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Wie lässt sich berufliche Resilienz messen?

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Frage an die HR-Werkstatt: Wie kann man berufliche Resilienz im Rahmen der Personalentwicklung messbar machen und daraus konkrete Schritte ableiten?

Es antwortet: Dr. Jens Knispel, Psychologe, Personalentwickler, Change-Manager und Führungskräfte-Mentor

Der Arbeitsalltag ist für Führungskräfte und Beschäftigte zunehmend stressig, weil oft hohe Erwartungen und enge Deadlines zu Leistungsdruck führen. Zudem tragen ständige Unterbrechungen und Multitasking zu einer erhöhten mentalen Belastung bei. Auch zwischenmenschliche Konflikte und mangelnde Work-Life-Balance können erheblichen Stress verursachen.

Um mit beruflichem Stress besser umgehen zu können, ist Resilienz als psychische Widerstands- und Anpassungsfähigkeit ein entscheidender Faktor. So wird auch die mentale Gesundheit besser aufrechterhalten. Aus psychologischer Sicht bedeutet Resilienz die Fähigkeit, sich nach stressigen Ereignissen zu erholen und Herausforderungen sowie Veränderungen erfolgreich zu bewältigen. In einer Analyse von Tianqiang Hu, Dajun Zhang und Jinliang Wang (2015) zeigte sich eine klare Verbindung zwischen Resilienz und mentaler Gesundheit: Mehr Resilienz schützt vor Depressivität, Ängstlichkeit und negativer Stimmung und sagt ein hohes Maß an Lebenszufriedenheit und positiver Stimmung vorher.

Wie kann berufliche Resilienz definiert werden?

Doch diese Definition ist noch zu allgemein, um sie zielführend auf das Berufsleben anzuwenden. Denn dort gibt es spezifische Herausforderungen und Stressoren. Deshalb gibt es verschiedene Modelle, die aufzeigen, welche Aspekte unter die berufliche Resilienz fallen.

Nicht alle dieser Modelle sind psychologisch fundiert. Ein Modell, das ausdrücklich auf Basis wissenschaftlicher Forschungsliteratur entwickelt wurde, ist das RB-7-Modell. Demnach sind Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Selbstfürsorge, Netzwerkorientierung, Verantwortungsübernahme und Zukunftsplanung wichtige Facetten, um die mentale Gesundheit und Produktivität von Führungskräften und Teams langfristig zu garantieren.  Doch wie finden Personalentwicklerinnen und -entwickler nun heraus, inwieweit Führungskräfte und Mitarbeitende über diese Dinge verfügen?

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Wieso sollte man berufliche Resilienz messen?

Ignorieren Arbeitgeber die berufliche Resilienz ihrer Mitarbeitenden und wollen diese nicht messen, kann dies folgendes mit sich bringen:

  • überlastete und dauergestresste Führungskräfte und Beschäftigte
  • ineffiziente Teamstrukturen
  • mehr Krankschreibungen und längere Fehlzeiten der Belegschaft
  • Unzufriedenheit mit dem Unternehmen
  • mehr Fluktuation von Fachkräften

Doch Trainings zur Förderung der beruflichen Resilienz durchzuführen, ohne die psychische Widerstandskraft vorher zu messen, ist nicht empfehlenswert. Denn daraus ergeben sich folgende Probleme:

  • Fehlende Ausgangsbasis: Ohne eine Ausgangsmessung fehlt eine klare Basis, um den Fortschritt und die Effektivität der Maßnahme zu bewerten. Es wird schwierig, konkrete Verbesserungen oder Veränderungen in der Resilienz der Mitarbeitenden nachzuweisen.
  • Unklare Zielsetzung: Ohne ein genaues Verständnis des aktuellen Resilienzniveaus der Mitarbeitenden kann es schwierig sein, realistische und gezielte Entwicklungsziele zu setzen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der Beschäftigten abgestimmt sind.
  • Ineffiziente Trainings: Die Personalentwicklungsmaßnahme könnte weniger effektiv sein, da sie möglicherweise nicht auf die tatsächlichen Schwächen oder Bedürfnisse im Bereich der beruflichen Resilienz eingeht. Dies ist eine Verschwendung von Ressourcen und Zeit.
  • Fehlende Erfolgsmessung: Ohne Vorher-Nachher-Messung der beruflichen Resilienz kann nicht beurteilt werden, inwieweit sich die psychische Widerstandskraft verbessert hat.

Wie kann man berufliche Resilienz messen?

Personalentwicklerinnen und -entwickler, die das Thema der beruflichen Resilienz als wichtige psychische Widerstandskraft auf ihre Agenda stellen möchten, sollten sich daher darüber Gedanken machen, wie man berufliche Resilienz messbar machen kann. Grundsätzlich gilt, dass die sieben Resilienz-Facetten Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Selbstfürsorge, Netzwerkorientierung, Verantwortungsübernahme und Zukunftsplanung eine persönliche Ressource „im Kopf“ der Führungskräfte und der Teammitglieder sind.

Gemessen werden können sie mittels eines Fragebogens. Eines davon ist das RB-7-30, das von mir und meinem Team bei ASK Consulting entwickelt wurde und 30 Items enthält.  

Wichtig ist bei der Bedarfsfeststellung: Studien zeigen, dass es nicht ausreicht, eine mittelmäßig ausgeprägte berufliche Resilienz auf diesen sieben Facetten zu haben. Nur ein ausdrücklich hohes Niveau der beruflichen Resilienz hilft Führungskräften und Beschäftigten dabei, langfristig gesund und produktiv zu bleiben.

Für die Frage, wie oder was man auf Basis des Ist-Zustandes beruflicher Resilienz trainieren kann, stehen vielfältige Methoden und Ansätze zur Auswahl. Zentral ist dabei, den Mitarbeitenden bewusst zu machen, wie wichtig ein guter Umgang mit beruflichem Stress und das Vorhandensein von Coping-Strategien ist, um resilienter zu sein und damit die eigene mentale Gesundheit zu fördern.

Fazit

Berufliche Resilienz stellt eine zentrale Ressource in der Arbeitswelt dar und bildet als psychische Widerstands- und Anpassungsfähigkeit die Grundlage für mentale Gesundheit, Produktivität und Arbeitszufriedenheit. Es empfiehlt sich, zur Ableitung und Evaluierung von Personalentwicklungsmaßnahmen den Ist-Zustand der beruflichen Resilienz zu messen. Dafür kann beispielsweise der Fragebogen RB-7-30 zum Einsatz kommen: Damit kann berufsbezogen der Grad an Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Selbstfürsorge, Netzwerkorientierung, Verantwortungsübernahme und Zukunftsplanung erfasst werden.

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