Wer im Sommer Sonne und Strand genießen will, muss sich nicht unbedingt dafür freinehmen. Zumindest nicht, wenn mit dem Arbeitgeber eine Workation vereinbart wurde. „Workation“ – also die Fusion von Arbeit („Work“) und Urlaub („Vacation“) hat seit dem zunehmenden Aufkommen mobiler Arbeit zu Coronazeiten an Popularität gewonnen. Was für viele, die ihrem Job nicht zwangsweise vor Ort im Betrieb nachgehen müssen, verlockend klingen mag, birgt jedoch eine Reihe rechtlicher Fallstricke.
Diese ergeben sich unter anderem daraus, dass die Rahmenbedingungen für Workation juristisch in mancherlei Hinsicht nicht klar definiert sind. Der Begriff selbst bezeichnet meist die tatsächliche Kombination von Ferienreise und Berufstätigkeit als Angestellte oder Angestellter – also nicht eine dauerhafte Tätigkeit im Ausland oder eine Dienstreise an eine Niederlassung des eigenen Unternehmens jenseits der deutschen Grenzen.
Darf ich oder darf ich nicht?
Die wichtigste Regel fürs Arbeiten vom (ausländischen) Urlaubsort aus: Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen haben grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Workation. Schließlich kann der Arbeitgeber laut § 106 Gewerbeordnung den Arbeitsort im Rahmen seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen bestimmen, sofern vertraglich oder per Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag nichts anderes vereinbart wurde. Daher bedarf es im Regelfall zumindest einer einvernehmlichen Absprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien.
Solange Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in Deutschland arbeiten und dort auch ihren gewöhnlichen Arbeitsort haben, unterliegt das Arbeitsverhältnis auch bei Tätigwerden im EU-Ausland deutschem Recht. Das besagt Art. 8 Abs. 2 der ROM I-Verordnung der EU.
Viele Experten und Expertinnen wie auch die Beratungsgesellschaft EY vertreten deshalb die Auffassung, dass bei einer Workation von ununterbrochen etwa vier Wochen „weiterhin das deutsche Recht Anwendung finden“ sollte. Allerdings bestehe „hinsichtlich Mindestarbeitsschutzvorschriften der Günstigkeitsvergleich, das heißt, es gilt die Regelung, die für den Arbeitnehmer günstiger ist“. Das kann, worauf die Kanzlei CMS hinweist, etwa landesspezifische „Arbeitsverbote, Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten“ oder gesetzliche Feiertage betreffen.
Betriebsrat nicht vergessen
Ein Aspekt, der mitunter übersehen wird, ist die Mitbestimmung des Betriebsrates. Denn laut § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG hat die Arbeitnehmervertretung bei der „Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“ ein gewichtiges Wörtchen mitzusprechen. Können sich die Parteien hier nicht einigen, kann auch die Einigungsstelle angerufen werden.
Was ist in puncto Sozialversicherung zu beachten?
In der Sozialversicherung gibt es laut den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) „zumindest im europäischen Ausland die Möglichkeit, die Zeit der Workation als Entsendung zu bestimmen“. Konkret bedeutet das, dass der Arbeitgeber einer „vorübergehenden Tätigkeit“ des jeweiligen Beschäftigten von einem Ort im Ausland zustimmt. Sofern es sich dabei um ein Land Innerhalb der EU, des europäischen Wirtschaftsraums (EWR), die Schweiz oder Großbritannien handelt, empfiehlt die Krankenkasse, eine sogenannte A1-Entsendebescheinigung zu beantragen. So wird sichergestellt, dass bei Aufenthalten „weiterhin das deutsche Sozialversicherungsrecht“ gilt.
Um bei möglichen Arbeitsunfällen auf der sicheren Seite zu sein, rät die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) Beschäftigten zudem zum Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung, „aus der sich ergibt, dass Sie auch während ihrer Arbeit im Ausland in den Betrieb Ihres Arbeitgebers eingegliedert sind und dessen Weisungsrecht in Bezug auf Ort, Zeit und Art der Tätigkeit unterliegen – wenn auch in gelockerter Form“.
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Keine Hush Trips
Dass das keine bürokratische Frömmelei ist, betont auch die Krankenkasse TK und warnt vor sogenannten Hush Trips: „Arbeitet eine Person heimlich aus dem Ausland und damit ohne A1-Bescheinigung, bestehen zum Beispiel keine Ansprüche auf Gesundheitsleistungen im Falle einer Krankheit.“ In extremen Fällen könne es zudem sein, „dass Beschäftigte ohne A1-Bescheinigung ihre Arbeit niederlegen müssen und Arbeitgeber umgehend Sozialversicherungsbeiträge im Tätigkeitsland zahlen müssen“. Auch Bußgelder wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht drohen Unternehmen. Beschäftigte ihrerseits riskieren überdies disziplinarische Maßnahmen, wenn sie unabgestimmt (länger) vom Ausland aus remote arbeiten.
Beim Unfallversicherungsschutz ist zudem eine Faustformel zu beachten, derzufolge für die Weitergeltung der Umfang der Tätigkeit im Inland aufs Jahr gerechnet bei mindestens 25 Prozent liegen muss. Laut VBG heißt das für Beschäftigte: „Bei einer normalen Fünftagewoche müssen sie durchschnittlich zwei Tage in Deutschland arbeiten, damit der deutsche gesetzliche Unfallversicherungsschutz weiter greift.“
Info
Für Workation im außereuropäischen Ausland gelten eine ganze Reihe von detaillierten Bestimmungen, die Einreise, Aufenthaltstitel, steuerliche Aspekte und Versicherungsfragen betreffen. Diese können hier aufgrund ihrer Komplexität nicht umfassend dargestellt werden. HR-Abteilungen, die mit Anfragen zu Aufenthalten in Nicht-EU-Staaten konfrontiert werden, sollten daher unbedingt Expertise einholen, um rechtliche Risiken für beide Seiten zu vermeiden.
Daten kennen keine Grenzen
Ein weiterer Aspekt betrifft das Thema Datenschutz: Dabei geht es zum einen um die technische Ausstattung, zum anderen aber auch um Awareness. Unternehmenseigene Systeme sollten beispielsweise nur über einen VPN-Tunnel, also geschützte Verbindungen aufgerufen werden. Und dass die Verwendung eines offenen W-Lans in der Bungalowanlage auf den Kanaren für dienstliche Zwecke ein absolutes No-Go ist, versteht sich von selbst.
Abgesehen davon stellt sich jedoch auch die Frage nach der Mitnahme von physischen Dokumenten. Fachleute wie Conrad S. Conrad von der Datenschutzberatung DNS raten dringend davon ab, Firmeninterna oder Bewerbungsunterlagen mit außer Landes zu nehmen. Heikel sind auch Papiere mit Inhalten, welche die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 DSGVO (etwa Gesundheitsdaten oder Angaben zu Gewerkschaftsmitgliedschaft) berühren. Überaus sinnvoll ist es zudem, auch im Ferienhaus einen abschließbaren Raum zu haben, damit Firmenlaptop und Dokumente sicher verwahrt werden können.
Den Fiskus nicht vergessen
In puncto Besteuerung ist die sog. 183-Tage-Regelung das Maß aller Dinge. Die besagt vereinfacht gesagt, dass Beschäftigte, die an mehr als 183 Tagen im Jahr – also mehr als 50 Prozent ihrer regulären Arbeitszeit – im Ausland tätig sind, im Workation-Gastland steuerpflichtig werden.
Die Wirtschaftskanzlei Görg weist zudem auf einen weiteren Aspekt hin, den HR berücksichtigen sollte: „Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern ermöglichen, aus dem Ausland zu arbeiten, laufen gegebenenfalls Gefahr, eine ausländische Betriebsstätte zu begründen. Dies hätte zur Folge, dass das Unternehmen seine Einkünfte sowohl in Deutschland als auch im ausländischen Staat versteuern muss.“ Wo hier die Grenze liegt, sei je nach Land unterschiedlich.
Was bringt Workation für Unternehmen?
Aus Unternehmenssicht kann Workation ein Instrument sein, um die Mitarbeiterzufriedenheit und die Motivation von Beschäftigten zu erhöhen. Zudem empfinden manche Beschäftigte die Kombination aus ‘Tapetenwechsel‘ und Arbeit als bereichernd. Oft wird auch die Mitarbeiterbindung ins Feld geführt, da Arbeitnehmende die Chance für die Verzahnung von Urlaub und Job als Vertrauensbeweis empfinden. Die Stepstone Group sieht zudem mögliche Vorteile beim Employer Branding: Workation könne demnach „ein entscheidender Vorteil im Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter sein”.
Und wo ist der Haken?
Doch nicht jede und jeder ist Fan der Workation: Kritische Stimmen bemängeln an dem Konzept vor allem zweierlei, nämlich Entgrenzungsgefahren und Fairnessdefizite: So gibt die AOK etwa zu bedenken, dass bei einer Workation die Gefahr bestehe, „dass Arbeit und Freizeit zu stark verschmelzen und es keine klaren Erholungszeiten gibt“. Um das zu vermeiden, seien genaue „Absprachen und Arbeitszeitregelungen“ hilfreich.
Eine Mitarbeiterin aus dem Marketing des Kosmetikherstellers Beierdorf in Hamburg, Jana Assenmacher, pflichtet dem auf der Plattform Linkedin bei und schreibt (übersetzt): „Ich versuchte, Arbeit und Urlaub zu kombinieren, in der Hoffnung, das Beste aus beiden Welten zu bekommen: Bis zum frühen Nachmittag arbeiten, früh Feierabend machen und ein fremdes Land genießen.“ Die Realität sei jedoch eine andere gewesen: „Ich konnte nicht richtig abschalten und den Urlaub genießen, und es war mir unangenehm, den Tag früher zu beenden, obwohl noch so viel zu tun war. Statt mich ausgeglichen zu fühlen, hatte ich das Gefühl, beides nur halb zu machen: nicht richtig zu arbeiten, nicht richtig Urlaub zu machen.“
Wenngleich das nicht für alle Workationeers gilt, sollte HR einen weiteren Aspekt beachten: Viele Job-Profile sind für eine Arbeit von extern angesichts von Anwesenheitspflichten vor Ort nicht geeignet, es bedarf daher auch einer Portion Fingerspitzengefühl bei der Genehmigung, um Neiddebatten in der Belegschaft zu vermeiden.
Als Fazit mag ein Statement dienen, dass Gernot Brenscheidt, Mitglied im Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) gegenüber dem Fernsehsender ZDF abgab: „Eine Workation funktioniert nur, wenn Arbeitnehmende verantwortungsvoll sind und auch die Interessen der Arbeitgebenden bewahrt werden.“
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

