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Mittels Software die Employee Experience verbessern

Wie viel Einfluss kann eine Software auf die Employee Experience haben? (Foto: chinnarach_Adobe Stock)
Wie viel Einfluss kann eine Software auf die Employee Experience haben? (Foto: chinnarach_Adobe Stock)

Der Begriff Employee Experience tauchte nach Ansicht von Josh Bersin, einem renommierten Influencer und Kenner der HR Softwarebranche, um 2014 zum ersten Mal auf, als Design Thinking in HR einzog. In dieser Anfangszeit, so Bersin, habe man sich auf die „Moments that Matter“ im Arbeitsprozess konzentriert und prüfte, wie man diese zugunsten einer einfacheren Bedienung neu designen könnte. Dabei ging es vorwiegend um die Bereiche Onboarding, den Jobwechsel oder eine Veränderung der Position im Management.

Softwarehersteller konzipieren zurzeit ihre Software als Employee Experience Lösungen (EEX) völlig neu. Sie richten sich dabei nach den individuellen Arbeitsabläufen und Erfordernissen des Einzelnen. Die Software soll intuitiv zu bedienen sein und es soll Spaß machen, mit ihr zu arbeiten. Sowohl die Kommunikation als auch die Zusammenarbeit über verschiedene Standorte hinweg soll einfach sein.

Es geht dabei um eine Verlagerung weg von der Betonung der HR-Prozesse hin zur Employee Journey. Bei der Konzeption einer erlebnisorientierten Anwendung geht es darum, was der Anwender, der Mitarbeiter, tun will und nicht, was das System an Aktivitäten vorgibt. Es geht mehr darum, Systeme zu entwickeln, die in der Lage sind, Handlungen zu modellieren und nachzuahmen, um sie für den Benutzer zu erleichtern. Wobei aus technologischer Sicht klar „Mobile First“ das ist, was Mitarbeitende wünschen.

Die neue Generation

Zentrale Unterstützung erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch alles, was Künstliche Intelligenz und Co zu bieten haben. So wie Amazon, Google und Facebook versuchen, mit Alexa, Google Voice oder anderen sprachbasierten Tools, die Eingangstür zu ihren Technologien zu bauen, ermöglicht KI, dass die Mitarbeitererfahrung konversationell und in den Arbeitsfluss eingebettet wird. Die HR-Transaktionen finden immer noch statt – nur unsichtbar. Vorbei ist die Zeit, in der man über zig Mausklicks irgendwo in Menüs Daten eingeben und Prozesse anstoßen musste, um Arbeitsergebnisse zu erzeugen.

EEX Plattformen sind ein Werkzeug, mit dem alle Aspekte der Mitarbeitererfahrung an einem Ort stattfinden – und verwaltet werden können. Anstatt ein weiteres Stück HR-Technologie für einen bestimmten Einsatzzweck zu erwerben – eine weitere Lizenz, ein weiteres Log-in für Ihre Mitarbeiter, das im Auge behalten werden muss, und einem weiteres System, das den Mitarbeitern schmackhaft gemacht werden muss, vereinheitlicht eine Mitarbeiterlebnis-Plattform all das unter einem Dach.

Erste Lösungen dieses vielversprechenden neuen Software-Genres treten gerade in den Markt und werden die alten Softwaregenerationen Zug um Zug ablösen. Allen voran bieten bereits bekannte Anbieter wie Adobe mit Workfront, Success Factors mit HXM, Workday mit People Experience, aber auch inzwischen Facebook mit Workplace oder Staffbase, Service Now oder Bamboo HR mittlerweile veritable Varianten dieser neuen Software-Welt.

Mittels einer Software Überlastungen vorbeugen

Eine der vielleicht eindrucksvollsten Lösungen kommt von Microsoft. Das Unternehmen hat sich nach eigenen Angaben bei der Konzeption neuer Software für die Umsetzung und Implementierung des Wohlbefindens der Mitarbeiter in ihre Lösung Viva entschieden, die das Unternehmen im Februar vorstellte.

In Viva vereint sind sowohl Office365 als auch Teams und Outlook, aber auch Tools wie „Connections“, „Insights“, „Learning“ und „Topics“ mit denen das Wohlfühl-Erlebnis sichergestellt werden soll. „Mit diesem Weg in eine neue Produktkategorie haben wir uns dazu entschieden, bei der Konzeption neuer Softwarelösungen viel intensiver als bisher die Bedürfnisse und die Zufriedenheit der Mitarbeiter in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Nicole Höllebrand, Produktmanagerin Microsoft Viva. „Es geht grundsätzlich darum, bei der Entwicklung von Benutzersoftware neu darüber nachzudenken, wie Menschen ihren Arbeitsalltag erleben und was alles an Aktivitäten dazu gehört.“

Dabei ginge es nicht nur um Technologie, sondern auch um den gesamten Tagesablauf des Mitarbeiters, bis hin zu den privaten Ruhezeiten am Ende eines Arbeitstages. „Und es geht auch darum, mittels der Software Stress am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen und Überlastung vorzubeugen.“ Darüber hinaus ist sie die jeweiligen Bedürfnisse anpassbar und liefert zusätzlich Daten und Erkenntnisse, die das Engagement und die Produktivität der Mitarbeiter fördern können.


Keine Hühner im Stall

Sinn und Nutzen von Employee Experience werden indessen unterschiedlich bewertet: für die Einen geht es ausschließlich darum, dass der Mitarbeiter das Unternehmen und seine Arbeit positiv wahrnimmt. Andere wollen zwar, dass dieser sich an seinem Arbeitsplatz wohlfühlt. EEX soll dabei eher als Katalysator wirken, um die gesteckten Unternehmensziele zu erreichen.  Auf die Frage, ob es bei EEX eher um die Ziele des Unternehmens oder um die der Mitarbeiter ginge, antwortet Ariane Köhler, die Leiterin des Bereichs Talent & Rewards bei Willis Towers Watson: „Es geht um beides! Bei der EEX geht es darum was für ein Bild die Mitarbeiter von der Organisation und ihrem Arbeitsumfeld haben. Im Idealfall deckt sich dieses mit dem Bild, das die Unternehmensführung vermitteln möchte.“

Dabei gingen die Ziele des Unternehmens und der Mitarbeiter in die gleiche Richtung – beide wollten erfolgreich sein, sich entwickeln können, Innovation vorantreiben und effektiv den Alltag beschreiten, meint Köhler. Willis Towers Watson veröffentlichte kürzlich eine Studie zum von ihnen kreierten Begriff des HPEX, dem High Performance Employee Index, in der sie den Verlauf der Mitarbeitererfahrung mit der jeweiligen Leistung des Mitarbeiters korrelieren: je höher der Employee Experience Index, umso höher ist die Performance des Mitarbeiters.

Armin Trost bewertet den Ansatz der Diskussion um Employee Experience eher kritisch. Für den promovierten Psychologen, ehemaligen globalen SAP Recruiting Chef und heutigen Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Hochschule Furtwangen steht die Selbstbestimmung des Individuums im Vordergrund, im privaten wie auch im beruflichen Umfeld. Seiner Ansicht nach geht es bei Employee Experience darum, Mitarbeitende wie einen zufriedenen Kunden zu sehen – und genauso mit ihm umzugehen.

Er lehnt allerdings die Einflussnahme des Arbeitgebers im Hinblick auf eine, wie er es nennt, künstlich erzeugte Zufriedenheit der Mitarbeiter ab: „Es geht nicht um glücklich gemachte Hühner, die am besten noch goldene Eier legen sollen – um letztlich und primär den Interessen des Unternehmens zu dienen. Das ist meines Erachtens der völlig falsche Ansatz. Für das Glück des Mitarbeiters ist in den allermeisten Unternehmen heute nicht der Mitarbeiter selbst, sondern das Unternehmen verantwortlich – eine Art „Management by Babysitting“. Meines Erachtens sollte es vielmehr um den souveränen Mitarbeiter gehen, der, intrinsisch motiviert, in einem Umfeld tätig ist, das ihn anspornt, selbst zufrieden und loyal zu werden und zu sein. Lassen Sie doch zum Beispiel die Mitarbeiter ihr Umfeld und ihre Arbeitsbedingungen selbst organisieren! Das wäre schon mal ein kleiner Schritt in eine richtige Richtung!“

Fazit

HR muss Botschafter für den Einsatz dieser Technologien in der neuen Wohlfühl-Arbeitswelt werden. Als Ansprechpartner muss sich HR fit machen, denn sie muss den Mitarbeitern erklären zu können, warum das Unternehmen ein modernes Unternehmen ist, das sich mehr als bisher auf seine Mitarbeitenden konzentriert, sie fördert und ihnen mit derlei Lösungen entgegenkommt. Nach Ansicht von Nicole Höllebrand haben Personalverantwortliche mit EEX Softwarelösungen auch die Möglichkeit, Beschäftigte langfristig an das Unternehmen zu binden und sie bei ihrer persönlichen sowie beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Und zuguterletzt kann sich natürlich auch HR selbst mit den einfacher zu bedienenden Lösungen ihre Arbeit versüßen.

Ulli Pesch ist freier Journalist und schreibt regelmäßig über das Thema HR-Software in der Personalwirtschaft.