlage und Sicherung der Gelder haben wir an unseren externen Dienstleister outgesourct. Wichtig ist hierbei die systemseitig korrekte Abwicklung der regelmäßigen Datenmeldungen. Die Geldbeträge, die die Mitarbeiter auf ihre Konten einbringen wollen, fließen über den Dienstleister jeweils auf das persönliche ZWK. Die Mitarbeiter haben online Einsicht in ihre Konten und deren aktuellen Stand, beispielsweise über ein mobiles Endgerät.

Was ist bei der Bilanzierung und bei der Kapitalanlage für ein ZWK-Modell zu beachten?

Christian Haas: Wir müssen grundsätzlich unsere Verpflichtung gegenüber dem Mitarbeiter in der Bilanz aufführen. Das gewählte Treuhandmodell erlaubt es uns aber, die Bilanz durch die Gegenrechnung des vorhandenen Vermögens zu verkürzen. Das heißt, wir zeigen in der Bilanz nicht den Gesamtbetrag aller Guthaben auf den Zeitwertkonten, sondern nur die Differenz zwischen unserer Garantiehaftung und dem vorhandenen Vermögen. Ein Partner für die sichere und attraktive Anlage der Gelder ist wichtig, da unsere Kernkompetenz in polymerbasierten Lösungen liegt. In der aktuellen Niedrigzinsphase ist dies eine besondere Herausforderung.

Karsten Klarmann: Bislang gelingt es noch, die Verzinsung auf einem attraktiven Niveau zu halten. Dies geschieht durch die Kombination der Geldanlage aus Versicherungsprodukt und Fondsanlage, also einer Verbindung von Sicherheit und Chance. Demnach sind Guthaben, die rein für den Vorruhestand angespart werden – unsere erste ZWK-Variante –, zu jeweils 50 Prozent in einer Versicherungslösung und einem Fonds anzulegen. Wenn das Sparziel aber Flexibilität während des laufenden Arbeitsverhältnisses lautet – Variante Sabbatical –, wenn es also nicht ausschließlich um den Vorruhestand geht, dann ist das hinterlegte Kapital zu 80 Prozent in Versicherungen und zu 20 Prozent in Fonds anzulegen. Über den Fonds sind wir chancenorientiert unterwegs, nicht spekulativ. Grundsätzlich haben wir die Möglichkeit, die angelegten Gelder auch in einen anderen Fonds umzuschichten, wenn wir mit seiner Performance nicht zufrieden sind oder wenn wir durch einen Wechsel Kosten senken können. Gerade bei langfristigen Benefits ist es wichtig, sich hier Flexibilität zu sichern.