Das alljährliche Rennen um Azubis und Ausbildungsplätze geht auf die Zielgerade, schließlich starten im August und September üblicherweise die Jahrgänge ihren Weg ins Berufsleben. Doch längst nicht alle Jugendlichen, die eine betriebliche Ausbildung machen wollen, haben eine Stelle – und auch bei weitem nicht jeder Betrieb kann bislang seine Lehrstellen besetzen. Genau 171.560 Jugendliche suchten im Mai noch nach einem Ausbildungsplatz. Auf der anderen Seite standen nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 253.600 nicht besetzte Lehrstellen.
Um noch möglichst viele Ausbildungsplätze zu vermitteln, gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten und Angeboten. Das wichtigste Stichwort, das der Zentralverband des Deutschen Handwerks (auf Nachfrage der Personalwirtschaft) sowohl den Jugendlichen wie auch den Betrieben nennt, heißt: Praktikum. „Der beste Weg zu einer Ausbildung im Handwerk ist nach wie vor das Betriebspraktikum. Gerade die Sommerferien bieten sich an, sich um einen Praktikumsplatz zu bewerben und damit den ersten Schritt für einen Ausbildungsvertrag zu machen.“ Die Ausbildungsberatung der Handwerkskammern können dabei unterstützen. Auch für die Unternehmen sei das Angebot von Praktika der beste Weg, noch Azubis zu bekommen.
Ausbildungsbetrieben, die noch auf der Suche nach Azubis sind, bieten die Handwerkskammern vielfältige Unterstützungen an. Das seien beispielsweise „Speeddatings, Makerspaces in den Innenstädten und Tage der Offenen Tür, an denen sich auch Ausbildungsbetriebe beteiligen können“.
Schulprojekte anbieten und Homepage pflegen
Der ZDH hat noch weitere Empfehlungen für Handwerksbetriebe: Schulprojekte und Posts in den sozialen Medien – beispielsweise auch von den eigenen Auszubildenden – könnten das Interesse ausbildungswilliger Jugendlicher wecken. Auf der Betriebshomepage sollte zudem eine Karriereseite mit Informationen zur Ausbildung und einer Bewerbungsmöglichkeit eingerichtet werden. Auch dazu gebe es Hilfe. So böte beispielsweise bietet die Handwerkskammer Rhein Main Fortbildungen im Online-Recruiting an.
Tipps gegen Ghosting
Jugendliche und Ausbildungsbetriebe zueinander zu bringen ist allerdings nur der erste Schritt innerhalb der Ausbildungsbeziehung. Auch danach kann noch einiges schiefgehen. Ein Trend, der zunehmend beobachtet wird, ist das so genannte „Ghosting“. Von diesem Phänomen spricht man, wenn sich zwei Parteien miteinander kommunizieren, einer der beiden aber kurzfristig ohne Entschuldigung und Erklärung von der (digitalen) Bildfläche verschwindet. In einer Online-Umfrage des Ausbildungsspezialisten u-form unter knapp 5000 Schülern, Schülerinnen und Azubis sowie 1750 Ausbildungsverantwortlichen hat erst kürzlich jeder achte Jugendliche erklärt, schon einmal vor dem Abschluss des Ausbildungsvertrags ein Ausbildungsunternehmen geghostet zu haben, weitere drei Prozent nach dem Vertragsabschluss. Mehr als die Hälfte (60 Prozent) der Ausbildungsbetriebe hat ein solches Ghosting erlebt, lautete eines der Ergebnisse der Studie „Azubi-Recruiting Trends 2024“.
Um so etwas zu vermeiden, sei es wichtig, den „Onboarding-Prozess gut zu organisieren, das heißt die Auszubildenden schon vor dem Start der Ausbildung an den Betrieb zu binden, beispielsweise durch die Einladung zu Firmenfeiern, Informationen zur Ausbildung etcetera“, rät der Zentralverband des Handwerks. Den Ausbildungsanfängerinnen und -anfängern sollten Ansprechpartner als Paten – beispielsweise erfahrenere Auszubildende oder junge Gesellinnen und Gesellen – an die Seite gestellt werden. „Entscheidend ist auch ein regelmäßiges Feedback zur Ausbildung. Ausbildungsfremde Tätigkeiten oder ein abwertender Umgangston können dagegen eher zum Ausbildungsabbruch führen. Der ZDH hat dazu auch Empfehlungen für Betriebe entwickelt.
Info
Last-Minute-Aktionen
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Ausbildungsbetriebe und Jugendliche, auch kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres noch zueinander zu finden. Hier sind einige Beispiele:
- Köln: Last-Minute-Ausbildungsmesse am 8. Juli
- Freiburg: Outdoor-Last-Minute-Lehrstellenbörse am 19. Juli 2024
- Hannover: Last-Minute-Date Ausbildungsplatz am 8. August
- Kerpen: Last-Minute Ausbildungsbörse am 22. August
- Frankfurt a. M.: Azubi-Speed-Dating, 19. September
Überblick zur Ausbildungslage
Immerhin: Die die Zahl der Ausbildungsplätze seit längerer Zeit weitgehend stabil, besagen die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. Vor gut zehn Jahren, im Mai 2014, boten die Unternehmen 460.940 Lehrstellen an. Im Mai 2024 waren es 468.780 Stellen, vier Prozent weniger als im Vorjahr. Ausreißer nach oben war insbesondere das Vor-Corona-Jahr 2019 mit einem Boom von mehr als 512.000 angebotenen Ausbildungsplätzen.
Auf Bewerberseite schien es dagegen jahrelang nur eine Entwicklungsrichtung zu geben: abwärts. Innerhalb von zehn Jahren ging die Bewerbermenge von 473.000 (2014) auf 355.000 (2023) zurück –Umgerechnet kamen damit 2014 noch 103 Bewerber auf 100 Lehrstellen, 2022 nur noch 74. Doch der Trend ist offenbar gebrochen – in diesem Frühjahr bewarben sich im Schnitt 78 Jugendliche auf 100 Ausbildungsplätze, was ein Plus von zwei Prozent zu Vorjahr ist.
Geografisch gibt es allerdings riesige Unterschiede in der Relation zwischen Ausbildungsplatz- und Bewerberzahl. Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben ein enormes Bewerberproblem: Dort kommen zwischen 56 und 64 Bewerberinnen und Bewerber auf 100 Ausbildungsplätze. Am anderen Ende der Skala ist Berlin, wo auf hundert Lehrstellen 121 Jugendliche kommen, die gerne eine Ausbildung machen möchten. Die übrigen Bundesländer liegen zwischen diesen Extremen.
Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.

