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Startups haftet der Ruf an, innovativer, lockerer, eben anders zu sein als schon länger bestehende Unternehmen. Dass die jungdynamischen Mitarbeiter der Gründerszene trotzdem viel arbeiten, dafür aber weniger Geld verdienen, bestätigt eine aktuelle Studie. Sie zeigt aber auch, dass weibliche Führungskräfte selbst in diesen Firmen schlechter bezahlt werden als Männer.
Der European Startup Report 2017 hat die regionalen Entwicklungen und die Arbeitsbedingungen der europäischen Gründerszene in vier Ländern unter die Lupe genommen, in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich. Für Deutschland zeigt die Untersuchung, dass sich in den letzten zwölf Monaten insgesamt 47 319 Stellenanzeigen der Gründerbranche zuordnen ließen. Mehr als jeder dritte Startup-Job (37 Prozent) wurde in Berlin geschaffen, es folgen München mit 14 Prozent und Hamburg mit sieben Prozent. Allerdings wächst der Stellenmarkt in anderen Städten inzwischen um bis zu 15 Prozent stärker als in der Hauptstadt. Außerdem konkurriert Berlin auf europäischer Ebene mit anderen Gründermetropolen, allen voran London – dort wurden im genannten Zeitraum 21 549 Startup-Jobs geschaltet – 24 Prozent mehr als in Berlin. Für den Startup-Report führte Joblift bei allen rund 32 Millionen Online-Stellenanzeigen, die in den letzten zwölf Monaten in den vier Ländern veröffentlicht wurden, eine semantische Analyse durch. Ergänzend wurde dort im September dieses Jahres eine repräsentative Online-Umfrage unter rund 500 Startup-Mitarbeitern durchgeführt.
Längere Arbeitszeiten und weniger Gehalt in Neugründungen
Deutsche Startups zahlen ihren Mitarbeitern im Schnitt ein Bruttogehalt von 41 510 Euro im Jahr. Rund ein Fünftel (22 Prozent) verdient allerdings weniger als 25 000 Euro. Das mittlere Gehalt liegt circa sieben Prozent unter dem von Statista berechneten Wert des bundesweiten Durchschnitts. Allerdings verdienen die Mitarbeiter in Neugründungen hierzulande fünf Prozent mehr als ihre Kollegen in den anderen drei Ländern. Jeder dritte Startup-Job in Deutschland wird von einem Praktikanten, Studenten oder Freelancer ausgeübt. Ein Studium wird mehr als doppelt so häufig vorausgesetzt wie eine Berufsausbildung. Nur 61 Prozent sind mit ihren Karrierechancen im Unternehmen zufrieden – im Vergleich zu den anderen Ländern der schlechteste Wert.
Mehrarbeit durch flexible Arbeitszeiten versüßt
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Angestellten in Startup-Unternehmen beträgt 45 Stunden; das sind vier Stunden und damit zehn Prozent mehr als laut Statistischem Bundesamt der gesamtdeutsche Mittelwert. Etwas mehr als die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet zwischen 40 und 49 Stunden pro Woche. Im europäischen Durschnitt arbeiten Mitarbeiter in Neugründungen 46 Stunden wöchentlich. Immerhin 90 Prozent der deutschen Jungunternehmen bieten angehenden Mitarbeitern in Stellenprofilen flexible Arbeitszeiten an. Diese sind auch die beliebteste Zusatzleistung, gefolgt von freien Getränken und Speisen (86 Prozent), Mitarbeiterveranstaltungen (78 Prozent) und ortsunabhängigem Arbeiten (65 Prozent).
Gender Pay Gap von elf Prozent in Führungspositionen
Hierzulande wird jede dritte Geschäftsführung in Startups von einer Frau besetzt, außerdem sind 79 Prozent der Personalverantwortlichen weiblich. Sobald zur Personal- auch Budgetverantwortung hinzukommt, liegt dieser Anteil nur noch bei 47 Prozent. Das ist jedoch immer noch mehr als der länderübergreifende Durchschnitt von 31 Prozent. Doch trotz des relativ hohen Frauenanteils in Führungspositionen in deutschen Startups gibt es auch dort eine geschlechtsspezifische Lohnlücke, die rund elf Prozent beträgt: Die Frauen verdienen im Mittel 40 087 Euro, ihre männlichen Kollegen kommen auf 44 309 Euro.
Deutsche Startup-Mitarbeiter klagen öfter über Sexismus
Etwa jeder fünfte befragte Angestellte in deutschen Startups (19 Prozent) sagte, dass er bereits Diskriminierung erfahren hat – mehr als in den anderen Ländern. In Deutschland sagten gut zwei Drittel (68 Prozent), bei der Diskriminierung habe es sich um Sexismus gehandelt, vor allem um sexistische Witze, die 80 Prozent der Betroffenen erlebt haben; außerdem erlebten 60 Prozent abfällige Kommentare hinsichtlich ihres Geschlechts.. 40 Prozent gaben sogar an, Opfer von nicht einvernehmlichen Körperkontakt gewesen zu sein. Insgesamt sagten 13 Prozent der Befragten aus deutschen Startups, dass sie schon einmal selbst Sexismus ausgesetzt waren. In keinem anderen der untersuchten Länder ist dieser Anteil so hoch: In Frankreich und dem Vereinigten Königreich sagten jeweils neun Prozent, von Sexismus betroffen gewesen zu sein, in den Niederlanden gaben dies sieben Prozent an.
Der vollständige Report steht > hier zum Download bereit.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.