Mehr als 200 Jahre ist es her, dass der indonesische Vulkan Tambora ausgebrochen war. Dramatische Ernteausfälle und eine Reihe „sommerloser“ Jahre folgten; der Preis für Hafer schoss in die Höhe. Pferde (deren „Sprit” Hafer ist) wurden dadurch schlicht zu teuer. Und so erdachte Karl Freiherr von Drais im Juni 1817 die „Laufmaschine”, um weiterhin mobil zu bleiben, und fuhr mit diesem ersten Fahrrad rund 14 Kilometer durch Mannheim.
Und heute? Wir haben nicht nur immer mehr Katastrophen – hervorgerufen durch den Klimawandel. Nein, auch in der Arbeitswelt stehen wir vor immer größeren Herausforderungen.
Der Vulkan unserer Zeit heißt: Demografischer Wandel
Wie bei einem seit Jahrtausenden vor sich hin brodelnden Vulkan wissen wir auch beim demografischen Wandel schon lange, dass das Problem vor der Tür steht. Aber es ließ sich einfach gut ignorieren. Unsere Gesellschaft wird seit Jahrzehnten immer älter, wir werden uns – besser früher als später – anpassen müssen. Bildlich gesprochen ist dieser Vulkan schon jetzt aktiv: Im letzten Jahr legte er deutschlandweit Flughäfen flach; hat Kitas, Pflegeeinrichtungen, Handwerksbetriebe und Restaurants noch näher an den Rand der Verzweiflung gebracht. Egal wo, es fehlt zunehmend am Personal.
Wie damals schon Karl Freiherr von Drais, gibt es auch heute Menschen, die versuchen, neue Modelle und Lösungen für die auf uns zukommenden Probleme zu finden. So zum Beispiel Frithjof Bergmann (1930-2021). Er sprach bereits in den 1980er-Jahren über „New Work” und prägte den Begriff.
Was dieser Vulkan und New Work mit Mobilität zu tun hat? Das Thema Freiheit (wofür Mobilität für viele steht) ist ein wesentlicher Bestandteil von New Work. Noch spannender wird es, wenn man sich ins Hier und Jetzt begibt. Eine aktuelle Befragung des Marktforschungsunternehmen Censuswide und der Freelancer-Plattform Fiverr zeigt: Mobilität und Freiheit sind nicht nur Themen, die auch 200 Jahre nach der Erfindung des Rades noch aktuell sind. Nein, sie werden auch Voraussetzung für die Arbeitswelt von heute und morgen!
New Work bedeutet auch: Ortsunabhängiges Arbeiten
Zahlen gefällig? Drei Viertel (75 Prozent) der Befragten können sich in Zukunft eine Tätigkeit als Freelancer oder Freelancerin vorstellen. Ortsunabhängiges Arbeiten ist für mehr als ein Viertel (26 Prozent) relevant. Angebote wie Remote Work, Workations und Co. steigen rasant an und werden immer mehr in Anspruch genommen. Und wer ortsunabhängig arbeitet, bei dem verändert sich die Mobilität. Gelebte Mobilität und gebotene Freiheit werden eine immer größere Rolle spielen.
Die Frage dabei ist: Müssen Personaler und Personalerinnen noch radikaler denken, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden? Oder müssen schlicht wir als Gesellschaft noch erfinderischer sein? Wie können wir auch in solchen Berufen mehr Freiheit (= Mobilität) erlauben, bei denen es noch nicht flächendeckend gelebt wird? Wie kann HR dem Freiheitswunsch der Belegschaft nachkommen? Die Liste der offenen Fragen könnte ich lange weiterführen.
Fakt ist: Wir müssen uns in der HR-Welt anpassen. Andernfalls werden wir für den endgültigen Ausbruch des Vulkans nicht gewappnet sein. Und dieser steht uns erst noch bevor. Das Konzept von New Work ist ein Ansatz. Aber ist es auch die Antwort auf alle sich stellenden Fragen? Denken Sie bei der nächsten Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit einmal darüber nach.
Autor
Benjamin Visser prägt die Welt des Recruitings seit mehr als 20 Jahren. Er gründete den „Recruiting as a Service”-Dienstleister Searchtalent, um die Personalbeschaffung zu verändern. Mit allygatr, dem führenden operativen Venture Capitalist für HR Tech, ist Visser inzwischen in der ganzen Branche präsent: von Personalentwicklung über Mental Health bis hin zu People Analytics. Allygatr hat innerhalb weniger Monate bereits in 18 digitale Start-ups investiert (weitere werden folgen).
In seiner Kolumne „Ben’s People Perspective“ schreibt Benjamin Visser über HR Tech und die Arbeitswelt. Dabei teilt Visser seine einzigartige Sicht auf alles, was Unternehmen und ihre Mitarbeitenden verbindet.
