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Künftig jeder fünfte Rentner von Altersarmut betroffen

Alte Frau sitzt betrübt am Tisch mit einem Geldbehälter und wenigen Münzenund
In Zukunft werden noch mehr alte Menschen als heute mit ihrer Rente nicht auskommen. Foto: © Africa Studio/Fotolia.de

Spätestens seit den 1990er-Jahren sind unbefristete Jobs und eine langjährige Bindung an den Arbeitgeber für viele Menschen nicht mehr selbstverständlich. Mini-Jobs, unterbrochene Erwerbsbiografien durch lange Phasen der Arbeitslosigkeit sowie Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor gehören für eine steigende Zahl von Arbeitnehmern mittlerweile zum Alltag. Doch das deutsche Rentensystem ist auf diesen Wandel nicht ausreichend vorbereitet. Verschärfend kommt hinzu, dass das Rentenniveau durch die demografische
Entwicklung und rentenrechtliche Veränderungen kontinuierlich sinkt,
während die zum Ausgleich geschaffenen Instrumente der privaten
Altersvorsorge nicht flächendeckend wirken. Die Folge: Das Risiko für Altersarmut nimmt weiter zu.

Immer mehr Rentner auf Grundsicherung angewiesen

Die Prognose
zeigt, dass das Risiko der Altersarmut bis 2036 auf 20 Prozent steigen
wird; 2015 lag es bei 16 Prozent. Damit wäre zukünftig jeder fünfte
deutsche Neurentner – bei einem Renteneintritt ab 67 Jahren – von
Altersarmut bedroht. Als armutsgefährdet gelten Rentner dann, wenn ihr monatliches Netto-Einkommen unter 958 Euro liegt.
Gleichzeitig wird die Grundsicherungsquote weiter ansteigen: Sieben Prozent der Neurentner könnten
zukünftig auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, weil ihr
Einkommen nicht für den Lebensunterhalt reicht. Zum Vergleich: 2015
waren es noch 5,4 Prozent. Das sind Erkenntnisse der Studie „Entwicklung der Altersarmut bis 2036:
Trends, Risikogruppen und Politikszenarien“, die die
Wirtschaftsforschungsinstitute DIW Berlin und ZEW im Auftrag der > Bertelsmann Stiftung
durchgeführt haben. Die Untersuchung basiert auf einer Mikrosimulation
der Alterseinkommen von 2015 bis 2036. Berechnet wurde der gesamte
zukünftige Einkommensmix im Alter, bestehend aus gesetzlicher,
betrieblicher und privater Altersvorsorge auf Grundlage repräsentativer
Haushaltsdaten von etwa 30 000 Bürgern. Die Studie erfasst die
Geburtsjahrgänge zwischen 1947 bis 1969.

Alleinstehende Frauen am stärksten von Altersarmut bedroht

Das größte Risiko, von Altersarmut betroffen zu sein, haben alleinstehende Frauen, Menschen ohne Berufsausbildung/Niedrigqualifizierte und Langzeitarbeitslose. Fast jede dritte alleinstehende Neurentnerin könnte zukünftig auf Grundsicherung angewiesen sein; für sie steigt die Grundsicherungsquote zwischen 2015 und 2036 von 16 auf fast 28 Prozent. Bei Langzeitarbeitslosen steigt die Grundsicherungsquote von rund 19 auf 22 Prozent, bei Menschen ohne Berufsausbildung von zehn auf 14 Prozent. Bei der Altersarmut gibt es auch Unterschiede zwischen Ost und West: Für Rentner aus den neuen Bundesländern erhöht sich das Risiko von fünf auf elf Prozent, während die Grundsicherungsquote in den alten Bundesländern von 5,5 auf sechs Prozent steigt. Das geringste Risiko zur Altersarmut haben Menschen, die mindestens 35 Jahre in Vollzeit erwerbstätig waren; für sie beträgt die voraussichtliche Grundsicherungsquote 1,8 Prozent im Jahr 2036.

Wir brauchen Reformen für den Ruhestand: Wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht, könnte es zu einem bösen Erwachen kommen,

warnt so Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung.

Reformen müssen veränderte Rahmenbedingungen berücksichtigen

Viele der aktuell diskutieren Reformvorschläge können den Trend
steigender Altersarmut nicht umkehren. Die aktuellen Reformdebatten gingen oft an der Wirklichkeit vorbei und Diskussionen um eine Stabilisierung des Rentenniveaus würden Risikogruppen, die schon während ihrer Berufsjahre nur schlecht von ihrem Gehalt leben können, nicht weiterhelfen, sagt Christof Schiller, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. Um für eine grundlegende Trendumkehr der steigenden Altersarmut zu sorgen, müsste das Alterssicherungssystem an die neuen Rahmenbedingungen der Arbeitswelt angepasst werden, so die Studie. Reformen müssten stärker die Risikogruppen, die veränderten Erwerbsbiographien und die Situation an den Kapitalmärkten in den Blick nehmen. Das Alterssicherungssystem müsste zukunftsfester und weniger krisenanfällig gestaltet werden. Gleichzeitig gelte es, flexiblere und sichere Übergänge im Erwerbsverlauf sowie eine verbesserte Arbeitsmarktintegration für Risikogruppen zu schaffen.