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Age Diversity: Der übersehene Erfolgsfaktor im Employer Branding

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Wir schreiben das Jahr 2035: Auf der „Future of Work“-Messe in Frankfurt herrscht Hochbetrieb. Etliche Unternehmen aus Technologie, Beratung und Industrie präsentieren sich. Vor dem Stand eines renommierten Beratungsunternehmens bildet sich eine lange Schlange. Mittendrin tummelt sich Thomas M., 68 Jahre alt. Thomas ist Projektmanager im Bereich Infrastruktur mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Umsetzung komplexer Bau- und Energieprojekte. Personalverantwortliche buhlen um ihn. Zu ihren Angeboten gehören „Flexible Remote-Modelle“, „individuelle Gesundheits-Coachings“ und „Karrierepfade für Golden Ager“.

Ergänzt wird dies durch umfassende Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die Vielfalt und Attraktivität der Angebote übertreffen sich gegenseitig und unterstreichen den hohen Stellenwert, den erfahrene Fachkräfte genießen. Wer Thomas für sich gewinnt, sichert sich nicht nur Expertise, sondern auch ein stabiles Netzwerk und wertvolle Führungskompetenzen. Kurzum: Erfahrung ist das neue Gold.

Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Vor zehn Jahren, also in unserem Jahr 2025, sieht die Realität allerdings anders aus. Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ist vielerorts Alltag. Unternehmen inszenieren sich mit ihrem Employer Branding als jung, dynamisch und digital – jedoch oft auf Kosten der Altersvielfalt.

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Arbeitnehmer 50+ oder 60+ sollten eigentlich deutlich sichtbarer sein. Insbesondere vor dem Hintergrund der massiven demografischen Verschiebungen und deren Konsequenzen sollten Menschen wie Thomas in der Arbeitgeberkommunikation wesentlich stärker berücksichtigt werden. Ihre Bedürfnisse und Erwartungen finden bislang zu wenig Beachtung. Das enorme Potenzial, das diese Kohorte bietet, bleibt noch weitgehend ungenutzt.

Age Diversity als blinder Fleck

Viele Arbeitgeber haben Altersdiversität noch nicht als strategischen Erfolgsfaktor erkannt. Dabei ist die Entwicklung eindeutig: Die Belegschaften altern, und die Erwerbsquote älterer Arbeitnehmer steigt stetig. Das Statistische Bundesamt schrieb 2023 zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: „Die Erwerbs­beteiligung der 60- bis 64-Jährigen nahm so stark zu wie in keiner anderen Alters­gruppe: Sie hat sich in den letzten zehn Jahren von 50 Prozent (2013) auf 65 Prozent  (2023) gesteigert. Aber auch jenseits des Renten­eintritts­alters hat sich der Anteil der Erwerbs­tätigen in kurzer Zeit stark erhöht. Im Jahr 2013 arbeiteten noch 13 Prozent  der 65- bis 69-Jährigen, 2023 lag der Anteil bei 20 Prozent.“ Daten der Bundeszentrale für politische Bildung zeigen darüber hinaus, dass im vergangenen Jahr fast jeder und jede Zehnte der 70- bis 74-Jährigen am Erwerbsleben beteiligt war. Das entspricht mehr als einer Verdreifachung der Quote seit 2003. Übrigens stieg dabei die Erwerbsquote der 60- bis 64-jährigen Frauen zwischen 2003 und 2022 um mehr als 45 Prozentpunkte.

Trotzdem richtet sich der Großteil der Kommunikation in Karriereportalen und in Recruiting-Kampagnen an jüngere Zielgruppen. Von der Bildsprache bis zu den Botschaften: Alter wird in der Kommunikation nicht als Kompetenzquelle sichtbar gemacht. Dabei bringen viele ältere Talente genau das, was Unternehmen jetzt dringend brauchen: Krisenresistenz, Lebenserfahrung, Führungsstärke, Mentoring-Fähigkeit und ein hohes Maß an Loyalität. Employer Branding, das diese Kompetenzen ignoriert, vergeudet nicht nur wertvolle Arbeitskraft. Es sendet obendrein ein fatales Ausgrenzungssignal an alle Generationen.

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Bitte nicht falsch verstehen: Es geht keineswegs darum, die Ansprache junger Talente zu vernachlässigen, im Gegenteil. Gerade bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen oder Berufseinstiegspositionen bleibt eine zielgerichtete Kommunikation für junge Menschen essenziell. Entscheidend ist jedoch, parallel und differenziert zu kommunizieren: lebensphasengerecht, altersinklusiv und ohne eine Alterskohorte auszuschließen.

Ein Blick auf Initiativen wie „Age Diversity@Work“ der Deutschen Bahn zeigt, dass es anders geht: Hier werden gezielt Bewerberinnen und Bewerber über 50 angesprochen und erfolgreich integriert. Ein wichtiges Signal für den notwendigen Kulturwandel.

Vielfalt braucht Führung und Differenzierung

Allerdings ist es wichtig, auch mögliche Herausforderungen zu betrachten. Studien zeigen, dass Altersdiversität in Teams nicht automatisch zu besseren Ergebnissen führt. Unterschiedliche Kommunikationsstile, Werte oder Erwartungen können zu Konflikten führen. Ohne ein aktives Diversitätsmanagement besteht möglicherweise sogar die Gefahr, dass Altersdiversität zu geringerem Committment oder zur Reproduktion von Vorurteilen führt.

Ein inklusives Employer Branding muss deshalb auch Raum für den bewussten Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven, Erwartungen und Arbeitsstilen schaffen. Diese Vielfalt aktiv und konstruktiv zu gestalten, ist entscheidend, damit altersgemischte Teams funktionieren.

Hinzu kommt, dass die Gruppe der „älteren Talente“ ist keineswegs homogen ist. Ob jemand 52, 60 oder 68 ist, macht einen Unterschied. Nicht nur körperlich, sondern auch im Hinblick auf Lebensphase, berufliche Ziele und familiäre Situation. Zwischen Branchen und Qualifikationsniveaus variieren zudem Erwartungen an Arbeitszeitmodelle, Benefits und Kommunikation deutlich. Wer altersinklusiv kommunizieren will, sollte diese Vielfalt innerhalb der älteren Zielgruppen anerkennen und differenziert ansprechen.

Employer Branding neu denken: Age Inclusive!

Stellt sich also die Frage, wie Unternehmen ihr Employer Branding zukunftsfähig machen können? Im Folgenden ein paar Ideen, die nur der Anfang für weiterführende Gedanken sein können.

  1. Bildsprache überarbeiten: Karriere-Websites, Stellenanzeigen und Social Media sollten gezielt altersdiverse Teams zeigen. Authentische Repräsentation fördert Wiedererkennung und Zugehörigkeit.
  2. Lebensphasenorientierte Angebote entwickeln: Weiterbildung, Gesundheitsprogramme und flexible Arbeitszeitmodelle müssen sich an unterschiedlichen Lebensrealitäten orientieren.
  3. Kommunikationsstil anpassen: Statt einer rein jugendorientierten Sprache bewusst eine lebensphasenübergreifende Ansprache wählen. Begriffe wie „vielseitiges Team“ oder „altersgemischte Teams“ setzen positive Signale.
  4. Erfahrungswissen sichtbar machen: Erfahrungsberichte älterer Mitarbeitender, Mentoring-Programme und Best Practices gezielt ins Rampenlicht rücken. Dabei können durchaus ähnliche Formate und Kanäle wie für jüngere Zielgruppen genutzt werden.

Gleichzeitig sollten die Nutzungsgewohnheiten der jeweiligen Altersgruppe berücksichtigt werden: Während jüngere Talente sich auf Plattformen wie Tiktok oder Bereal tummeln, bevorzugen ältere Fachkräfte andere Netzwerke oder Informationskanäle. Zudem gibt es fachspezifische Unterschiede: Ältere IT-Spezialistinnen nutzen andere Plattformen als etwa Ingenieurinnen oder Naturwissenschaftler. Eine differenzierte Kanalstrategie zahlt sich hier aus.

Unternehmen, die diese Aspekte heute in ihre Employer-Branding-Strategie integrieren, schaffen einen echten Wettbewerbsvorteil. Sie zeigen: Hier zählt, was du kannst – nicht, wann du geboren wurdest.

Zukunft braucht Erfahrung

Die Vorstellung, dass mit 60 Schluss sein muss, ist längst überholt. Wer heute die Potenziale älterer Talente übersieht, wird morgen um sie kämpfen. Die Zukunft der Arbeit ist altersdivers, flexibel und lebensphasengerecht. Arbeitgeber, die ihr Employer Branding rechtzeitig darauf ausrichten, werden sich im Wettbewerb um die besten Köpfe behaupten. Denn Talent kennt kein Verfallsdatum. Und Employer Branding sollte es auch nicht tun.

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Employer Branding für KMU

Marcus Merheim ist Gründer und Geschäftsführer von hooman Employer Marketing. In seiner Kolumne „Employer Branding für KMU“ erklärt er, wie Mittelständler mit limitierten Ressourcen eine erfolgreiche Arbeitgeberidentität schaffen können.