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Geheimtipps fürs Probezeitgespräch

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Passen wir als Arbeitgeber und neuer Mitarbeitender wirklich zusammen? Das kann man nur herausfinden, indem beide Seiten sich dazu Gedanken machen und darüber in den Austausch gehen. Deshalb finden in vielen Unternehmen nach Ablauf der ersten Monate im neuen Job Probezeitgespräche statt. Das Feedbackgespräch der besonderen Art hat allerdings seine Stolperfallen, wenn sich HR, Führungskräfte und Mitarbeitende nicht über bestimmte Standards im Klaren sind. Das kann zum enttäuschenden, statt zum bestärkenden Austausch führen. Was kann HR tun, um das zu vermeiden? Wir haben bei drei Retention- und People-Experience-Expertinnen nachgefragt.

Vorbereitung nicht vergessen

Zunächst ist es wichtig, dass das Probezeitgespräch von allen Teilnehmenden ernst genommen wird und sie im Optimalfall Lust darauf haben, sagt Veronika Birkheim, Director People Experience beim Softwareentwickler aurebus consulting. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass das Gespräch ins Nichts verläuft und beim Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin ein Gefühl von mangelnder Wertschätzung entsteht. Um alle Beteiligte für das Gespräch zu motivieren, kann es laut Birkheim hilfreich sein, die Ziele des Gesprächs im Voraus klar zu kommunizieren. Ziele können etwa sein, die Frühfluktuation im Unternehmen zu reduzieren, eine passende Performance sicherzustellen und/oder den Einstellungs- sowie Onboarding-Prozess zu optimieren. So oder so sollte jedes Probezeitgespräch anstreben, Klarheit für beide Seiten sowie ein besseres Verständnis füreinander zu generieren. Direkte Maßnahmen, um eine womöglich unzufriedenstellende Situation zu verbessern, sollten zudem Folgen des Gesprächs sein.

Ist die Motivation für den Austausch sichergestellt, gilt es für HR, mögliche Unsicherheiten aufseiten der Führungskraft, aber auch des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin zu reduzieren. Das kann laut Birkheim durch ein gutes Briefing gelingen sowie durch ein strukturiertes Vorgehen im gesamten Prozess des Probezeitgesprächs. Zunächst sollte HR an alle von Beginn an kommunizieren, wie viele Probezeitgespräche es wann in etwa gibt. In ihrem Unternehmen finden zwei statt. Eins nach drei Monaten und eins kurz vor dem Ende der Probezeit. Die EX-Expertin empfiehlt zudem, vorab eine Agenda inklusive Fragebogen, Ablauf und Review fürs Probezeitgespräch an alle Teilnehmenden zu schicken sowie die Information, dass die wichtigsten Gesprächspunkte dokumentiert werden. Dadurch wissen alle Beteiligten eher, was auf sie zukommt und sie können sich besser vorbereiten.

Welche Fragen stehen im Fokus?

Der Fragebogen dient als Orientierung, doch er muss laut Birkheim nicht akribisch eingehalten werden. Das sieht auch Linh Grethe so. Die HR-Beraterin und Gründerin von HR Collective, sagt: „Must-haves für ein Probezeitgespräch sind stark von der individuellen Situation abhängig und können je nach Unternehmen, Position und den persönlichen Zielen variieren.“ Dennoch gebe es einige Punkte, die in den meisten Fällen für das Probezeitgespräch von hoher Relevanz sind. Laut Grethe sollten beim Probezeitgespräch folgende Punkte unbedingt angesprochen werden:

  • Welche Erfolge konnte der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bereits erzielen?
  • Gab es Schwierigkeiten und wie wurden diese gemeistert?
  • Welches Feedback hat der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin erhalten?
  • Welche Ziele hat der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin für die Zukunft?
  • Gibt es noch offene Fragen oder Unsicherheiten?
  • Funktioniert die Kommunikation mit Kollegen und Kolleginnen sowie Vorgesetzten?

Zusammengefasst sollten laut Grethe Leistung, Passung und Entwicklungspotenzial besprochen werden. Veronika Birkheim fragt bei sich im Unternehmen zusätzlich noch danach, wie Recruiting und Onboarding wahrgenommen wurden und wo es diesbezüglich Verbesserungspotenzial gibt.

Lisa Kurzenberger, selbstständige Coachin und Personalentwicklerin, wählt einen etwas anderen Ansatz beim Inhalt der Probezeitgespräche. „Meine Standards für den Austausch sind Stärkenorientierung, Reflexion und Wertschätzung“, sagt sie. Dementsprechend sollten die Stärken der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters und die dahinterliegenden Bedürfnisse beim Gespräch betrachtet werden. Zentrale Fragen könnten dabei sein:

  • Sind die Bedürfnisse des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin erfüllt?
  • Wo hakt es vielleicht noch?
  • Wie kann ich als Führungskraft meinen Mitarbeiter oder meine Mitarbeiterin dabei unterstützen, in seine oder ihre volle Kraft zu kommen?

Die Fragen geben dem Gespräch einen Fokus, der leicht weg von (konstruktiver) Kritik geht. „Ich finde, wir sollten weg von Beurteilungen und Bewertungen kommen und hin zu einem wertschätzenden Gespräch gehen“, sagt Kurzenberger. Dabei sollte laut der Expertin dennoch gemeinsam und auf Augenhöhe erörtert werden, ob der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin am richtigen Fleck im Unternehmen ist.

Vertrauensvoll und auf Augenhöhe

Auch Linh Grethe betont, wie wichtig es ist, den richtigen „emotionalen Rahmen“ für das Probezeitgespräch zu schaffen. „Die Kombination aus Offenheit, Vertrauen und menschlichem Verständnis macht das Gespräch zum Erfolg“, sagt sie. „Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sollte das Gefühl haben, in einem geschützten Raum über die eigenen Erfahrungen sprechen zu können.“

Doch das Schaffen eines solchen Raums muss gelernt sein. Veronika Birkheim begleitet deshalb oft Führungskräfte in den ersten Feedbackgesprächen moderativ, wenn diese neu eingeführt werden. „Die Rolle des Moderators kann viel bewirken“, sagt sie. „Wir geben den wertschätzenden Ton an, erläutern die Spielregeln. Wir moderieren, haken nach, bohren tiefer, gehen ins Detail und schließen Ausschweifer als Timekeeper ab.“

Gleichzeitig sollte der Moderator oder die Moderatorin der Führungskraft (wenn nötig) on-the-job beibringen, wie man sich im Gespräch immer wieder auf jeden Menschen einzeln einstellt. Diese Fähigkeit sei nötig, denn kein Probezeitgespräch laufe gleich ab. Um Menschen, die noch nicht gelernt haben, wie sie emotional Raum für ihr Gegenüber halten und aktiv zuhören, arbeitet Birkheim bei sich im Unternehmen mit einer kommunikativen Aufteilung: Erst beantwortet die eine Partei Fragen und dann die andere. „Natürlich ist es im echten Leben fließend, aber die klaren Abschnitte geben jeder Partei die Ruhe, sich einfach auszusprechen, ohne unterbrochen zu werden oder sich möglicherweise rechtfertigen zu müssen.“

Es muss nicht immer der Konferenzraum sein

Neben dem emotionalen und inhaltlichen Rahmen können der Ort des Austausches sowie die Art der Kommunikation das Probezeitgespräch beeinflussen. Grethe und Kurzenberger empfehlen das sogenannte Walk-&-Talk-Format – ein Austausch während eines Spaziergangs. „Es hilft dabei, Vertrauen in einer lockeren Atmosphäre zu schaffen“, sagt Kurzenberger. Zudem erhöhe die körperliche Aktivität die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns, was zu einem Stressabbau und klaren Gedanken führen könne. Zudem könne der Ortswechsel – raus aus dem Betrieb – entlasten, wenn Konflikte im Arbeitsalltag und damit in der Betriebsstätte stattgefunden haben. Alternativ zum Walk & Talk könnten sich die Teilnehmenden des Probezeitgesprächs auch zum Lunch Meeting treffen.

Neben dem Ort kann auch die Art der Kommunikation variieren: Grethe schlägt vor, den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ein Storyboard als Powerpoint, Micro Board oder Video kreieren zu lassen. „Im Storyboard visualisiert er oder sie die eigene Probezeit und wohin die Reise demnächst gehen soll.“ Das rege die Kreativität an und erhöhe den Spaßfaktor. Gut für das Gespräch, denn so ist die Wahrscheinlichkeit wohl geringer, dass der Austausch unangenehm, steif und distanziert wird. Wobei auch hier gilt: Passend ist es dann, wenn sich sowohl Mitarbeiter oder Mitarbeiterin als auch Arbeitgeber damit wohlfühlen.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.