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Studie: KI erreicht den Weiterbildungsmarkt nur langsam

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Ohne die systematische Weiterbildung der Beschäftigten können Mitarbeitende und somit auch das Unternehmen nicht wettbewerbsfähig bleiben. Denn die Arbeitswelt entwickelt sich rasant weiter – besonders getrieben durch Künstliche Intelligenz (KI). Das wissen die Unternehmen, das weiß auch HR: Tatsächlich werden für die Weiterbildung der Beschäftigten laut der TÜV-Weiterbildungsstudie 2024 jährlich rund 1.000 Euro und drei bis neun Arbeitstage pro Mitarbeiter investiert.

Volle Auftragsbücher bei Weiterbildern

Der Turbo-Wandel der Arbeitswelt beschert den Anbietern von beruflicher Weiterbildung volle Auftragsbücher. Um durchschnittlich elf Prozent wuchsen sie im Jahr 2023, im gerade abgeschlossene Geschäftsjahr 2024 wird das Wachstum voraussichtlich bei gut fünf Prozent liegen und auch für das laufende Jahr erwarten die Weiterbildungsanbieter eine ähnliche Steigerung.

Das sind die Ergebnisse der neuen Lünendonk-Studie zu beruflicher Weiterbildung, die gerade veröffentlicht wurden. Für die Studie, die uns exklusiv vorab vorliegt, wurden 35 Dienstleister aus der Branche in Deutschland befragt. Die Studie knüpft an frühere Veröffentlichungen des Marktforschungsinstitutes an, die allerdings in den letzten 15 Jahren pausierte.

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Neue Technologien und Lernformate sowie der durch den demografischen Wandel perspektivisch noch steigende Fachkräftemangel sorgten dafür, dass Weiterbildung stark nachgefragt sei, erklärt Jörg Hossenfelder, Geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk. Im Jahr 2023 hätten zudem Nachholeffekte aus den Coronajahren zu der außergewöhnlich hohen Nachfrage geführt.

Trotz der anhaltenden Konjunkturschwäche und Budgetkürzungen bei vielen Unternehmen sei der Transformationsdruck hoch. Die Weiterbildungsspezialisten profitieren davon: „2023 war für viele Anbieter das beste Jahr der Geschichte“, bestätigt Gerhard Wächter, Präsident von EATO, einem Zusammenschluss von B2B-orientierten Weiterbildungsanbietern aus der DACH-Region. Der Verband gehört zu den Partnern der Lünendonk-Studie.

Längerfristig, also in den Jahren ab 2026, rechnen die Weiterbildungsunternehmen laut der Studie sogar mit noch größeren Steigerungen, dann würden sechs Prozent und mehr Wachstum erwartet, so Jörg Hossenfelder. „Die digitale Transformation, schnelle Marktveränderungen und der Fachkräftemangel führen dazu, dass lebenslanges Lernen ein Trendthema bleibt.“

Hälfte der Kurse betreffen IT und Technik

Dass der technische Fortschritt wesentlicher Treiber der Weiterbildungsanstrengungen ist, zeigt sich bei den Inhalten. Fast die Hälfte aller Weiterbildungen entfielen 2023 auf den Tech- und IT-Bereich (49,6 Prozent). Weit abgeschlagen dahinter rangierten kaufmännische (13,4, Prozent) und gewerbliche (11,8 Prozent) Weiterbildungen oder Angebote zu Methodenkompetenzen (6,6, Prozent), Leadership (5,7 Prozent) oder Softskills (4,6 Prozent).

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Auch wenn die aktuellen Zahlen und die Prognosen zunächst einmal sehr ordentlich aussehen, ist die Stimmung in der Branche gemischt. Die Mehrheit der Studienteilnehmer (79 Prozent) erwartet eine herausfordernde Zukunft, für die man sich aber gut aufgestellt sehe, 17 Prozent bekennen „gemischte Gefühle“. Neben den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bei den Kunden und den Auswirkungen von Krieg und politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, ist es die Zukunftsfähigkeit der Weiterbildungsanbieter, die Sorgen bereitet. Dabei spielt die interne technologische Entwicklung eine wesentliche Rolle. „Um die Personalabteilungen auch künftig unterstützen zu können, ist ein großer Wandel bei den Anbietern erforderlich: Dafür müssen wir in Technologie und KI investieren“, sagt Hansjörg Fetzer von der Haufe Akademie, ebenfalls ein Lünendonk-Studienpartner. „Auch wir sind seit rund zehn Jahren dabei, uns zu einem Technologieunternehmen zu wandeln – und damit sind wir längst noch nicht fertig.“

Ist KI schon angekommen?

Künstliche Intelligenz nutzen zwar schon heute mehr als die Hälfte der Weiterbildungsanbieter – allerdings eher für Themen wie Qualitätsmanagement, die Automatisierung von Routineaufgaben oder Analysen. KI-gestützte Lernprogramme dagegen sind laut der Studie derzeit noch eher Zukunftsmusik. „Um personalisierte Lernpfade entwickeln zu können, braucht es zunächst einmal individuelle Standortbestimmungen der Teilnehmenden. Dies ist momentan noch nicht möglich“, erläutert Dr. Jörg Philippen von der Steuer-Fachschule Dr. Endriss, ebenfalls ein Studienpartner. Dafür relevante Faktoren – etwa die automatisierte Erkennung von Handschriften – seien noch gar nicht gegeben. „Bei allen Bemühungen stehen wir da wirklich noch am Anfang.“

Neben technischen Herausforderungen und fehlenden Experten sowie Expertinnen für die Schnittstellen zwischen Bildungsinhalten und Technik, ist die Transformation der Weiterbildungsanbieter auch eine Frage des Geldes. Die Investitionen, die erforderlich sind, um aus einem klassischen Weiterbilder ein Tech-Unternehmen zu machen, seien nur von größeren Unternehmen zu stemmen, so der Experte.

Hansjörg Fetzer von der Haufe-Akademie sieht in Deutschland überdies ein gewisses Mindset-Problem: „Der Markt ist hierzulande irrsinnig schwerfällig, bei neuen Technologien oder auch neuen Formaten kämpfen wir sehr mit Marktakzeptanz. Die Frage ist, wie wir den Markt erziehen.“

Der Markt wird sich konsolidieren

Derzeit ist der Markt von Anbieter für die berufliche Weiterbildung in Deutschland extrem breit gestreut. Rund 30.000 Anbieter gibt es, die Bandbreite reicht vom selbstständigen Trainer für Nischenthemen bis zu Branchenriesen wie der TÜV Rheinland Akademie mit einem Jahresumsatz von knapp 300 Millionen Euro. „Das wird sich ändern“, ist EATO-Präsident Wächter überzeugt. „Es wird ein Konsolidierungsprozess stattfinden.“ Interessenten aus dem In- und Ausland säßen bereits in den Startlöchern, um durch Zukäufe entweder ihr Portfolio oder den Kundenkreis zu erweitern, auch Finanzinvestoren interessierten sich für den Weiterbildungsmarkt.

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Eine Sorge treibt die Weiterbildungsexperten um: Was geschieht, wenn globale Tech-Unternehmen die Branche aufmischen? Jörg Hossenfelder: „Wir sollten solche Player nicht vergessen, die bislang noch nicht im Weiterbildungsmarkt unterwegs sind und nun nach Kompetenz im Markt suchen.“

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Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.