Unternehmen mit einer leistungsorientierten Kultur galten jahrzehntelang als Benchmark für Wachstum und Innovation. Leistung ist und bleibt auch ein zentraler Erfolgsfaktor – doch wie wir sie verstehen und fördern, ist entscheidend für nachhaltigen Erfolg. Denn wird Leistung auf eine bestimmte Art und Weise definiert, kann sie direkt ins Burnout führen.
Lange Zeit war viel und harte Arbeit gleichbedeutend mit Erfolg. Doch die Arbeitswelt hat sich grundlegend verändert. In einer Zeit, in der wirtschaftliche Unsicherheiten, hohe Erwartungen und eine stetige Erreichbarkeit den Arbeitsalltag prägen, stößt dieses Modell an seine Grenzen.
Der externe Druck steigt, die Arbeitswelt wird komplexer und von allen wird verlangt, mit immer weniger Ressourcen mehr zu leisten. Diese anhaltende Belastung führt jedoch nicht zu einer Leistungssteigerung, sondern bewirkt oft das Gegenteil: Stress und Überforderung führen zum Leistungseinbruch, wodurch langfristig sowohl die Gesundheit der Mitarbeitenden als auch der Unternehmenserfolg gefährdet wird.
Die Zahlen sprechen für sich: 64 Prozent der Mitarbeitenden fühlen sich regelmäßig gestresst. Und anhaltender Stress kann zu mentalen Belastungen führen. Diese sind inzwischen der zweithäufigste Grund für Fehlzeiten. Gleichzeitig erwarten Unternehmen Spitzenleistungen. Führt die bewährte Leistungskultur in der heutigen Zeit also noch zu einer guten Performance oder ist sie in Wirklichkeit ein Produktivitätskiller?
Die Lösung? Ein Modell, das nachhaltige Leistung fördert. Der Schlüssel liegt in einer Kultur, die Mitarbeitende nicht nur fordert, sondern auch befähigt – eine Empowerment Culture!
Der Mythos von Leistung durch Überlastung
In vielen Unternehmen herrscht die Überzeugung, dass mehr und härtere Arbeit immer zu mehr Erfolg führt. Doch wer die Leistung ausschließlich über Belastung steigern will, ignoriert grundlegende Erkenntnisse aus der Leistungsforschung.
Profisportler und -sportlerinnen verbringen 80 Prozent ihrer Zeit mit Training, Regeneration und mentaler Vorbereitung – Wettkämpfe nehmen nur 20 Prozent ein. Dieses Gleichgewicht sorgt dafür, dass sie in entscheidenden Momenten ihre Höchstleistung abrufen können.
In der Arbeitswelt sieht es oft genau umgekehrt aus: Unternehmen verlangen nahezu durchgehend eine hohe Produktivität – ohne Raum für Erholung und „Training“ und wenig Unterstützung für das mentale Wohlbefinden. Diese Rechnung geht langfristig nicht auf.
Aus der neuropsychologischen Forschung wissen wir, dass Dauerstress den Cortisolspiegel erhöht, was tiefgreifende Auswirkungen auf den Körper und Geist hat. Chronisch erhöhte Cortisolwerte beeinträchtigen nicht nur kognitive Funktionen wie Konzentration, Gedächtnis und Entscheidungsfähigkeit, sondern führen auch zu erhöhter Erschöpfung, reduzierter Anpassungsfähigkeit und einem geschwächten Immunsystem. Ohne gezieltes mentales Training, regelmäßige Pausen und eine bewusste Resilienzförderung verlieren Mitarbeitende nicht nur ihre Peak-Performance, sondern riskieren ernsthafte gesundheitliche Langzeitfolgen.
Was Unternehmen vom Spitzensport lernen können
Statt Mitarbeitende dauerhaft zu überlasten, sollten Unternehmen sich an Profisportlern und -sportlerinnen orientieren. Zwei Elemente sind dabei besonders wichtig:
- Regeneration als strategisches Element: Im Sport sind Pausen nicht nur erlaubt, sondern Teil des Trainingsplans. Wer sich überlastet, kann keine Bestleistung abrufen. Dennoch gilt Erholung in vielen Unternehmen immer noch als Zeichen von Schwäche statt als strategische Maßnahme.
- Mentales Training als Erfolgsfaktor: Spitzensportler und -sportlerinnen investieren gezielt in mentales Training, weil sie wissen, dass Fokus, Resilienz und Stressmanagement genauso trainiert werden können wie unsere Muskeln. Unternehmen sollten diese Prinzipien adaptieren und Maßnahmen zur psychologischen Sicherheit, Achtsamkeit und Stressbewältigung fest in den Arbeitsalltag integrieren.
Empowerment statt Burnout – Wie HR eine resiliente Unternehmenskultur stärken kann
Für einen langfristigen Erfolg sollten Unternehmen also nicht nur auf Druck und Leistungssteigerung setzen. Vielmehr braucht es eine nachhaltige, in der Kultur verankerte Strategie. Immer mehr Unternehmen erkennen das und entwickeln ihre Unternehmenskultur daher hin zu einer Empowerment-Kultur, die Mitarbeitende befähigt, ihre eigene Resilienz zu stärken, sich effektiv zu erholen und in ihr mentales Wohlbefinden zu investieren.
- Psychologische Sicherheit schaffen
Eine psychologisch sichere Unternehmenskultur, in der über Stress, mentale Belastung und Resilienz gesprochen wird, ist essenziell. Nur, wenn das Stigma rund um mentale Gesundheit aktiv abgebaut wird, können Mitarbeitende frühzeitig Unterstützung erhalten und langfristig leistungsfähig bleiben.
Dazu gehört, dass Unternehmen gezielt Maßnahmen ergreifen, um eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen. Anonyme Feedbacksysteme, regelmäßige Check-ins und Sensibilisierungs-Trainings für Führungskräfte und Mitarbeitende sind wichtige Schritte in diese Richtung.
- Führungskräfte schulen
Im Sport sind Trainerinnen und Trainer nicht nur dazu da, zu fordern, sondern auch gezielt zu fördern. Dasselbe gilt für Führungskräfte: Sie müssen ihre Mitarbeitenden nicht nur unterstützen, sondern auch aktiv in Maßnahmen zur mentalen Gesundheit einbinden. Studien zeigen, dass die Führungskraft eine der entscheidendsten Rollen für das mentale Wohlbefinden von Mitarbeitenden spielt. Sie hat sogar einen ebenso großen Einfluss auf die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden wie deren Lebenspartner.
Führungskräfte sollten in der Lage sein, mentale Belastungen zu erkennen, gezielt Ansprechpersonen bereitzustellen und vor allem selbst einen gesunden Umgang mit Stress vorleben. HR kann sie zum Beispiel mit spezifischen Schulungen dabei unterstützen.
- Mentale Gesundheit als festen Bestandteil der Unternehmenskultur etablieren
Mentale Gesundheitsmaßnahmen sind kein Luxus und dürfen kein einmaliges HR-Projekt bleiben. Unternehmen müssen sie strukturell verankern – durch präventive Programme, Coaching-Angebote und gezielte Trainings für Mitarbeitende und Führungskräfte. Ziel muss es sein, das mentale Wohlbefinden im Team nachhaltig zu fördern und das Thema fest in der Unternehmenskultur zu verankern. Das kann in Form von digitalen Plattformen zur mentalen Gesundheitsförderung, Gruppentrainings, internen Workshops oder auch Eins-zu-eins-Sitzungen mit Expertinnen und Experten sein. Diese individuellen Unterstützungsangebote helfen Mitarbeitenden, gezielt auf ihre eigenen mentalen Herausforderungen einzugehen und Strategien für mehr Resilienz und Stressbewältigung zu entwickeln.
Fazit
Eine reine Leistungskultur, die auf Überlastung basiert, ist ein Modell der Vergangenheit. Nachhaltige Performance entsteht nicht durch ständigen Druck, sondern durch den gezielten Aufbau einer Empowerment-Kultur. Wie im Spitzensport sollten Unternehmen ihre Mitarbeitenden mit einer ausgewogenen Mischung aus Training, Regeneration und mentaler Vorbereitung unterstützen. Erfolgreiche Athletinnen und Athleten wissen, dass Erholung genauso wichtig ist wie das Training selbst – Unternehmen sollten dies ebenfalls erkennen und eine Kultur schaffen, die mentale und physische Widerstandskraft fördert. Nur so lassen sich Spitzenleistungen nachhaltig abrufen und der langfristige Erfolg sichern.
