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Zusatzleistungen zusätzlich – oder nicht?

Neben dem monatlichen Fixgehalt bekommen viele Arbeitnehmer weitere Zahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Schichtzulagen, Überstundenzuschläge oder Leistungsprämien. Im Mindestlohngesetz ist nicht geregelt, ob solche Extra-Zahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen oder zusätzlich zu zahlen sind. Doch immerhin lassen sich aus der Rechtsprechung Rückschlüsse ziehen.

Die Frage, ob Gratifikationen, Boni, Zulagen oder Einmalzahlungen auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, kann nicht pauschal beantwortet werden. Hier ist genau zu differenzieren, um was für eine Art von Extrazahlung es sich handelt und welcher Zweck mit der Sonderleistung verfolgt wird.

Wann eine Anrechnung erlaubt ist

Als Orientierung kann eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2013 dienen. Danach ist eine Anrechnung auf den Mindestlohn dann zulässig, wenn die Zahlung eine Gegenleistung für die reguläre Tätigkeit des Arbeitnehmers ist (EuGH, Urteil vom 7.11.2013, Az. C 522/12). Dementsprechend sind Zulagen und Zuschläge, mit denen lediglich die regelmäßig und dauerhaft vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird, auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Dies ist zum Beispiel bei einer Bauzulage für alle auf einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer der Fall. Angerechnet werden dürfen auch Zulagen und Zuschläge, mit denen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht berührt wird, wie Betriebstreuezulagen oder Kinderzulagen.

Nicht anrechenbare Leistungen

Nicht erlaubt ist eine Anrechnung, wenn mit der Zahlung eine besondere Leistung oder Belastung honoriert wird. Dementsprechend dürfen zum Beispiel Lärm-, Schmutz- und sonstige Belastungszulagen nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden, sondern sind zusätzlich zu zahlen. Ebenfalls zu den nicht anrechenbaren Leistungen gehören Akkordprämien und Nachtschichtzuschläge. Auch Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersversorgung sowie Aufwandsentschädigungen sind nicht anrechenbar.
Zu beachten ist außerdem: Vom Arbeitgeber bereitgestellte Sachleistungen dürfen grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Ausnahmen hiervon gibt es bei der Kost und Logis für Saisonarbeitskräfte (› hier ein weiterführender Beitrag dazu).

Was bei Sonderzahlungen gilt

Zahlungen, die nur einmal jährlich an den Mitarbeiter ausgezahlt werden, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld (sogenannte Einmalzahlungen), sind nur für den Fälligkeitszeitraum anrechnungsfähig. Ein Beispiel: Eine jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember darf nur auf den Mindestlohn im November angerechnet werden, da die Fälligkeiten der Mindestlohnzahlungen von Januar bis Oktober bereits abgelaufen sind. Weitere Voraussetzung für die Anrechenbarkeit einer solchen Einmalzahlung ist, dass der Arbeitgeber die Zahlung unwiderruflich gewährt hat.
Aber Achtung: Wird eine Sonderzahlung aufgeteilt und anteilig pro Monat ausgezahlt, kann eine Anrechnung auf den Mindestlohn zulässig sein. Dies zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom Januar 2016 (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.1.2016, Az. 19 Sa 1851/15).
Zum Fall: Eine Mitarbeiterin hatte zusätzlich zu ihrem Grundgehalt zweimal im Jahr eine Sonderzahlung in Höhe von je einem halben Monatsgehalt bekommen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Anlässlich des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, in der die Fälligkeit der Sonderzahlungen geändert wurde. Demnach sollten je ein Zwölftel der Sonderzahlungen pro Kalendermonat ausgezahlt werden. Die Mitarbeiterin klagte gegen ihren Arbeitgeber. Sie monierte die Anrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds auf den Mindestlohn. Wie aus der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg hervorgeht, war dies im vorliegenden Fall zulässig. Das LAG bewertete auch die Betriebsvereinbarung, welche die Fälligkeit der Sonderzahlungen zu einem Zwölftel pro Monat verteilt, als wirksam.

Gute Leistung wird extra belohnt

Eine klassische Leistungsprämie, mit der eine überdurchschnittliche Leistung des Mitarbeiters honoriert werden soll, gilt als Extrazahlung, die nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden darf. Denn in diesem Fall liegt ja gerade keine Gegenleistung für die reguläre Tätigkeit des Arbeitnehmers vor.
Ein Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf aus dem Jahr 2015 zeigt allerdings, dass die Frage der Anrechenbarkeit nicht allein nach dem Wortlaut der gewährten Leistung, sondern nach ihrem tatsächlichen Zweck zu entscheiden ist.
In dem Fall bekam eine Mitarbeiterin ein Grundgehalt in Höhe von 8,10 EUR pro Stunde. Zusätzlich zahlte der Arbeitgeber einen „freiwilligen Brutto-Leistungsbonus von maximal einem Euro, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung“ richtete. Anlässlich der Einführung des Mindestlohngesetzes fügte der Arbeitgeber pro Stunde konstant 40 Cent des Bonus hinzu. In der Summe ergab sich dadurch ein Stundenlohn von mindestens 8,50 EUR. Die Arbeitnehmerin machte geltend, die Bonuszahlung dürfe nicht zur Berechnung der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns herangezogen werden. Ihre Klage wurde jedoch abgewiesen (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 20.4.2015, Az. 5 Ca 1675/15). Es komme, so das Gericht, allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen tatsächlich geleisteter Arbeitszeit an. Insoweit sei der Kalendermonat der maßgebliche Bezugszeitraum. Unerheblich sei, wie der Arbeitgeber oder die Vertragsparteien die einzelnen Leistungen bezeichnen. Das Arbeitsgericht bescheinigte dem Leistungsbonus in diesem Fall „Entgeltcharakter“ und einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung. (jl)

Mindestlohn durch Änderungskündigung – Streichung von Extra-Leistungen

Bereits in 2015 hatte sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
in mehreren Urteilen mit der Anrechnung von Sonderzahlungen auf den
gesetzlichen Mindestlohn zu beschäftigen (Urteile vom 11.8.2015, Az. 19
Sa 819/15, 19 Sa 827/15 und 19 Sa 1156/15). Dabei ging es um
Arbeitsverträge, in denen neben dem Stundenlohn eine von der
Betriebszugehörigkeit abhängige Sonderzahlung zum Jahresende in Höhe
eines halben Monatsentgelts sowie ein zusätzliches Urlaubsgeld
vereinbart waren. Darüber hinaus enthielten die Arbeitsverträge eine
Vereinbarung über eine Leistungszulage. Der reine Stundenlohn lag unter
Mindestlohnniveau.

Der Arbeitgeber plante, im Rahmen einer
Änderungskündigung die Extra-Leistungen zu streichen. Im Gegenzug sollte
der Stundenlohn so angepasst werden, dass er knapp über dem
Mindestlohnniveau liegt. Ist eine solche Vorgehensweise rechtens?

Aus
dem Urteil des LAG Brandenburg geht hervor, dass das Urlaubsgeld und
die Sonderzahlung zum Jahresende nicht auf den Mindestlohn angerechnet
werden dürfen, sondern den Beschäftigten zusätzlich zum Mindestlohn
zustehen. Eine Änderungskündigung zwecks Streichung dieser Leistungen
setze voraus, dass andernfalls der Fortbestand des Betriebs mit den
vorhandenen Arbeitsplätzen gefährdet sei. Eine solche Gefährdung konnte
in den vorliegenden Fällen nicht festgestellt werden. Anders entschied
das LAG Berlin-Brandenburg dagegen bezüglich der Leistungszulage: Diese
durfte im vorliegenden Fall auf den Mindestlohn angerechnet werden.

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