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Erfolgsfaktoren von Sales Compensation in der deutschen Automatisierungsindustrie

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Die Automatisierungsindustrie ist eine Schlüsselbranche in Deutschland, die trotz aktuell schwieriger Weltwirtschaft und erschwerten Standortbedingungen weiterhin große Wachstumsperspektiven bietet. Unternehmen der Branche realisieren, dass wichtige Marktpotenziale von den Vertriebsorganisationen noch nicht erschlossen werden.

Der Erfolg der Automatisierungsindustrie gründet sich vor allem auf das hohe Engineering-Know-how deutscher Unternehmen, das für viele Kunden bei der Kaufentscheidung ausschlaggebend ist. Dies spiegelt sich auch innerhalb der industrietypischen Vertriebsorganisationen wider, in denen der Sales-Bereich häufig von Ingenieurinnen und Ingenieuren übernommen wird. Der Fokus der Vertriebstätigkeit liegt dabei häufig mehr auf den technischen Lösungen als auf dem strategischen Verkauf oder der proaktiven Gewinnung von Neukunden.

Immer mehr Unternehmen der Branche stellen jedoch fest, dass ihren Vertriebsorganisationen wichtige Marktpotenziale nicht erschließen. Dabei fehlt es an der Verkaufsproduktivität insgesamt, vor allem aber auch an der Proaktivität in der Ansprache von Neu- und Wettbewerbskunden. Darüber hinaus mangelt es an einer strategischen Zielorientierung wie zum Beispiel dem integrierten Maschinen- und Serviceverkauf oder der Fokussierung auf neue strategische Produkte und Dienstleistungen.

Auch im Talent Management tun sich Arbeitgeber schwer, eine vertriebsstarke Ingenieurin oder einen ebensolchen Ingenieur zu rekrutieren. Genauso groß sind die Herausforderungen, bei den bestehenden Mitarbeitenden eine stärkere Vertriebsorientierung zu entwickeln. In der Vergütung lassen sich zumeist hohe fixe Anteile beobachten, mit denen umfangreiche technische Qualifikationen honoriert werden. Hingegen ist der erfolgsabhängige variable Anteil nicht stark ausgeprägt. Das liegt zum einen an gültigen Tarifverträgen, zum anderen steht in einer produktionsorientierten kostengetriebenen Kultur oft Mäßigung bei Personalaufwendungen im Vordergrund.

Im Vertrieb gilt es jedoch die Vorteile einer gut gefüllten Talent-Pipeline mit den Vertriebskosten abzuwägen. Die Branche hat lange Zeit eine sehr dynamische Nachfrage bedienen müssen, die zum Teil zu Lieferengpässen führte. In einer schwächelnden Konjunktur kommt dagegen der Vertriebstätigkeit eine höhere Bedeutung zu, um Produktionskapazitäten auszulasten und Standorte zu sichern. Häufig lässt sich bei Anbietern von Automatisierungslösungen beobachten, dass die Vertriebsvergütungspläne historisch gewachsen sind und die Möglichkeiten der direkten und zentralen Steuerung über Vergütungsanreize nur unzureichend genutzt werden. Insbesondere fällt auf, dass die Vertriebsvergütungspläne international häufig sehr heterogen gestaltet sind, da über Jahrzehnte hinweg das lokale Management die Pläne frei gestalten konnte. Für die Branche liegen daher große Chancen in einer Überprüfung und Neuausrichtung der Vertriebsvergütung, die sich anhand der klassischen Design-Kriterien darstellen lassen.

Selling Team: Wer wird am Erfolg beteiligt?

Die Rollen in den Vertriebsorganisationen der Automatisierungsindustrie lassen sich prinzipiell aufteilen in diejenigen,

  • die eine Gesamtverantwortung für Umsätze mit zugeordneten Kunden und Produktbereichen tragen (Frontend Sales),
  • die mit technischen oder kommerziellen Spezialkenntnissen die technische Spezifikation der angebotenen Produkte und Dienstleistungen unterstützen oder
  • die die kommerzielle Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität in der Vertragsgestaltung unterstützen. Oft werden dabei nur die Frontend Sales als substanzielle Vertriebsrollen verstanden und variabel vergütet.

Jedoch haben auch die unterstützenden Funktionen maßgeblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden. Voraussetzung für die Berücksichtigung dieser Personen bei der Vertriebsvergütung ist ihre auftragsbezogene und intensive Mitarbeit an der Erfüllung der spezifischen Kundenerwartungen. In den meisten Fällen stehen diese Beschäftigten auch im direkten Kundenkontakt. Nachgelagerte Funktionen wie zum Beispiel Personen im Engineering, die allein mit der technischen Umsetzbarkeit einer Lösung oder in der Administration mit der Auftragsabwicklung beschäftigt sind, sind eher nicht zu berücksichtigen. Ein gut abgestimmtes Selling Team berücksichtigt die relevanten Unterstützungsrollen in der Vertriebsvergütung, sodass alle Beteiligten für ihren Beitrag am Erfolg honoriert werden.

Die Zielvergütung gestalten

Grundvoraussetzung einer wirksamen und damit performancesteigernden Vertriebsvergütung ist die Höhe der erreichbaren variablen Vergütung. Als klassische Faustformel gilt, dass die Mindestvariabilität bei Erreichung der Vertriebsziele bei 20 Prozent der Zielvergütung liegen sollte. Je höher der Anteil, desto eher nehmen die Mitarbeitenden die Dringlichkeit wahr, ihre Ziele zu erfüllen. Anteile bis 40 Prozent an der Zielvergütung wirken dabei sehr motivierend.

Zudem gilt es zu definieren, wie hoch die mögliche Vergütung bei einer starken Übererreichung der Ziele (Top Performance) ansteigen kann. Für die besten zehn Prozent der Vertriebsmitarbeitenden sollten mindestens 200 Prozent der Zielvariablen erreichbar sein. Um dies und darüber hinaus auch eine generell nachhaltige Auszahlungsverteilung zu erreichen, ist eine sorgfältige Modellierung und Kalibrierung der Vergütungspläne erforderlich, die Sales Performance und Vergütungskosten in ein adäquates Verhältnis setzen. Die oben beschriebenen Benchmarks werden von Unternehmen der Automatisierungsbranche oft unterschritten. Die Motivation zu außergewöhnlichen Leistungen wird daher nur unzureichend unterstützt.

Warum Produkt- und Serviceerlöse integrieren?

Neben dem reinen Erlös aus installierten Anlagen generieren Automatisierungsunternehmen meist margenstarke und langfristige Erlöse aus dem Service- und Ersatzteilgeschäft, die darüber hinaus auch eine enge Kundenbeziehung fördern. Zusätzliches Geschäft kann durch die Modernisierung bestehender Anlagen (Refurbishment) entstehen. Neumaschinen und Servicegeschäft werden jedoch oft separiert geführt inklusive eigenständiger Vertriebsorganisationen und IT-Systeme. Dadurch gehen nicht nur Synergien für das eigene Unternehmen, sondern auch für Kunden verloren, die durch eine integrierte Lösung von Vorteilen (zum Beispiel Total Cost of Ownership) aus einem verbesserten Product Lifecycle profitieren. Ein integriertes Management kann mit einer Zusammenarbeit des Neumaschinen- und des Servicevertriebs zum Zeitpunkt des Anlagenverkaufs die Synergien sicherstellen. Diese Teamwork sollte dementsprechend durch die Incentivierung der beteiligten Rollen motiviert und honoriert werden.

Sales Crediting Timing an strategischen Zielen ausrichten

Da es in der Automatisierungsbranche zu langen Zeiträumen zwischen Auftragseingang und komplettem Zahlungseingang kommen kann, ist der richtige Zeitpunkt der Performance-Zuschreibung (Sales Crediting Timing) zu diskutieren.

Aus vertrieblicher Sicht ist der Zeitpunkt des Auftragseingangs dem Umsatz oder dem Zahlungseingang vorzuziehen, da so die Verkaufsleistung unmittelbar und transparent vergütet wird. Die beiden letzteren Optionen führen zu einer hohen zeitlichen Verschiebung der Incentive-Zahlung. Auftragsstornierungen können bei der Vergütung des Auftragseingangs mit zukünftigen Incentives verrechnet werden.

Komplexer ist die Antwort nach den richtigen Performance- Größen in neuen Geschäftsmodellen wie Equipment-as-a-Service-Lösungen oder verbrauchsoder wertbasierten Abrechnungsmodellen. In beiden Fällen werden Umsatzströme vom einmaligen Verkaufszeitpunkt auf die Vertragslaufzeit verteilt. Die Laufzeit sowie die Höhe der erzielten Erlöse sind dabei zum Vertragsstart unbekannt und je nach Vertragsmodell nicht abgesichert. Somit ist der anzurechnende Wert für die Vergütung sinnvoll und angemessen zu vereinbaren. Alternative Modelle sind zu berechnen und zu diskutieren. Zudem werden Vertriebsaufgaben dabei verlagert auf sogenannte Customer-Success-Rollen, die für Kenngrößen wie Adoption, Extension und Renewal verantwortlich sind. Eine solche umfassende Überarbeitung der Vertriebsorganisation und -verantwortlichkeiten erfordert die Anpassung der Vergütungsmodelle.

Auch die Marge sollte in den KPI-Sets des Vertriebs einbezogen werden. Dabei ist festzulegen, ob die kalkulierte Marge oder die realisierte Marge nach Abnahme herangezogen werden soll. Es bietet sich eher die kalkulierte und mit dem Kunden verhandelte Marge an, da diese in der Regel klar über einen vorgegebenen Margenkorridor definiert ist. Zudem wird die Marge von anderen Funktionen und Führungskräften abgesegnet, damit sie nicht vom Vertriebsmitarbeiter manipuliert werden kann. In die realisierte Gewinnspanne fließen viele vom Vertriebler nicht beeinflussbare Größen wie zum Beispiel Material- und Produktionskosten ein. Von einer sogenannten True-up-Periode zwischen kalkulierter und realisierter Marge ist deshalb abzuraten, weil sie einen unangemessen hohen administrativen Aufwand erfordert.
Als weitere Performance-Größen der variablen Vergütung bieten sich die Neukundengewinnung, der Verkauf strategischer Produkte oder andere strategische Kennwerte an, die im Unternehmensfokus stehen und direkt von Verkäufern beeinflusst werden können.

Neue Planmodellierung als Chance

Eine grundlegende Überarbeitung der Vertriebsvergütung führt zu neuen Verhältnissen von Performance und Vergütungskosten. In der Planmodellierung lassen sich verschiedene Performance-Szenarien transparent darstellen, und eine entsprechende Kalibrierung der Planmechaniken erlaubt das Steuern der gewünschten Ergebnisse. Dabei spielt in der Automatisierungsbranche insbesondere die Wertstellung von außergewöhnlich großen Anlagen eine besondere Rolle. Denn durch einzelne solcher Aufträge kann die vorherige Verkaufsund Vergütungserwartung ausgehebelt werden. Unternehmen bestätigen, dass Mitarbeitende in bestimmten Fällen durch solche Großaufträge eine übermäßige Vergütung erhalten, die bei Deckelung der Vergütung einen Fehlanreiz setzt, weitere Verkäufe in das nächste Geschäftsjahr zu schieben. Dadurch vergeben Unternehmen signifikante Umsatzchancen. Um dies zu vermeiden, bieten sich vorab vereinbarte Policies an, die zum Beispiel den Auftragseingangswert nach einem bestimmten Volumen nur noch im reduzierten Maß vergüten. Dadurch besteht für den Mitarbeitenden das Interesse, weitere Anlagen zu verkaufen.

Fazit

Eine grundlegende Überarbeitung der Vertriebsvergütung kann sowohl die proaktive Verfolgung von Umsatzund Ertragspotenzialen wie die Gewinnung geeigneter Vertriebstalente in einem engen Fachkräfte-Pool unterstützen. Für das Management kann die Vertriebsvergütung so zu einem wirksamen strategischen Steuerungsinstrument für profitables Wachstum werden.

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