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Renaissance eines Dauerbrenners

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Einerseits wird nahezu einhellig gefordert, dass wir sie in ihrem traditionellen Gewand abschaffen sollten; andererseits wird über die Wahl angemessener Performancekriterien diskutiert: Die Rede ist von Incentive-Plänen in der Vergütungslandschaft. Nicht selten wird auf HR-Konferenzen energisch die Effektivität dieser Pläne debattiert. Gern gesehene Gäste sind die mutigen Pioniere, die (individuelle) Bonussysteme vollends abgeschafft haben und ihren Reisebericht mit den Anwesenden teilen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Dafür gibt es gute Gründe. Gerade in den aktuell turbulenten Zeiten sollten Vergütungssysteme das liefern, was sie auf dem Papier in Incentive-Plänen versprechen: attract, retain, incentivize. Nachdem unsere Wirtschaft durch die vergangenen und gegenwärtigen Krisen in vielen Bereichen ausgebremst wurde, lautet (neben dem Augenmerk auf einen möglichst effizienten Ressourceneinsatz) das Gebot der Stunde: (nachhaltiges) Wachstum. Dabei steht insbesondere der Unternehmensbereich Sales im Fokus. Aus Sicht von Compensation-&-Benefits-Professionals bedeutet die Sales-Funktion typischerweise Differenzierung. Es geht um eine differenzierte Betrachtung im Vergütungssystem. Häufig mit dem Verweis, dass die Sales-Funktion „nun einmal anders“ funktioniere und die auf sie zugeschnittenen Sales Incentives „einfach funktionieren“. Der letztere Eindruck aus der Praxis wurde auch wissenschaftlich belegt (siehe Kasten „Mehr zum Thema“).

Wie also gestalten Unternehmen die Vergütung der Mitarbeitenden im Sales-Bereich? Fast die Hälfte der an der Mercer Vergütungsstudie 2022 teilnehmenden Unternehmen gibt an, dezidierte Sales-Incentive-Pläne zu nutzen. Wie sind sie klassischerweise aufgebaut? Welche Überlegungen sollten in der Ausgestaltung der Pläne getroffen werden? Und welche Trends beobachten wir aktuell im Marktgeschehen? Die Antworten erfahren Sie im Folgenden.

Differenzierung nach Zielen

Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen zwei Typen von Sales-Incentive-Plänen: Zielbonuspläne und Kommissionspläne. Während es bei Zielbonusplänen um die Erreichung von jährlichen (auch halb- oder vierteljährlichen) Zielen geht, setzen Kommissionspläne einen fixen Prozentanteil der Verkäufe beziehungsweise des Bruttogewinns oder einen fixen Betrag je Verkauf fest.

Bei der Wahl des Plantypen werden verschiedene Faktoren zur Entscheidungsfindung herangezogen. Hierbei ist insbesondere der jeweilige Fokus der Sales-Rolle zu nennen, wonach wir bei den klassischen Farmer- oder Hybrid-Rollentypen aufgrund der Diversifizierungsmöglichkeiten häufig Zielbonuspläne sehen. Hier liegt – anders als bei klassischen Field-Sales-Rollen – der Fokus nicht ausschließlich auf der Erreichung von Verkaufszielen. Neben der Rolle werden ebenfalls Überlegungen rund um die Plan- und Finanzierbarkeit der Pläne in den Entscheidungsprozess miteingeschlossen. So ermöglichen Zielbonussysteme durch Thresholds (Mindestzielerreichung) und Caps (maximale Zielerreichung/ Auszahlung) eine bessere finanzielle Planbarkeit.

Kommissionspläne können hingegen (insbesondere bei beispielsweise vierteljährlich getakteten Auszahlungen, bevor Umsätze effektiv verbucht werden) mit weniger finanzieller Planbarkeit einhergehen. Aktuelle Mercer-Studien zeigen, dass mit rund 77 Prozent der größte Anteil der Sales-Incentive-Vergütung als Zielbonuspläne aufgesetzt sind, während lediglich 16 Prozent auf Kommissionspläne fallen. Ebenso auf dem Markt vertreten sind hybride Formen, also eine Kombination beider Plantypen, mit einem Anteil von sechs Prozent.

Wer profitiert von Sales Incentives?

Der Kreis derjenigen, die für einen Sales-Incentive-Plan berechtigt sind, erscheint nur auf den ersten Blick eindeutig definiert. Die Praxis aus Beratungsprojekten zeigt sehr heterogene Gruppen von Berechtigten. Der Kreis kann sowohl eng, also ausschließlich auf direkte Sales-Rollen begrenzt sein, aber auch weiter gezogen sein. Zum Beispiel durch Hinzunahme von am Verkaufsprozess beteiligten Rollen (wie Sales Support oder Solutions/Technical Sales Rollen). Das Plandesign wird entsprechend differenziert gestaltet.

Während der typische Zeitrahmen von regulären kurzfristigen Short Term Incentives ein Jahr beträgt, werden Sales-Incentive-Pläne nicht ausschließlich mit jährlichen Bemessungsperioden versehen, sondern zum Beispiel auch vierteljährlich oder seltener sogar monatlichen. Eine jährliche Bemessung ist insbesondere im Hinblick auf eine Vereinfachung der Vergütungslandschaft am häufigsten zu finden. Aus der aktuellen Mercer-Studie geht hervor, dass drei von fünf Plänen jährlich bemessen werden.

Die Wahl des Bemessungszeitraums sollte jedoch nicht ausschließlich von Vereinfachungsbemühungen abhängen, sondern die Länge und Funktionsweise des Verkaufszyklus (etwa den Zeitpunkt der Verbuchung/Anerkennung des Verkaufs) beachten. Während die Bemessung in der Mehrzahl der Pläne jährlich verläuft, wird die Auszahlung häufig, in fast zwei Drittel der Pläne vierteljährlich frequentiert, in einem Fünftel der Pläne jährlich und seltener monatlich.

Begrenzung nach oben und unten

Während in den kurz- und langfristigen Bonusplänen seit einigen Jahren auch die Einbringung von ESG (Environmental, Social, Governance)-Kriterien eine große Rolle spielen, finden sie in den Sales-Incentive-Plänen bisher weniger Beachtung. Regelmäßig werden lediglich Verhaltensparameter, zum Beispiel anhand eines Multiplikators, eingebaut. Die Ausgestaltung der Zielkategorien unterscheidet sich grundsätzlich abhängig von der Rolle, wobei individuelle Ziele mit über 80 Prozent Gewichtung den größten Anteil der Gesamtziele ausmachen und – abgesehen von Sales-Management-Rollen – oft als alleinige Kategorie genutzt werden. Bei einem Blick auf die häufigsten Performancekriterien führen Umsatz, Sales, die Balanced Scorecard und Neukundengewinnung die Liste an.

Im Rahmen der Transformation von Unternehmensportfolios, die besonders im aktuellen Umfeld zum Neudenken von Sales-Incentive-Plänen anregt, bieten Accelerators für bestimmte Performancekriterien eine Möglichkeit, die Verkäufe neuer Produkte durch einen Uplift zu erhöhen. Mehr als ein Drittel der Unternehmen in der aktuellen Mercer-Studie geben an, diese Uplifts zu nutzen. So kann die Planausgestaltung den Verkaufsfokus verlagern auf den häufig für Mitarbeitende noch unsicheren, weniger beachteten, jedoch im strategischen Unternehmensfokus stehenden Bereich.

Sind Rahmenwerk des Plans und insbesondere das Set von Performancekriterien festgelegt, werden die Zielerreichungs- und Auszahlungsmodalitäten bestimmt. Dabei definieren Comp-&-Ben-Verantwortliche insbesondere Caps und Thresholds zu Performance und Auszahlung sowie die Steigung der Auszahlungskurve. Die Mehrheit der Befragten nutzt einen Threshold in ihren Sales-Incentive-Plänen, in den meisten Fällen definiert als ein festgesetzter Prozentanteil der Zielerreichung.

Zwar sind Caps ein sehr weit verbreitetes Merkmal von regulären Bonusplänen und gewinnen auch in Sales-Incentive-Plänen immer weiter an Bedeutung, jedoch existieren aktuell noch etwa ein Drittel der Pläne gänzlich ohne Auszahlungs-Caps. Liegt ein Cap vor, ist dieser typischerweise als Prozentwert des Zielbonus definiert und bei 150 bis 200 Prozent Maximalauszahlung angesetzt. Die Art des Caps – ob Hard- oder Soft-Cap – nimmt dabei zusätzlich Einfluss auf die Wirkungsweise des Plans.

Info

Fazit

Zusammenfassend halten wir fest, dass das Design von Sales-Incentive-Plänen ein genaues Augenmerk auf die Zielgruppe sowie den strategischen Fokus des Unternehmens erfordert. Sind die Pläne darauf abgestimmt, ergibt sich ein großes Potenzial für Umsatzwachstum, auch und besonders im Bereich von neuen Produkten und Dienstleistungen.

Abschließend möchten wir Beobachtungen aus der Praxis teilen. Die Vereinheitlichung wie auch die Vereinfachung der Pläne sind die aktuell am häufigsten als „Leitlinien“ definierten Prinzipien in Projekten zum Sales Incentive Design. So sollen Pläne zwar noch immer auf die jeweiligen Rollen und etwa regionsspezifischen Anforderungen zielgerichtet ausgestaltet sein. Jedoch wird unter Controlling-Gesichtspunkten ein Augenmerk auf die vereinfachte Steuerung der vereinbarten Ziele gelegt. Gleichzeitig wird der bereits genannte Punkt der Geschäftstransformation in zahlreichen Projekten in den Blick genommen. Das Plandesign soll möglichst die Umstellung des Portfolios und somit den strategischen Fokus des Unternehmens unterstützen. So wird regelmäßig das Prinzip des „maintain the old, grow the new“ als eine weitere Leitlinie definiert und damit Raum für eine differenzierte Nutzung von verschiedenen Performancekriterien geschaffen.

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