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Fifa-Schiedsspruch: Schwangere Fußballerin hat Anspruch auf Lohn

Die Frauenfußballabteilung von Olympique Lyon hat in sechs der vergangenen sieben Jahren nicht nur die französische Meisterschaft gewonnen, sondern auch die Champions League. Vor dem Fifa-Tribunal verlor der erfolgreichste Club Europas nun aber gegen die Spieler- und Spielerinnengewerkschaft FIFPRO – und muss seiner ehemaligen Spielerin Sara Björk Gunnarsdóttir insgesamt gut 80.000 Euro Gehalt nachzahlen.

Die Zahlungen hatte Olympique eingestellt, nachdem die isländische Nationalspielerin schwanger geworden war. Der Verein berief sich dabei laut einem Artikel, den Gunnarsdóttir auf dem Portal „The Players Tribune“ veröffentlicht hat, auf französisches Recht, nach dem nur für die ersten zwei Monate nach Bekanntwerden der Schwangerschaft das Gehalt weitergezahlt werden muss, die Spielerin im Anschluss leer ausgeht.

Wann gilt ein Beschäftigungsverbot?

Hätte sie noch bei ihrem vorherigen Verein, dem VfL Wolfsburg, gespielt, wäre das Problem vermutlich nicht entstanden. Das sagt Philipp Fischinger, Professor für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. „In Deutschland hätte ein Arzt ihr wahrscheinlich ein Beschäftigungsverbot erteilt“, glaubt der Jurist. „Es dürfte schließlich unbestritten sein, dass Profifußball für ein ungeborenes Kind potenziell gefährlich ist.“

Prof. Dr. Philipp S. Fischinger ist Professor für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. (Foto: privat)
Prof. Dr. Philipp S. Fischinger ist Professor für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Sportrecht sowie Handelsrecht an der Universität Mannheim. (Foto: privat)

Und weil grundsätzlich Profisportlerinnen auch Arbeitnehmerinnen sind, gelten für sie die gleichen arbeitsrechtlichen Regeln wie zum Beispiel für Chemielaborantinnen, die ja ebenfalls oft früh in ihrer Schwangerschaft einem Beschäftigungsverbot unterliegen. Während der Zeit des Beschäftigungsverbots bekommt die Schwangere ihr volles Gehalt – genauer: den Durchschnittslohn der vergangenen drei abgerechneten Kalendermonate. „Da gibt es keine Ausnahmen, auch nicht für Profisportlerinnen oder Hochverdienerinnen“, sagt Fischinger.

Verschiedene Gesetze: An welche Regel muss man sich halten?

An das Beschäftigungsverbot schließt sich dann der insgesamt mindestens 14-wöchige Mutterschutz – den das französische Recht in ähnlicher Form auch kennt – an, während dem die werdende beziehungsweise frisch gewordene Mutter zwingend freizustellen ist. Das steht nicht nur in den meisten europäischen Ländern in entsprechenden Gesetzen, sondern seit 2021 auch in den Regularien des Fußballweltverbandes Fifa. Genau auf diese Neuregelung berief sich auch die Spielerinnengewerkschaft im Namen der Gunnarsdóttirs. Denn seit Anfang des Jahres, in dessen Herbst die Sportlerin Mutter wurde, müssen Fußballclubs mindestens 14 Wochen lang mindestens zwei Drittel des Gehalts zahlen.

Oder mehr, wenn es die nationalen Gesetze so vorsehen. In Deutschland wäre eine solch expliziter Verweis nicht einmal nötig, sagt der Jurist Fischinger. „Eines der zentralen arbeitsrechtlichen Prinzipien ist der Meistbegünstigungsgrundsatz.“ Das heißt: Wenn etwa Europa- und das deutsche Arbeitsrecht die gleiche Sache unterschiedlich regeln, gilt immer das, was für den Arbeitnehmer besser ist. So könne selbst ein Arbeitsvertrag Dinge anders – aber eben nur für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin günstiger – regeln als gesetzlich vorgesehen. Auch das könnte ein Grund sein, wieso Olympique Lyon nach Ansicht der Begründung das Urteil wohl nicht anfechten wird – auch wenn laut Fischinger eine andere Entscheidung des Tribunals vertretbar gewesen war.

Ähnliche Konflikte

Entscheidungen von Verbandskammern, in denen es auch um arbeitsrechtliche Belange geht, gibt es laut Fischinger im Frauen- wie Männerfußball immer wieder – auch mit deutscher Beteiligung. „Meist geht es dabei um deutsche Spieler, die zum Beispiel im Irak spielen und auf einmal kein Gehalt mehr bekommen“, sagt er. Konflikte seien aber selten, und meist erregen sie wenig Aufsehen.

Interessant ist das Zusammenspiel zwischen nationalen und übernationalen Gesetzen auf der einen und Verbandsregularien auf der anderen Seite dennoch – auch wenn letztere oft keine direkten arbeitsrechtlichen Folgen haben. „Verstößt ein arbeitsrechtlich gültiger Vertrag etwa gegen die Regularien der Deutschen Fußball-Liga DFL, gilt er dennoch weiter“, erklärt Fischinger. Der Spieler oder die Spielerin bleibe also beim Fußballverein beschäftigt. „Aber natürlich wird die DFL dann die Registrierung und damit die Spielgenehmigung verweigern – was das Arbeitsverhältnis witzlos erscheinen lässt.“

So durfte der vom FC Bayern München ausgeliehene Sarpreet Singh trotz eines gültigen Arbeitsvertrages bei Jahn Regensburg im ersten Halbjahr der Leihe nicht spielen – wegen eines Formfehlers. „Das war für alle Beteiligten sehr bitter – vor allem natürlich für den Spieler“, sagt Fischinger. Es lasse sich zwar in einen Spielervertrag hereinschreiben, dass er nur in Kraft tritt, wenn auch die Transferregularien erfüllt sind. Doch das sei in dem Fall wohl versäumt worden.

Und genau hier unterscheiden sich Profisportler dann doch von „normalen“ Arbeitnehmern: Für sie haben noch deutlich mehr Regeln und Regularien Relevanz.

Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.