Durch die Corona-Pandemie nahm die Digitalisierung noch einmal mehr Fahrt auf: Unternehmen standen vor der Herausforderung, Veränderungsmaßnahmen meist innerhalb sehr kurzer Zeit vorzunehmen. Solchen und anderen Krisen ist gemeinsam, dass Organisationen auf neue Entwicklungen und ihre Auswirkungen zügig reagieren müssen, obwohl sie bisher noch keine oder nur geringe Erfahrungen im Umgang mit der neuen Problemstellung sammeln konnten.
In einigen Betrieben führen die Unsicherheiten zu unüberlegtem Aktionismus oder aber zu Passivität. Dabei bergen Krisen bekanntermaßen auch Chancen. Die Aufgabe der Verantwortlichen liegt darin, diese zu erkennen sowie operativ und strategisch angemessen zu reagieren, um einen Veränderungsprozess mit positiven Effekten einzuleiten.
Daher untersuchte das Westküsteninstitut für Personalmanagement Maßnahmen, die es einer Organisation ermöglichen, eine Krise nicht ausschließlich als Bedrohung, sondern ebenso als Chance für Change-Prozesse wahrzunehmen – und wie dies gelingen kann.
Ergebnisse
Zahlreiche wissenschaftliche Studien stellen heraus, dass die Reaktionen von Beschäftigten in Veränderungsprozessen als erfolgskritisch gelten und eine große Herausforderung für Geschäftsführung und HR darstellen. Ebenso wurde deutlich, dass in Krisenzeiten die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden höher ist, da diese offensichtlich notwendig ist.
Info
Forschungsfragen:
Wie kann eine Krise als Treiber für Change-Prozesse genutzt werden? Welche Maßnahmen sollten Unternehmen treffen, um die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden zu erhöhen?
Forschungsansatz:
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Westküsteninstituts für Personalmanagement (WinHR) analysierten die relevante Literatur zum Themenkomplex „Change-Management und die Rolle der Veränderungsbereitschaft“ der letzten zehn Jahre und bewerteten die wichtigsten Erkenntnisse.
Forschungsergebnisse:
Ein wichtiger Stellhebel im betrieblichen Wandel ist die Einstellung der Mitarbeitenden. Wenn Unternehmen ihnen die Notwendigkeit vermitteln und Partizipationsmöglichkeiten schaffen, kann er gelingen.
Grundsätzlich zeigen die Untersuchungen der letzten zehn Jahre, dass vor allem die individuelle Bereitschaft des Einzelnen in Neuorientierungsprozessen in den Fokus rücken sollte. Sind Personen kognitiv und emotional dazu geneigt, Veränderungen zu akzeptieren? Verfügen sie über alle Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensabsichten, die notwendig sind, um einen Wandel zu unterstützen? Die Forschung konnte zahlreiche Faktoren identifizieren, die dabei unterstützen, die dazu notwendigen Eigenschaften zu fördern. Einige lassen sich auch in kurzfristig angestoßenen krisenbedingten Change-Prozessen berücksichtigen, entsprechende Interventionsmaßnahmen können also die individuelle Bereitschaft der Beschäftigten, den Change mitzutragen, erhöhen.
Handlungsempfehlungen
Wie kann es Unternehmen gelingen, krisenbedingte Veränderungsprozesse erfolgreich bei Mitarbeitenden zu implementieren? Die exemplarischen Handlungsempfehlungen zeigen, wie Arbeitgeber agieren sollten.
- Halten Sie die Mitarbeitenden auf dem Laufenden, um Gerüchte und Ängste zu vermeiden. Forschungen zeigen positive Zusammenhänge zwischen der Kommunikation in Change-Prozessen und der Bereitschaft der Beschäftigten, sich darauf einzulassen. Sie decken auch positive Zusammenhänge zwischen Veränderungsbereitschaft, Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahmen auf. So ist das Bestreben, sich auf die neue Situation einzustellen, umso größer, je besser die relevanten Maßnahmen erklärt werden. Von Beginn an sollte daher eine offene und sorgfältige Informationsweitergabe erfolgen, um Missverständnisse zu vermeiden und der Entstehung von Gerüchten und Ängsten vorzubeugen.
- Es ist hilfreich, frühzeitig festzulegen, wann die Ziele und Maßnahmen offengelegt werden, in welcher Form und durch wen. Die Stufen des Change-Prozesses sollten in einer Kommunikationsstrategie festgehalten werden. Auf diese Weise können alle Verantwortlichen einheitlich vorgehen, , was die Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen und Fehlinformationen verringert. Zum Beispiel bieten sich Betriebsversammlungen, Infoplakate, das Intranet und Mitarbeiterrundschreiben an.
- Zeigen Sie, warum die Veränderung notwendig ist und welche Vorteile dadurch entstehen können. Mitarbeitende, die von Umstellungen betroffen sind, ändern dann ihr Handeln und Verhalten, wenn sie verstehen, dass es aufgrund der unternehmerischen Perspektiven notwendig ist. Deshalb sollte ein wesentlicher Fokus in der Kommunikation darauf liegen, diese Faktoren nachvollziehbar zu erklären.
- Beschäftigte müssen begreifen können, dass die getroffene Maßnahme des Unternehmens dazu führen soll, die Lücke zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand zu schließen. Ein Wandel kann von den Mitarbeitenden beispielsweise dann als notwendig und angemessen angesehen werden, wenn er die Arbeitsplätze sichert, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigert oder Arbeitsabläufe verbessert werden. Diese Argumente führen in der Regel dazu, dass Betroffen die Veränderung positiv bewerten und deren Nutzen höher einschätzen, als das erwartete Risiko. Daher agieren sie eher als Unterstützer neuer Prozesse, im Gegensatz zu denjenigen, die mit individuellen Verlusten rechnen.
- Krisen wie zum Beispiel die Finanzkrise von 2008 und die Corona-Pandemie führen dazu, dass die Notwendigkeit eines Wandels von Mitarbeitenden schneller erkannt wird. Die Auswirkungen der unsicheren Situation sind für sie leichter nachvollziehbar. Im Vergleich zu unternehmensintern getriebenen Veränderungen können die Beschäftigten besser einschätzen, ob die Maßnahmen angemessen sind.
- Neben der allgemeinen Kommunikationsstrategie können Feedback-Gespräche die Beschäftigten dabei unterstützen, die individuellen Folgen des Wandels positiv zu bewerten. In diesen Gesprächen sollte es den Beschäftigten möglich sein, ihre Anliegen und Bedenken bezüglich der Veränderungen offen zu äußern. Führungskräfte können wiederum durch weitere Informationen Unsicherheiten reduzieren. Außerdem sollten die konkreten individuellen Folgen für den Einzelnen, thematisiert werden.
- Die Beschäftigten sollten den Veränderungsprozess aktiv mitgestalten.
Grundsätzlich gilt, dass ein Change partizipativ oder nicht partizipativ verlaufen kann. In gelingenden Neuorientierungsprozessen ist entscheidend, wie der Einzelne die Teilhabe an der Planung und Umsetzung sowie seinen möglichen Einfluss empfindet. Die aktive Beteiligung in Entscheidungs- und Umsetzungsprozessen kann also ein Schlüssel zum Erfolgsein. Als partizipative Maßnahmen können beispielsweise Workshop-Formate oder Mitarbeiterbefragungen zum Einsatz kommen. Auch Teammeetings sind sinnvoll, da alle Personen direkt in Überlegungen und Entscheidungsfindungen einbezogen werden.
Fazit
Krisen gehen meist mit einem hohen Veränderungsdruck für Unternehmen einher. Die ausgelöste Dringlichkeit einer Veränderung führt dazu, dass Mitarbeiter durchaus anerkennen, dass ein Wandel notwendig und angemessen ist. Diese Wahrnehmung sollte zusätzlich durch eine entsprechende Kommunikationsstrategie sowie partizipative Interventionsmaßnahmen unterstützt werden. Die treibenden Führungskräfte nehmen somit eine zentrale Rolle innerhalb des Prozesses ein, da der Einbezug der Mitarbeitenden einen hohen Stellenwert einnimmt. Es gilt, die Beteiligten bewusst in diesen Veränderungsprozess miteinzubinden und das Mitspracherecht zu fördern. Mitarbeitende sollten ermutigt werden, Bedenken zu äußern. Führungskräfte können bei Bedarf Missverständnisse aufnehmen und diese aus dem Weg räumen. Mit dem Wandel verbundene Erfolgsmomente – wie beispielsweise die erfolgreiche spontane Einführung von Homeoffice aufgrund einer Pandemie – hat die positiven Erfahrungen von Veränderungen bei vielen Beschäftigten erhöht, obwohl wenig Planungszeit vorhanden war und bei vielen Bedenken bestanden.
Autor
Lisa Drescher ist Projektmanagerin im Forschungsfeld Digitalisierung – UniPort 4.0.
Esther Nauenburg ist Referentin Praxis-Lehr-Transfer am Westküsteninstitut für Personalmanagement, Projektmanagerin im Forschungsfeld Digitalisierung – UniPort 4.0.
Prof. Dr. Tim Warszta ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule Westküste und leitet das Westküsteninstitut für Personalmanagement.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.