Zwischen März und Mai kommenden Frühjahrs finden vielerorts die turnusgemäßen Betriebsratswahlen statt. Allerdings lohnt es sich schon jetzt, mit der Materie zu beschäftigen – auch für Personalabteilungen. Denn auf HR kommen Mitwirkungspflichten und Anfragen zu.
Organisator der Betriebsratswahlen ist der Wahlvorstand, der vom scheidenden Betriebsrat gegen Ende seiner Amtszeit bestellt werden muss. Die Frist dafür richtet sich nach der Größe des jeweiligen Betriebes:
- Im normalen Wahlverfahren, das für Betriebe mit in der Regel mindestens 101 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gilt, muss der Betriebsrat spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand bestellen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
- Im sogenannten vereinfachten einstufigen Wahlverfahren, das bei in der Regel 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Anwendung findet, beträgt die Frist vier Wochen (§ 17a Nr. 1 BetrVG).
Die Rolle von HR bei der Wahl
Zentraler Ansprechpartner des Wahlvorstands ist vor der Wahl die zuständige Personalabteilung. HR muss dem Gremium dabei vor allem die zur Vorbereitung des Urnengangs erforderlichen Auskünfte zur Verfügung stellen. Das gilt speziell für Auskünfte zur Erstellung der Wählerliste.
Praxistipp: Müssen Mitglieder des Wahlvorstands aus betriebsbedingten Gründen ihre Aufgaben außerhalb der üblichen Arbeitszeit durchführen, haben sie unter Umständen Anspruch auf Freizeitausgleich oder Mehrarbeitsvergütung. Zudem genießen sie einen besonderen Kündigungsschutz (§ 15 KSchG). Dieser beginnt mit der Bestellung des Wahlvorstands und gilt bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.
Die (leidigen) Kosten
Laut § 20 Abs. 3 BetrVG haben Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl zu tragen. Das beinhaltet alle bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahl entstehenden Kosten, sofern diese für einen ordnungsgemäßen Verlauf auch erforderlich sind.
Abgesehen von der Arbeitsfreistellung von Wahlvorstandsmitgliedern (ohne Abzüge) sind das neben
- Kosten für die Anschaffung von Sach- und Hilfsmitteln zur Wahl (Wahlurne, Wahlkabine, Wählerlisten, Stimmzettel, Büromaterial, Briefwahl-Porto et cetera),
- Kosten für aktuelle Gesetzestexte und Fachliteratur zum Thema Betriebsratswahlen und
- Portokosten für die Briefwahl und anderes
auch die Ausgaben für etwaige Schulungen von Wahlvorstandsmitgliedern.
Diesen Anspruch hat das Bundesarbeitsgericht bereits vor Jahrzehnten im Grundsatz bestätigt und klargestellt, dass „regelmäßig auch die Unterweisung in die Tätigkeit eines Wahlvorstands“ zur „Betätigung“ des Gremiums zählt (BAG, Urteil vom 5. März 1974, Az. 1 AZR 50/73). Zudem könne die Notwendigkeit einer Schulung – zumindest bei einem erstmals bestellten Wahlvorstandsmitglied – „auch ohne nähere Darlegung des Fehlens ausreichender Kenntnisse der Wahlvorschriften als erforderlich angesehen werden“ (BAG, Urteil vom 7. Juni 1984, Az. 6 AZR 3/82).
Grundlagen und Grenzen des Schulungsanspruchs
Doch auch erfahrenere BWahlvorstandsmitglieder können unter Umständen Anspruch auf eine erneute Teilnahme an einem Seminar haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich seit der vergangenen Wahl im Betrieb gewichtige Änderungen bei gesetzlichen Vorschriften oder der Rechtsprechung ergeben haben. Eine Faustformel gibt es dabei nicht. Maßstab ist vielmehr – wie bei Schulungen des Betriebsrates – die Erforderlichkeit im konkreten Einzelfall.
Was in Betrieben nicht selten für Disput sorgt, ist die Frage, wie viele Mitglieder an den Schulungen teilnehmen können. Da das Gesetz selbst Wahlvorstände nicht eigenständig im Zusammenhang mit rollenbezogenen Bildungsveranstaltungen erwähnt, bietet hier eine Entscheidung aus Norddeutschland Aufschluss: Demnach ist „jedem stimmberechtigten Wahlvorstandsmitglied, das erstmals mit dieser Aufgabe betraut wird“, ein Anspruch auf Seminarteilnahme zuzubilligen (LAG Hamburg, Urteil vom 14. März 2012, Az. H 6 Sa 116/11, Rn. 40).
Die Formalia
Wie zumeist in kollektivrechtlichen Angelegenheiten muss auch ein Wahlvorstand zunächst einen ordnungsgemäßen Beschluss fassen, um später eine Veranstaltung zu besuchen. Dabei ist neben der Erforderlichkeit an sich auch zwingend darauf zu achten, dass der Teilnahme zum gewünschten Zeitpunkt keine „betrieblichen Notwendigkeiten“ entgegenstehen (§ 37 Abs. 6 BetrVG). Die Hürden für einen Nachweis solcher Blocker sind allerdings hoch.
Laut dem Arbeitsrechtler Prof. em. Peter Wedde ist dies etwa dann der Fall, „wenn eine für den ordnungsgemäßen Betriebsablauf unabkömmliche Vertretung nicht sichergestellt ist, wenn ein besonderer Arbeitsanfall (Saisonspitze), dessen Erledigung nicht hinausgeschoben werden kann, vorliegt oder wenn es sich um einen Notfall handelt“.
Den notwendigen Beschluss selbst muss übrigens der Wahlvorstand fällen (nicht der Betriebsrat) und dem Arbeitgeber vorab mitteilen. Bei Streitigkeiten kann der Arbeitgeber im Bedarfsfall die Einigungsstelle anrufen. Zudem können beide Seiten, sollten die Fronten wirklich festgefahren sein, als Ultima Ratio vor Gericht gehen.
Zankapfel Präsenz-Seminar: Darf’s auch online sein?
Wegen der dabei entstehenden Reise-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten, die zusätzlich zu den Seminargebühren anfallen, sind Präsenz-Seminare manchen Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Allerdings müssen sich Betriebsräte und Wahlvorstände nicht ohne Weiteres auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung verweisen lassen. Vielmehr haben sie laut Bundesarbeitsgericht „einen Beurteilungsspielraum, der sich grundsätzlich auch auf das Schulungsformat erstreckt“ (BAG, Beschluss vom 7. Februar 2024, Az. 7 ABR 8/23). Die Kosten sind dabei nicht der Maßstab.
Entschieden sich Arbeitnehmervertreter und -vertreterinnen für eine klassische Schulung sei das entsprechend, sofern diese erforderlich ist, nicht zu beanstanden. Hinzu komme, dass in vielen Fällen „eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver ist als eine Onlineschulung“ (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24. November, Az. 8 TaBV 59/21).
Wo liegt der Benefit für das Unternehmen?
Unabhängig davon, wie die jeweilige Unternehmensleitung im Einzelfall zu Themen wie Arbeitnehmervertretung und Mitbestimmung – die ja demokratische Grundrechte sind – steht, haben Schulungen des Wahlvorstands schon rein kaufmännisch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie reduzieren das Risiko von Fehlern, die später gegebenenfalls zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen könnten, beträchtlich. Denn käme es dazu, drohen nicht nur beträchtliche Gerichtskosten. Auch die Wahl an sich muss unter Umständen komplett wiederholt werden.
Das hat auch das BAG in der oben genannten Entscheidung Anfang der Achtziger Jahre erkannt und seinerzeit geschrieben:
„Angesichts der Gefahr einer drohenden Wiederholung und dem damit verbundenen hohen Kostenrisiko für den Arbeitgeber ist eine möglichst genaue Kenntnis der Wahlvorschriften durch die Mitglieder des Wahlvorstandes erforderlich.“
Hinzukommt, dass HR mit qualifizierten Wahlvorständen und Betriebsräten wesentlich sachkundiger und bedarfsgerechter arbeiten und verhandeln kann, als das ansonsten der Fall wäre. Und das ist nicht zu unterschätzen, schließlich ist das Votum der (späteren) Arbeitnehmervertretung bei vielen Maßnahmen unabdingbar. Wenn dabei nicht über Basics gestritten werden muss und jede Seite ihre Rechte und Aufgaben kennt, beschleunigt das oftmals Verfahren und trägt – zumindest häufig – zur Reduzierung auf Kernstreitpunkte bei.
Info
Praxisnahe und aktuelle Informationen zur anstehenden Betriebsratswahl 2026 finden sich in unserem Schwesterportal Betriebsratspraxis24, das laut einem Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg eines der erforderlichen Sachmittel für Betriebsräte und Wahlvorstände sein kann.
Frank Strankmann ist Redakteur und schreibt off- und online. Seine Schwerpunkte sind die Themen Arbeitsrecht, Mitbestimmung sowie Regulatorik. Er betreut zudem verantwortlich weitere Projekte von Medienmarken der F.A.Z. Business Media GmbH.

