Der Softwarekonzern SAP scheint sich strategisch neu auszurichten – und das wirkt sich auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden aus. Das Unternehmen hatte den Sonderurlaub für Väter sowie seine Work-from-Anywhere-Kultur in den vergangenen Monaten wieder zurückgezogen und Stellenabbauprogramme sowie eine Neuausrichtung auf KI vorgestellt. Mit dem Ergebnis: Das Vertrauen in den SAP-Vorstand ist deutlich gesunken.
Wie Ergebnisse einer geleakten Mitarbeiterbefragung (MAB) zeigen, geben 12 Prozent weniger Mitarbeitende an, dem Vorstand zu vertrauen, als noch im Vorjahr. Damit vertraut aktuell knapp die Hälfte aller Beschäftigten der Unternehmensleitung nicht (44 Prozent). In die Unternehmensstrategie vertrauen noch etwas mehr (69 Prozent, 3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr). Als „großartigen Arbeitgeber“ bezeichnen noch rund 79 Prozent SAP (zehn Prozentpunkte weniger als 2023). Medienberichten zufolge führt Personalchefin Gina Vargiu-Breuer die sinkende Zufriedenheit größtenteils auf „Restrukturierungsprogramme sowie andere Änderungen wie die Rückkehr ins Büro“ zurück. Doch diese Maßnahmen seien nötig, um „die Nummer 1 bei Unternehmensanwendungen und Marktführer bei Business-KI“ zu werden.
Welche Folgen haben die MAB-Ergebnisse?
„Es gibt Ergebnisse mit klarem Verbesserungspotenzial“, heißt es vonseiten des Unternehmens auf Nachfrage unserer Redaktion, „darunter die gesunkenen Werte für Mitarbeiterengagement und das Vertrauen in den Vorstand.“ Die Kritik der Beschäftigten nehme SAP „sehr ernst“. Man analysiere aktuell die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung im Detail und entwickle darauf basierend Maßnahmen. Der Softwarekonzern sieht sich diesbezüglich auf einem guten Weg. „Das zeigt bereits das positive Feedback bei der jüngsten Mitarbeiterversammlung.“ Was genau bei der Mitarbeiterversammlung vorgestellt wurde, wollte ein Unternehmenssprecher nicht verraten. Nur so viel: Gina Vargiu-Breuer und ihr Team schmieden aktuell eine umfangreiche People-Strategie.
Vorboten davon könnten die Entwicklungen bei SAP in der jüngsten Vergangenheit sein. Innerhalb des vergangenen Jahres ist der Softwarekonzern bezüglich einiger Arbeitsweisen überraschend zurückgerudert. Stichwort Homeoffice: Konnten SAP-Mitarbeitende vor ein paar Monaten noch (wenn möglich) komplett aus dem Homeoffice arbeiten, müssen sie nun drei Tage pro Woche ins Büro kommen. Dem Beschluss folgte teilweise große Verärgerung in der Belegschaft und im Betriebsrat. Wie Medien berichten, hätten wohl einige Mitarbeitende mit einer Kündigung gedroht, sollte die Regelung bestehen bleiben. Im Streit mit dem Betriebsrat zog SAP vor das Arbeitsgericht. Der vorläufige Kompromiss: Eine paritätisch besetzte Einigungsstelle soll entscheiden, wie viel Tage pro Woche SAP-Mitarbeitende im Homeoffice arbeiten dürfen. Bis dahin werde die derzeitige Regelung geduldet. Individuelle Vereinbarungen zwischen Mitarbeiterin oder Mitarbeiter und Führungskraft seien möglich.
Und dann war da noch das Thema Familienstartzeit: Im September 2023 hatte das Unternehmen verkündet, einen Sonderurlaub für den zweiten Elternteil einzuführen. Direkt nach der Geburt des Kindes sollten Partner oder Partnerinnen der Mutter sechs Wochen bezahlten Sonderurlaub nehmen können. Ein halbes Jahr später gab der Konzern bekannt: Die Regelung werde nun doch nicht umgesetzt. Man sei davon ausgegangen, dass die Bundesregierung – die eine ähnliche Regelung deutschlandweit einführen will, bis heute aber kein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat – die geplante Familienstartzeit realisieren würde. Ohne einen entsprechenden Gesetzesentwurf stoße man bei der Umsetzung der unternehmensinternen Familienstartzeit auf zu große Hürden.
Beide Entscheidungen – sowohl bezüglich des Homeoffices als auch der Familienstartzeit – sorgten für Überraschung in der HR-Szene. War SAP doch immer als Vorreiter in Sachen innovative Personalarbeit bekannt und ruderte nun in vergleichsweise traditionellere Arbeitsweisen zurück. Passend dazu scheint auf eine gewisse Art und Weise auch zu sein, dass Cawa Younosi, damals Personalchef von SAP-Deutschland, sein Ausscheiden aus dem Unternehmen kurz zuvor bekannt gab. Younosi stand nach außen hin für viele der Arbeitsweisen, die nun langsam aus der SAP-Welt verbannt zu scheinen werden.
Fokus auf KI: So geht SAP bei der Restrukturierung vor
Nicht zurückrudern, sondern Vorreiter möchte SAP im Bereich Künstliche Intelligenz sein. Dafür restrukturiert der Konzern gerade seine Belegschaft. KI-Expertinnen und -Experten sollen neu eingestellt werden, während Mitarbeitende, die eher noch in den „alten“ Jobfeldern des Softwarekonzerns arbeiten, zu einem Ausscheiden oder einer Weiterbildung motiviert werden sollen. Dafür plant SAP einen Stellenabbau. Es sollen bis zu 10.000 Stellen weltweit wegfallen. Betroffenen wird ein Abfindungs- und Vorruhestandsprogramm angeboten, betriebsbedingte Kündigungen sollen weitestgehend vermieden werden. Die Programme werden von der Belegschaft besser angenommen, als der Konzern dachte. Medienberichten zufolge gab es am Ende des zweiten Quartals 2024 bereits fast 3.000 Stellen weniger als im Vorjahr. Auch die Rücklagen, die der Konzern für die Programme ursprünglich zur Verfügung gestellt hatte, reichen nicht aus. Statt den geplanten 2,2 Milliarden Euro fallen für die Abfindung nun voraussichtlich 3 Milliarden an.
Mit weniger Mitarbeitenden in der Zukunft mehr bewerkstelligen? Das scheint nicht das Ziel von SAP zu sein. Die Mitarbeiterzahl solle trotz der Weggänge durch die Umschulungen und Neueinstellungen in etwa gleich bleiben und auch nach dem geplanten Ende des Stellenabbaus 2025 bei rund 107.600 Vollzeitstellen liegen. Die wirtschaftliche Situation von SAP ist derweil gut. Jüngst ist der operative Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 35 Prozent auf 1,94 Milliarden Euro gestiegen und auch die Aktie steigt dementsprechend.
Neue Feedbackkultur?
Doch die Veränderungen bei SAP hören noch nicht auf. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung verkündete SAP-Chef Christian Klein: Mitarbeitende sollen zum einen ab 2025 stärker nach Leistung und Teamfähigkeit bewertet werden. Demnach soll ihr Gehalt an neue Performance-Kriterien angepasst werden. Zum anderen soll es zukünftig eine neue Art des Miteinanders und gegenseitigen Kritisierens bei SAP geben. „Es geht mir um Offenheit, jedem Mitarbeiter zu sagen, wie er besser werden kann. Gegenseitiges Schulterklopfen bringt niemanden weiter“, wird Klein zitiert.
Doch kann die geplante und bereits gestartete Transformation die Mitarbeiterzufriedenheit und deren Vertrauen in den Vorstand langfristig steigern? Es bleibt abzuwarten, ob die genannten und bisher noch nicht beschlossenen Transformationsvorhaben von SAP den Negativtrend der vergangenen Jahre hinsichtlich der Mitarbeiterzufriedenheit brechen können. Bereits von 2022 auf 2023 war das Vertrauen in den Vorstand gesunken. Damals wegen eines im Vergleich zur Branche geringeren Anstiegs des Gehalts. Auch die damals bereits begonnenen Restrukturierungen seien ein Grund gewesen.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

