Rund 250 HR-Expertinnen und -Experten – so viele wie bei keiner Ausgabe zuvor – haben sich jetzt beim diesjährigen „HR Summit“ in Frankfurt getroffen, um sich über die wichtigsten Trends und Herausforderungen der modernen Personalarbeit auszutauschen. In Keynotes, Diskussionen und interaktiven Formaten wurde thematisiert, wie Unternehmen die Transformation der Arbeitswelt aktiv gestalten können. Fast immer dabei: die Künstliche Intelligenz (KI).
Bereits beim Business Lunch zum Auftakt ging es inhaltlich zur Sache: Michael Jetten von UKG zeigte in seinem Vortrag „Technologie trifft Menschen“ anhand konkreter Beispiele, wie KI Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen entlasten kann und dabei die „People Experience“ verbessert.

Ein erster Höhepunkt des Summit: Felicitas von Kyaw, Geschäftsführerin Personal und Arbeitsdirektorin bei Vodafone Deutschland, sprach in ihrer Keynote über das Thema „Fortschritt wagen, zukunftsfit bleiben: Mit Skills den Wandel gestalten“. Dabei griff sie auch ihre eigene Biografie auf. „Veränderung war für mich immer eine Konstante“, unterstrich die Personalchefin, die als Tochter eines Diplomaten den Wandel durch Umzüge neue Kulturen am eigenen Leib erfahren hat.
In einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt ist berufsrelevantes Lernen das A und O, erklärte von Kyaw. „Skills sind das neue Gold, Lernen wird zur neuen Superpower“, bekräftigte sie. In ihrem eigenen Unternehmen werden die Angestellten deshalb über eine neue Lernplattform namens „Grow“ geschult, die sich an alle 15.000 Mitarbeitenden richtet. Unter der „Grow“-Motorhaube steckt eine KI, die eine Lernreise über die Standardangebote hinaus vermitteln soll. Von diesem „Lern-Universum“ profitierten Unternehmen und Mitarbeitende gleichermaßen, erklärte die Personalchefin. Bei aller revolutionärer Technik ist allerdings auch der Mensch, in diesem Fall die Führungskräfte, gefragt. „Sie müssen die Lernreise ihrer Mitarbeitenden unterstützen.“
Von Future Skills bis zu gesunder Führung
Die anschließende erste Runde der parallelen Themenforen bot Einblicke in zukunftsrelevante Fragestellungen. Professor Dr. Yasmin Weiß von der Technischen Hochschule Nürnberg widmete sich im Gespräch mit Sascha Gerland von Xellento Executive Search der Symbiose von Mensch und KI und zeigte, wie der „Paartanz aus humaner und künstlicher Intelligenz gelingt“.
Dr. Laura Marie Wingender von DHL stellte gemeinsam mit Anja Freiheit von Cornerstone Ondemand das innovative Tool „Career Marketplace“ vor, das interne Talentmobilität stärkt und Mitarbeitenden ermöglicht, ihre Karriere aktiv zu gestalten. Simone Schwering und Professor Dr. Mustapha Sayed von der Barmer beleuchteten zudem, wie gesunde Führung in Zeiten von Transformation ein entscheidender Erfolgsfaktor sein kann.
Wie Porsche der Krise trotzen will

Wie umgehen mit der Krise der Automobilindustrie? Porsche-Arbeitsdirektor Andreas Haffner erklärte vor vollem Auditorium, wie es geht – und wie man auch in schwierigen Zeiten die besten Fachkräfte rekrutiert. „Automotive: Attraktiver Arbeitgeber trotz Transformation – so gelingt´s“ lautete das Thema des Bühnengesprächs mit Personalwirtschaft-Redaktionsleiterin Catrin Behlau. Dabei sind auch für die Luxusmarke Porsche die Marktbedingungen nicht eben einfacher geworden. „Es sind herausfordernde Zeiten. Die Automobilindustrie wird sich in den kommenden zehn Jahren so viel verändern wie in den vergangenen 100 Jahren nicht.“
Als Arbeitgeber ist Porsche nach wie vor sehr attraktiv – zum Glück. „Wir sind in Deutschland nach wie vor unter den Top-Fünf.“ Allerdings gebe es Engpass-Qualifikationen wie Cybersecurity. „Da tun wir uns auch schwer, entsprechende Kandidaten zu erreichen.“ Eine von mehreren Lösungen: „Wir setzen darauf, möglichst viele der vorhandenen Mitarbeitenden durch interne Qualifikationen weiterzuentwickeln“, erklärt Haffner. „Intern“ gehe in diesem Fall vor „Extern“.
Auch bei Porsche ist KI ein wichtiger Aspekt, der in allen Unternehmensbereichen zum Einsatz kommt. „Wir haben KI für uns als das Thema identifiziert, das ganz vorne auf der Agenda steht.“ In der Personalabteilung ist KI vor allem für die HR Business Partner wichtig: Sie setzen bereits ein entsprechendes Tool ein. Dabei soll die Technik HR nicht ersetzen, aber die Prozesse optimieren. Trotz Krise ist Haffner selbstbewusst. „Die Automobilindustrie wird weiter ein attraktiver Arbeitgeber für Tech-Talente bleiben.“
Nach einen langen Tag voller Diskussionen, Vorträge und spannenden Keynotes wurde es am Abend festlich: Die von Verlagsleiter Erwin Stickling und Redakteurin Christina Petrick-Löhr moderierte Verleihung des 32. Deutschen Personalwirtschaftspreises stand auf dem Programm. Dabei hatte die Jury in diesem Jahr alle Hände voll zu tun: Insgesamt wurden 115 Projekte eingereicht – absoluter Rekord.
Julia Bangerth: „KI ist gekommen, um zu bleiben“
Am zweiten Veranstaltungstag konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst einmal bei einem Business Breakfast stärken, bei dem Pascal Eule von Pluxee die Rolle von Employee Benefits im Wettbewerb um Talente beleuchtete. In seinem Vortrag zeigte er auf, wie individuell angepasste Benefits die Attraktivität als Arbeitgeber steigern und zur langfristigen Bindung von Mitarbeitenden beitragen können.
Wie kann HR in der Organisation Lust auf KI machen? Für Julia Bangerth, stellvertretende Vorstandsvorsitzende, Chief Operating Officer (COO) & Chief Human Relations Officer (CHRO) beim IT-Dienstleister DATEV ist klar: KI ist gekommen, um zu bleiben. „Ich bin der festen Überzeugung, dass Lernen in den meisten Unternehmen noch mehr Wertschätzung braucht“, bekräftigte Bangerth in ihrer Keynote, in der sie Einblicke in praxisorientierte Strategien gab, mit denen möglichst alle Mitarbeitenden mit KI in Kontakt kommen können.
Dafür brauche es eine Lernkultur, die auch das bewusste Verlernen, das Abstreifen althergebrachter Denkweisen, umfasst. Die Personalabteilung habe in diesem Prozess eine Doppelrolle: Sie müsse selbst lernen, KI sinnvoll einzusetzen, und zugleich die Menschen in der Organisation dazu befähigen, dies zu tun. „Ich kann HR empfehlen: Bleibt da stabil. Alles, was ihr heute nicht in Weiterbildung investiert, das wird in ein paar Jahren eine Riesenlücke werden.“
Themenforen zu Fachkräftemangel und BGM
Einen inhaltlichen Schwerpunkt bildeten am zweiten Tag des HR Summit erneut verschiedene Themenforen, in denen praxisrelevante Ansätze vertieft wurden. So diskutierten Dr. Thelse Godewerth von Rolls-Royce Power Systems, Ingo Gugisch von L’Osteria und Markus Künzel von Advant Beiten, wie HR angesichts von Fachkräftemangel, Personalabbau und Flexibilisierung rechtssicher agieren kann. Parallel dazu präsentierten auf Einladung der TK die Finalisten des Deutschen Personalwirtschaftspreises ihre Projekte im Betrieblichen Gesundheitsmanagement, darunter Oliver Herrmann von der Deutschen Telekom und Florian Hirsch von Krones.
Kathrin Hess von Manpower zeigte, wie „grünes Upskilling“ und ein nachhaltiges Mindset zentrale Erfolgsfaktoren für die HR-Arbeit der Zukunft sind. Sie forderte Unternehmen auf, eine aktive Rolle in der „Green Transition“ einzunehmen und diese mit einer People-First-Strategie zu verbinden. Weitere spannende Themen: Omer Dotou und Lea Fiebelkorn von BDAE Consult beleuchteten die komplexen Dynamiken der Fachkräftegewinnung im Ausland. Benedikt Jürgens von der Ruhr-Universität Bochum ergänzte die Diskussion mit Praxisbeispielen. Parallel dazu wurde die Frage erörtert, wie HR den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft moderieren kann.
Keynote: Mut und Zuversicht in schwierigen Zeiten
Mit einer emotionalen Keynote beeindruckte Professor Dr. Volker Busch anschließend viele Personalerinnen und Personaler. Der Neurowissenschaftler zeigte, wie Mitarbeitende auch in herausfordernden Zeiten Mut und Zuversicht entwickeln können. „Zuversicht ist eine Haltung, die uns stark macht“, betonte er und appellierte an Unternehmen, den Fokus auf das Positive zu lenken, um ihre Belegschaft zu stärken.
Unruhige Zeiten sorgen innerhalb der Belegschaft für Anspannung, Stress und schlechte Stimmung. Negative Nachrichten können die Mitarbeitenden betroffen machen. „Momentan kommt es etwas dicke. Ich beschäftige mich damit, was die Krisen, in denen wir stecken, mit uns machen“, erläuterte Busch, der als Leiter der wissenschaftlichen AG Psychosozialer Stress und Schmerz an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Regensburg arbeitet.
Hilfreich in dieser Situation sei zum einen die Kunst, etwas wegzulassen. „Informationen sind wichtig, keine Frage. Aber was kann ich weglassen? Wenn man es schafft, von Menschen etwas Negativität zu nehmen, dann kommt das Positive, die Lust am Leben, ganz von allein.“
Am Nachmittag boten Masterclasses die Möglichkeit, tief in spezielle Themen einzutauchen. Martina Groth und Daniel Sondermann von ADP Employer Services erläuterten, wie Unternehmen ihre Payroll zukunftssicher gestalten können. Dr. Kristine Johari und Jörn Reinhold von whatever.works zeigten auf, warum Workations ein nachhaltiger Bestandteil moderner Arbeitskultur sind. Gürkan Ünlü von ahead& präsentierte die besten Use Cases für den Einsatz von KI und Chatbots in HR-Prozessen – von Recruiting bis Training.
Claus Weselsky ist pünktlich wie die Deutsche Bahn (nicht)

Zum Abschluss stand noch einmal ein echtes Highlight auf dem Programm: das wiederum von Catrin Behlau moderierte Bühnengespräch „Kompromisslos: Wie der ehemalige GDL-Chef Claus Weselsky auf die Arbeitswelt blickt“ mit eben jenem ehemaligen streitbaren Gewerkschafter. Kleine Randnotiz: Weselsky war pünktlich zu Beginn vor Ort – anders als viele der Züge des Unternehmens, für deren Lokführer er in den vergangenen Jahren um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne gekämpft hat.
Wie ist er damit umgegangen, dass er viele Jahre für die GDL im Feuer stand? „Man wird professioneller, abgehärteter, aber natürlich auch erfahrener“, sagte der GDL-Bundesehrenvorsitzende. Kritikern, die ihn für zu hart und unnachgiebig halten, hält er entgegen: „Die deutsche Bahn ließ in der Öffentlichkeit immer den Eindruck entstehen, dass wir kompromisslos seien. Aber wir waren immer zu Zugeständnissen bereit.“
Wieso hat er als GDL-Vorsitzender die Konflikte mit der Deutschen Bahn so zur Chefsache gemacht und sich so in den Vordergrund gestellt? „Das habe ich von meinem Vorgänger übernommen, der das Thema Tarifpolitik komplett auf seinen Tisch gezogen hat. Ich hatte am Anfang auch die Idee, das ganze Team öffentlich aufzustellen, habe aber schnell festgestellt, dass es besser ist, wenn die GDL mit einer Zunge spricht.”
An den Schlichtungsversuchen durch die Politik ließ Weselsky kaum ein gutes Haar: „Wenn die Schlichtung politisch instrumentalisiert wird, führt sie zu nichts. Wir sind in unseren Verhandlungen immer besser gefahren, wenn wir die Gespräche im Hintergrund laufen ließen.“
Den Vorwurf aus dem Plenum, dass durch den permanenten Einsatz des Streiks dieses Instrument des Arbeitskampfes „kaputt“ gemacht worden sei, wies er zurück. „Kein Eisenbahner ist von Haus aus auf Arbeitskampf getrimmt. Aber wenn man so mit den Mitarbeitenden umgeht, wie es bei der Deutschen Bahn geschehen ist, bleibt oft keine andere Möglichkeit.“
Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.

