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Arbeitsrechtler kritisiert Ende der Quarantäne-Entschädigung für Ungeimpfte

Wer freiwillig nicht geimpft ist, bekommt im Falle einer
Quarantäne-Anordnung bald keine Entschädigung mehr. Der renommierte
Arbeitsrechtler Peter Wedde kritisiert die Neuregelung und warnt vor
langfristigen Folgen.

Prof. Dr. Peter Wedde, kürzlich emeritierter Arbeitsrechtexperte der Frankfurt University of Applied Sciences.
Prof. Dr. Peter Wedde, kürzlich emeritierter Arbeitsrechtexperte der Frankfurt University of Applied Sciences. (Foto: privat)

Freiwillig Ungeimpfte sollen spätestens ab Anfang November
keine staatliche Entschädigung mehr bekommen
, wenn sie in Quarantäne müssen und
deshalb nicht arbeiten können. Das hatte die Gesundheitsministerkonferenz im
September beschlossen, nachdem einzelne Bundesländer entsprechende Regelungen
schon eingeführt oder angekündigt hatten.

Gegner der Neuregelung hatten davor gewarnt, dass diese
gerade kontraproduktiv sei. Schließlich könnten Beschäftigte, die ungeimpft
sind – egal, ob freiwillig oder aufgrund medizinischer oder anderer Gründe, von
denen der Arbeitgeber aber nichts wissen soll – Kontakte zu infizierten
Personen verschweigen, um gar nicht erst in Quarantäne zu müssen. Davor warnt
auch der kürzlich emeritierte Professor für Arbeitsrecht und Recht der
Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, Peter
Wedde, in einer von der Hochschule verbreiteten Pressemitteilung.

Der renommierte Arbeitsrechtler, der auch dem Beirat zum
Beschäftigtendatenschutz beim Bundesarbeitsministerium angehört, sieht aber noch
andere Aspekte der Regelung kritisch. So führe das Verfahren „zwangsläufig für
alle Beteiligten zu Problemen, für die der Gesetzgeber keine zufriedenstellende
Lösung vorgesehen hat“. Denn Arbeitgeber, die bislang erst einmal den Lohn
weitergezahlt und sich dann die entsprechende Ausgleichszahlung vom Staat
wiedergeholt hätten, müssten nun das Geld in Einzelfällen nachträglich von den
eigenen Mitarbeitenden zurückfordern. Denn sie dürften ja – zumindest offiziell
gar nicht nach dem Impfstatus fragen. Wedde geht dennoch davon aus, dass allein
die bestehende Unsicherheit ein Problem sei. Denn Arbeitgeber könnten die
Zahlung von Entschädigungsleistungen davon abhängig machen, ob die betroffenen
Beschäftigten ihren Impfstatus offenlegen oder ihnen ärztliche Atteste zu
Impfunverträglichkeiten vorlegen, ohne dass es für die Anforderung dieser
sensiblen Informationen die notwendige klare gesetzliche Grundlage gibt.

Gefahr beruflicher Nachteile

Auch für Beschäftigte sei die Offenlegung ihrer
Gesundheitsdaten problematisch, weil daraus Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit
abgeleitet werden könnten. Deshalb unterscheide sich die Situation auch „grundsätzlich
von der freiwilligen Benennung des Impfstatus bei einem einmaligen Restaurant-
oder Kinobesuch“, betont Wedde. Schließlich könnte man aus dem Status als
„Genesener“ eine erhöhte Gefahr von Long-Covid-Symptomen erkennen, und bei
medizinischen Begründungen für eine Nicht-Impfung liegen gesundheitliche
Probleme durchaus nah.

Auf der verfahrensrechtlichen Ebene wäre es laut Wedde möglich,
die Prüfung der Anspruchsberechtigung auf Ersatzleistungen direkt von den
staatlichen Stellen durchführen zu lassen, die eine Quarantäne anordnen. „Dass
der Gesetzgeber auf die Verankerung derartiger Vorkehrungen verzichtet hat,
birgt zudem die Gefahr, dass der Umgang [von Arbeitgebern, d. Red.]mit
Gesundheitsdaten von der Ausnahme zur Regel wird und dass Beschäftigte deshalb
fürchten müssen, aufgrund bestehender medizinischer Probleme berufliche
Nachteile zu erleiden“, sagt der Jurist.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.