Besonnen handeln
Welche Auswirkungen hat die Covid-19-Pandemie auf die betriebliche Altersversorgung? Acht bAV-Experten und Expertinnen zeigen beim Round Table auf, wo Handlungsbedarf besteht und warum Panik kein guter Ratgeber ist.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind drastisch. Die Einbußen wirken sich direkt oder indirekt auch auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) aus. Ob Entgeltumwandung, arbeitgeberfinanzierte Systeme oder kapitalmarktabhängige betriebliche Altersversorgung – bei jedem Durchführungsweg entstanden kurz- oder mittelfristige Belastungen und Handlungsbedarfe, die sich auch im Jahr 2021 fortsetzen werden.
Wie der Markt reagiert
Wie haben Versicherungen, Berater und Anbieter von bAV-Software-Lösungen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise erlebt? Die Versicherer versuchten zunächst zu verhindern, dass Beitragsstornierungen in Folge des ersten Lockdowns vorgenommen werden mussten. Dort wo es die finanzielle Lage erforderte, wurden Beitragsstundungen angeboten, die jedoch sehr schnell wieder zurückgedreht werden konnten. Eine ähnliche Kurve zeigte sich bei den bAV-Beratern: Zunächst brach das Beratungsgeschäft ein, aber dann ergaben sich Nachholeffekte und seit Herbst/Winter läuft das Business wieder annähernd wie im Vorkrisenjahr. Zudem bekamen Fragen rund um Liquiditätssicherung, De-Risking und Ausfinanzierung von Pensionen eine neue Relevanz, da Arbeitgeber auf die neue wirtschaftliche Situation reagieren mussten. Allerdings nicht überstürzt, so die Erfahrung der Experten, sondern im Hinblick auf die mittel- und langfristige Zukunft.
Wie krisensicher sind die bAV-Durchführungswege
Der Gesetzgeber hat im April 2020 die Pensionskassen, die nicht durch den Sicherungsfonds Protektor geschützt sind, in die PSV-Sicherung einbezogen. Nach den Schieflagen bei einigen Pensionskassen in den letzten Jahren und den zu erwartenden Insolvenzen in diesem Jahr bringt das Gesetz nun zusätzliche Ausfallsicherheit für die Versorgungsberechtigten. An dieser Stelle wurde die betriebliche Altersversorgung gestärkt.
Für Pensionsfonds sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise dagegen ein Stresstest. Einerseits ließen sich im ersten Lockdown massive Verwerfungen bei stark aktienorientierten Produkten beobachten. Andererseits haben sich die Aktienmärkte bereits im Sommer 2020 schnell wieder erholt, und zum Jahresende 2020 lagen sie über dem Vorjahresniveau. Die Empfehlung der Anlageverwalter: Gut konstruierte Pensionsvermögensportfolios mit einem kurzfristigen Blick auf den Aktienindex in eine Krise zu reden, sei unnötig. Wenn bAV-Instrumente intelligent konstruiert sind, zeige sich auch in der Krise, dass sehr gute und tragfähige Systeme möglich sind.
Widerstandsfähiges Sozialpartnermodell
Was tut sich beim Modell der reinen Zielrente? Im Realitätscheck, den die Corona-Krise darstellt, zeigte sich, dass die Kapitalanlagen der Anbieter zwar im ersten Shutdown nachgegeben haben, aber keine Rente hätte deshalb gesenkt werden müssen. Der Grund: Die Sozialpartner-Rente basiere auf einer guten Kombination von Sicherheitsmechanismen und kollektiver Geldanlage. Außerdem bildet das Sozialpartnermodell mit der reinen Beitragszusage den Kapitalmarkt nicht eins zu eins ab, da es Sicherheitspuffer und Korridore vorsieht. Die kollektive Anlage ist zwar sehr komplex, aber durch sie würden Sicherheiten generiert, ohne eine Garantie aussprechen zu müssen. Diese positiven Ergebnisse des Sicherungsmodells hätten dazu geführt, dass momentan wieder Verhandlungen mit Tarifpartnern laufen. Der Gesetzgeber könnte mit Modifizierungen die Akzeptanz sicherlich deutlich erhöhen, wenn er Klarheit für die Sozialpartner in puncto Gestaltungsrahmen und Haftung schaffe.
Digitalisierte Prozesse plus persönliche Beratung
Ist die Digitalisierung der Königsweg zu einem besseren Vorsorgeniveau der Beschäftigten? Ganz so einfach ist es nicht, wenden die Diskussionspartner ein. Bekanntlich entscheidet in der ersten Stufe der Arbeitgeber, welches Versorgungswerk für ihn das richtige ist. Diese Beratungsleistung zu digitalisieren sei wenig sinnvoll. In der nächsten Stufe, bei der Beratung der künftigen Versicherten, helfe die Digitalisierung ungemein, aber dennoch möchten Beschäftigte eine Beraterin oder einen Berater ansprechen können. Das Fazit: Der Traum der Politik, dass die Digitalisierung eine Beratung komplett überflüssig mache und die Produkte viel günstiger würden, sei ein Trugschluss. Alle Untersuchungen, aber auch die Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer persönliche Beratung benötigten und wünschten.
Krisenauswirkungen auf die bAV in 2021 und 2022
Sind Arbeitgeber, die momentan unter Kostendruck stehen und die Aufwendungen für Personal reduzieren, weiterhin bereit, sich im Rahmen der bAV zu engagieren? Die Prognosen der Experten sind verhalten optimistisch. Sicherlich würden in den kommenden Jahren arbeitgeberfinanzierte oder matchingfinanzierte Zusagen erteilt werden, aber deutlich weniger. Leider sinke die Bereitschaft der Unternehmen, eine arbeitgeberfinanzierte bAV fortzuführen oder neu auszugestalten. Vor allem die langjährigen Verpflichtungen, die Einstandspflicht für den Ausfall von externen Versorgungsträgern und nicht zuletzt die hohe Komplexität der bAV belasteten Arbeitgeber und wirken hemmend auf die weitere Verbreitung von Neuverträgen. Gleichwohl gehen die Diskussionsteilnehmer davon aus, dass die personalpolitische Not, geeignete Fachkräfte zu finden, zunehmend steigen wird. Und in dieser Situation habe sich bei der Rekrutierung eine betriebliche Altersversorgung als ein sehr gutes und kraftvolles Instrument erwiesen.
Die Langfassung dieses Round Tables ist in unserem Sonderheft bAV erschienen. Das Heft können Sie › hier kostenfrei runterladen.