Erwerbstätige unter 30 Jahren melden sich im Vergleich zur Gesamtbelegschaft häufiger krank. Wie aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport hervorgeht, liegen bei der sogenannten GenZ (Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind) die Arbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) je 100 Versicherter bei 288. Über alle Mitarbeitenden hinweg liegt die Fallzahl bei 203. In der Gruppe der unter 30-Jährigen gibt es damit im Vergleich zum Durchschnitt ganze 42 Prozent mehr Fälle an Krankschreibungen. Das hat einen Grund.
Zuerst muss man dafür aber tiefer in die Zahlen eintauchen. Die DAK hat für ihren Report AU-Daten und Daten aus der ambulanten Behandlung von 2,4 Millionen erwerbstätigen Versicherten bei der DAK-Gesundheit ausgewertet. Außerdem wurde eine Online-Befragung von mehr als 7.000 Beschäftigten durchgeführt. Dazu gab es Interviews mit sechs Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Praxis.
Die Datenanalyse zeigt: Junge Mitarbeitende melden sich zwar häufiger krank als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen, ihre Krankmeldung ist durchschnittlich kürzer als beim Rest der Belegschaft. War die GenZ 2024 im Schnitt an knapp sechs Tagen am Stück krank, fielen die älteren Mitarbeitenden circa zehn Tage pro Krankheitsfall am Arbeitsplatz aus. Damit liegt die Dauer der einzelnen Krankheitsfälle der GenZ 39 Prozent unter der von den restlichen Mitarbeitenden. Diese Daten werden von anderen Gesundheitsreports bestätigt. So zeigt etwa auch der Fehlzeitenreport 2024 der AOK, dass die Anzahl der Krankmeldungen in den jüngeren Altersgruppen deutlich höher ist als in den älteren Altersgruppen, die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeitsfälle hingegen kontinuierlich mit der Höhe des Alters ansteigt.
Vom Pandemieverhalten geprägt
Am häufigsten schreiben sich die jungen Erwachsenen wegen Atemwegserkrankungen krank – hier unterscheiden sie sich nicht von den älteren. Allerdings gehen jüngere und ältere Mitarbeitende jeweils anders mit beispielsweise einer Erkältung um. „Die GenZ ist vorsichtiger beim Umgang mit Infektionen“, sagt Susanne Hildebrand, Autorin des DAK-Gesundheitsreports. 25 Prozent von ihnen lassen sich bei Erkältungssymptomen krankschreiben, beim Rest der Mitarbeitenden sind es 18 Prozent. Die Pandemie und das Verhalten während dieser Zeit habe sie mehr geprägt als es bei ihren älteren Kolleginnen und Kollegen der Fall gewesen sei, so die Autorin.
Der zweithäufigste Grund für AU-Tage der GenZ sind psychische Erkrankungen – und nicht wie beim Rest der Belegschaft Muskel-Skelett-Erkrankungen. Aus der Online-Umfrage für den Report ging hervor: 26 Prozent der jüngeren Erwerbstätigen weisen depressive Symptomatiken auf, während es bei den 30- bis 49-Jährigen 18 Prozent und bei den 50- bis 64-Jährigen 14 Prozent sind. Dieses Ergebnis wurde mittels eines Fragebogens gewonnen, bei dem Depressionssymptome abgefragt wurden.
Deshalb sind mentale Probleme bei der GenZ so weit verbreitet
„Psychische Erkrankungen spielen bei der GenZ eine besondere Rolle“, sagt Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. Woran liegt das? Die unter 30-Jährigen sind stark von den aktuellen Krisen und der kürzlich gewesenen Pandemie gezeichnet. „Die jungen Menschen fühlen sich in einer für sie prägenden Phase hilflos im Umgang mit den kollektiven Krisen“, so Storm weiter. Dies liege daran, dass die Gesellschaft bisher nicht gelernt hätte, mit Krisen umzugehen. Die Pandemie sei beispielsweise nicht so aufgearbeitet worden, dass klar sei, wie man zukünftig besser mit solch einer Situation umgehen könne. „Wir müssen als gesellschaftliches Kollektiv mehr Orientierung und Halt geben“, sagt der DAK-Vorstandsvorsitzende.
Der BGM-Experte und BWL-Professor Volker Nürnberg, der mit der Studie ebenfalls vertraut ist, fügt hinzu: Die junge Generation habe Zukunftsängste aufgrund der ökologischen und globalen Probleme und Kriege. Nürnberg bezeichnet Burnout als neue Pandemie. Er weist aber darauf hin, dass sich dieser mentale Zustand nicht nur aus beruflichen und gesellschaftlichen Aspekten ergibt, sondern auch aus persönlichen. All diese Aspekte hätten eine Wechselwirkung aufeinander.
Präventives Krankmelden ist kein Zeichen für Faulheit
Der DAK-Gesundheitsreport gibt auch Aufschluss darüber, warum sich Mitarbeitende krankmelden und nicht krank arbeiten. Letzteres ist auch ein Thema für die GenZ denn Präsentismus ist mit 65 Prozent bei den jungen Menschen weit verbreitet. Der Arbeit fern bleiben sie aber – ebenso wie alle älteren Kolleginnen und Kollegen – vor allem, weil sie aufgrund der Erkrankung nicht in der Lage sind, zu arbeiten, oder weil sie nicht wollen, dass sich die Erkrankung aufgrund der Arbeit verschlimmert. Allerdings fällt auf: Unter 30-Jährige melden sich tendenziell häufiger prophylaktisch krank als der Rest der Belegschaft.
Laut Natalie Kircher, die als GenZ-Mitglied Junior Content & Social Media Specialist beim Krisenchat Berlin ist und Psychologie studiert, liegt das daran, dass den jungen Menschen ihre Gesundheit wichtig ist. Kircher wurde von der DAK zur Einordnung der Studie hinzugezogen. Mit Blaumachen und Faulheit habe das nichts zu tun: „Dass ich auf meine – mentale – Gesundheit achte und mich präventiv krankmelde, bedeutet nicht, dass ich weniger arbeite und faul bin“, sagt sie. Stattdessen achte sie mit diesem Verhalten darauf, dass sie langfristig leistungsfähig bleibe. „Es schließt sich nicht aus, auf die eigene Gesundheit zu achten und gute Arbeit zu leisten.“
Die Pronova BKK war mit einer repräsentativen Umfrage 2023 zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. „Tendenziell haben die Älteren früher mehr hingenommen, als es die Jüngeren heute bereit sind zu tun“, sagte damals die Wirtschaftspsychologin Patrizia Thamm zur Studie. „Es war üblicher, ungesunde Arbeitsbedingungen zu ertragen, als auch Entscheidungen und Prozesse weniger infrage zu stellen.“ Die junge Generation fordere mehr Raum für ihre Gesundheit.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

