Unsere Zusammenschau der „Business-Bücher des Jahres“ steht unter dem Motto „Neue Perspektiven, neue Wege“. In Teil drei ist die Innensicht gefragt: Gibt es so etwas wie Glück im Job – und wenn ja, wie komme ich da hin? Wie gelingt eine zufriedenstellende Karriere, die auch der persönlichen Entfaltung Raum gibt? Denn das wünschen sich immer mehr – nicht nur junge – Mitarbeitende: im Job als Mensch gesehen zu werden, emotional sein zu dürfen und trotzdem vorwärts zu kommen.
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Grundsätzliches zur Auswahl der Titel und zum Motto lesen Sie hier.
Unsere Top-5-Lesetipps aus dem Bereich „Persönliche und berufliche Entwicklung“:
4000 Wochen. Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement. Oliver Burkeman, Piper, 304 Seiten, 22,00 Euro
Diese Buchempfehlungen kurz vor Weihnachten verfolgen nicht zuletzt zwei Ziele: Unserer geneigten Leserschaft Tipps für gute Last-Minute-Präsente zugeben. Und Ideen für die eigene Leseliste für die Schmökerzeit „zwischen den Jahren“ zu finden. Für letzteres Vorhaben ist dieses Buch in bester Manier geeignet.
Burkeman knüpft seine Gedanken rund um die Erkenntnis, dass unsere Lebenszeit auf dieser Erde etwa 4000 Wochen beträgt – für den Fall, dass wir 80 Jahre alt werden (und das wäre für einen deutschen Mann, wie den Autoren dieser Zeilen, tatsächlich schon überdurchschnittlich). Die Zeit, die uns bleibt, ist also knapp. Doch führe unser weit verbreiteter Reflex im Angesicht dieser Erkenntnis – Zeit zu sparen und zu managen, mehr To-dos auf immer längere Listen zu packen – geradewegs ins Unglück: Wer immer mehr erledigen kann, will auch mehr erledigt wissen. Und wird mit immer weniger fertig.
Nun ist Burkeman nicht der Erste, der zu diesen Einsichten kommt und auch nicht der Erste, der sich ihnen effizienzkritisch-feuilletonistisch nähert. Tom Hodgkinsons Anstiftungen zum Müßiggang etwa waren (wenn auch etwas rotziger, subversiver) nicht unähnlich angelegt und fanden schon vor zehn, fünfzehn Jahren eine begeisterte Leserschaft. Trotzdem ist Burkemans Werk uneingeschränkt zu empfehlen. Es lebt von einem breiten inhaltlichen Panorama, gut aufgebauter und durchgehaltener Argumentation und großer sprachlicher Eleganz, die Heide Lutosch und Henning Dedekind gekonnt ins Deutsche übertragen haben: Es macht einfach Freude, dieses Buch zu lesen.
Und dann finden sich am Ende dieses eigentlich überhaupt nicht als Ratgeber daherkommenden Buchs noch fünf Fragen und zehn Tipps, die es in sich haben. Vor allem aus den Fragen kann die Einzelne, der Einzelne, eine Menge mitnehmen. Wer sie sich aufrichtig stellt, wird zu Antworten gelangen, die vorwärts führen.
Wer sich dann noch weiter selbst erforschen will, greife sinnvollerweise ergänzend zu Michael Kurths ebenfalls sehr gelungenen „199 Fragen an dich selbst“, das Sie auf der Lonlist weiter unten finden. Max Frischs legendärer „Fragebogen“ hingegen ist die letztmögliche Ausbaustufe der Selbstbefragung: Anwendung nur auf eigene Gefahr; wie die Currywurst, vor deren Schärfe in der Karte mit drei illustrierten Chilischoten gewarnt wird.
Doch auch wer nur ein wenig den eigenen Horizont gedanklich absuchen will, nehme Burkemans Buch auf den eigenen Nachttisch oder schenke ihn der Rennmaus im Hamsterrad nebenan zum Weihnachtsfest.
Der Rückblick als Podcast:
MitGefühl. Warum Emotionen im Job unverzichtbar sind. Magdalena Rogl, EMF Verlag, 256 Seiten, 18 Euro
In den vergangenen zwei Jahren hat ein Thema die Arbeitswelt erobert: Der Umgang mit persönlichen Gefühlen, Dispositionen und Diagnosen ist offener, transparenter geworden. Emotionalität, lange aus dem beruflichen Kontext verdrängt, hält Einzug. Mit Magdalena Rogl hat nun eine populäre Stimme ein Werk zum Thema emotionale Intelligenz vorgelegt.
Selbstmitgefühl schlägt Selbstdisziplin – so ließe sich die Argumentation vielleicht drastisch verknappen: Wer sich selbst gegenüber nachgiebig, offen und empathisch ist, der lässt auch anderen Menschen den nötigen Raum dazu; wer hingegen hart mit sich selbst ins Gericht geht, wird auch seiner Umwelt gegenüber unnachgiebig sein.
Magdalena Rogl greift ein hochaktuelles Thema auf, eines, das vor allem für jüngere Mitarbeitende inzwischen längst mehr ist als ein Hygienefaktor. Die Keywords der Linkedin-Bubble jongliert Rogl gekonnt: Neurodiversität, Imposter-Gefühle, Negativitätsverzerrung, Oversharing, Gender Bias … Hiermit erst einmal nichts anfangen zu können, ist schon okay. Es wie alle früheren Führungsgenerationen im Sound eines Ex-Kanzlers als „Gedöns“ abzutun, ist nicht okay. Deshalb ist Rogls Buch umso relevanter für Führungspersonen und HR-Profis, die sich aufgrund anderer Sozialisation, anderer Werte, erst einarbeiten – einfühlen – müssen. Ein Buch am Zahn der Zeit.
Besser fühlen. Das Workbook. Entdecke dich und die Geheimnisse deiner Gefühlswelten. Leon Windscheid, Rowohlt, 320 Seiten, 28,00 Euro
Apropos Fühlen, und apropos Einarbeiten: Für diejenigen Leserinnen und Leser, die nach der Lektüre von Magdalena Rogls Appell zur Emotion tiefer ins eigene Leben und Erleben eintauchen möchten, hat Leon Windscheid das ideale Arbeitsbuch vorgelegt. Es folgt auf seinen Bestseller „Besser Fühlen“, der den Psychologen und Wirtschaftswissenschaftler 2021 noch bekannter gemacht hat als ohnehin schon. Windscheid, Jahrgang 1988, hat nach einem 1,0-Abi zügig studiert, bei Günther Jauch 2015 eine Million abgeräumt und ist seitdem als Event-Unternehmer, Autor, Podcaster und Bühnenmensch unterwegs. Windscheid ist ein gewinnender Typ, ein Kommunikationstalent, ein belesener Macher.
Belesen und ein wenig besessen. Immer in Bewegung, ständig in Aktion. Windscheid hat sich bereits mit „Besser Fühlen“ auf „Eine Reise zur Gelassenheit“ begeben. Mit dem nun sicher nicht zufällig pünktlich zu Weihnachten erschienenen Workbook macht er die Erforschung eigener Gefühlswelten für die Lesenden praktisch greif- und umsetzbar.
Windscheid ist, gemeinsam mit dem Rowohlt-Verlag, ein besonders aufwändig und ansprechend aufgemachtes Arbeitsbuch geglückt. Leineneinband mit Goldprägung und Lesebändchen, vollfarbig matt gedruckt, haptisch hochwertig – und inhaltlich randvoll. Ein tolles Geschenk zum Jahreswechsel, auch für sich selbst.
Ein kleiner Teil am Ende des Buchs dient dem oder der Lesenden als Gefühlstagebuch für 30 Tage. Das ist sicher hilfreich, um Achtsamkeit und emotionale Offenheit im Alltag zu verstetigen. Wer hier noch regelmäßiger „dranbleiben“ möchte, findet – kleiner Tipp am Rande – in dem von Stephanie Weidner in drei thematischen Varianten sinn- und liebevoll aufgelegten Arbeitskalender „Positive Tage“ sicher eine gute Möglichkeit, im neuen Jahr 365 Tage lang an der eigenen Empfindsamkeit als Ressource zu arbeiten (siehe Longlist).
Life-Design-Actionbook. Kreativität, Neugierde und Initiative kultivieren. Vom Denken ins Handeln kommen, um die Zukunft proaktiv zu gestalten. Sebastian Kernbach und Martin J. Eppler, Schäffer-Poeschel, 257 Seiten, 29,95 Euro
Auch Sebastian Kernbach und Martin J. Eppler legten 2022 ein Arbeitsbuch als Ergänzung zu ihrem 2020 erschienen Titel „Life Design“ vor; auch Ihnen ist der Transfer gelungen. Das Buch führt die Leserschaft von der praxisorientierten Theorie hin zur theoriegestützten Praxis. Poppig-peppig aufgemacht und methodisch gut gefüllt, lädt es ab Seite 1 zur aktiven Mitarbeit ein.
Als „Actionbook“ hat das Werk ein ganz klares Ziel: Es will den Lesenden durch das oft (zu) tiefe Tal der Umsetzung helfen. Prokrastination und innerer Schweinehund halten viele Veränderungswillige unterwegs auf. Das St. Galler Professorenduo hat Techniken aus dem Design Thinking auf Fragen der Lebens- und Karriereplanung übertragen. Nachdem das Erstwerk „Life Design“ hierfür die inhaltlichen Grundlagen legte, liefert das „Actionbook“ nun die Handreichung für die Praxis.
Kernbach und Eppler wissen, warum: Über 3000 Workshopteilnehmende hatten ihnen rückgemeldet, dass sie besondere Ideen und Methoden auf dem steinigen Weg vom Wort zur Tat brauchen. Und die beiden Autoren haben geliefert: 30-Tage-Challenge, 90-Tage-Programm und über 60 – auch digital ergänzende – Vorlagen zum Arbeiten. Wenn’s also mal wieder hakt bei der Umsetzung: Mit Kernbach und Eppler wäre das nicht passiert.
„Eines Tages werden sie sehen, wie gut ich bin!“. Wie Karrieremythen Ihren Erfolg blockieren und Sie dennoch weiterkommen. Dorothea Assig und Dorothee Echter, Ariston, 224 Seiten, 20 Euro
Dorothea Assig und Dorothee Echter gehören zu den populärsten Karriereberaterinnen des Landes. Neben ihrer Tätigkeit als Coaches und Beraterinnen für Managerinnen und Manager sind sie publizistisch aktiv – als Kolumnistinnen und Buchautorinnen. Ihr 2019 erschienener Titel „Ambition“ zeigte, warum manche Karrieren im Mittelmanagement versanden und andere voll durchstarten. Nun legen sie nach.
Die Struktur des Buchs ist einfach: Die Autorinnen nehmen sich neun populäre Karrieremythen vor, beschreiben und dechiffrieren sie. Ihre These: Mythen zu pflegen, nimmt uns die Verantwortung für das eigene Wirken. Wir machen uns, so könnte man überspitzen, zum Opfer des Mythos („Große Leistung wird gesehen und belohnt“; „Karriereplanung ist Sache des Unternehmens“, etcetra), geben uns ihm hin. Indem wir die Mythen jedoch benennen und bearbeiten, liegt die Verantwortung wieder bei uns, wir werden zum Handelnden.
Dieses Buch ist also eine gute, aktuelle Ressource für alle, die im relativ klassischen Sinne „Karriere machen“ – das heißt: im Organigramm möglichst „hoch hinaus“ – wollen. Und doch ist es bezeichnend für die aktuellen Diskussionen rund um Disengagement und Kündigungstendenz, dass es mit einem mehrseitigen Kapitel unter der Überschrift „Warum Karriere machen?“ endet. Der möglichst rasche, möglichst weite Aufstieg auf der Karriereleiter – klassisch unter Inkaufnahme privater Hemmung und Einschränkung – ist für immer weniger junge Menschen das Nonplusultra. Das jedenfalls ist kein Mythos.
Longlist: Persönliche und berufliche Entwicklung
Auch die folgenden Titel haben 2022 wichtige Fragen zu Karriere, Job Crafting und Persönlichkeitsentwicklung behandelt und sind es wert, auf Nacht- und Gabentischen zu landen.
- 199 Fragen an dich selbst Michael Curse Kurth, Rowohlt, 208 Seiten, 18 Euro
- Positive Tage. Terminkalender in drei Varianten mit verschiedenen Fokusthemen der Positiven Psychologie. Stephanie Weidner, www.positive-tage.de, 160 Seiten, 19,99 Euro
- Der menschliche Faktor oder worauf es im Berufsleben ankommt. 50 verhaltensökonomische Erkenntnisse. Matthias Sutter, Hanser Fachbuch, 288 Seiten, 29,99 Euro (Unsere Rezension zum Buch.)
- Der Disrupteur. Von der Macht des Einzelnen im Unternehmen. Holger Regber, Vahlen, 205 Seiten, 24,90 Euro
- Endlich Energie im Job. Dich und Dein Team mit dem Energie-Prinzip erfolgreich stärken. Nora Nathaly Henning / Heiko Rangwich, Springer Gabler, 232 Seiten, 29,99 Euro
- Start Me Up and Keep Me Growing. Management Learnings from the Rolling Stones. Bertold Bär-Bouyssiere, Anthem Press, 170 Seiten, 24,07 Euro
- Rock Your Work. Wie du Leben und Arbeit gestaltest und Freiraum schaffst für Neues. Martin Gaedt, Tredition, 284 Seiten, 14,99 Euro
- Bahn frei für Übermorgengestalter! 25 Quick Wins für Innovatoren und Zukunftsversteher. Anne Schüller, Gabal, 216 Seiten, 24,90 Euro
- Mission Leadership. Die 10 entscheidenden Merkmale erfolgreicher C-Level-Karrieren. Peter Roos, Vahlen, 284 Seiten, 39,80 Euro
- Der Pionier in dir. Wie du Veränderungsprozesse beschleunigst und durch adaptive Intelligenz (AQ) eine moderne Führungskraft wirst. Alex T. Steffen, 183 Seiten, 19,99 Euro
Cliff Lehnen war bis März 2023 Chefredakteur der Personalwirtschaft und unter anderem spezialisiert auf die Themen Organisationsentwicklung, Unternehmenskultur, Innovations- und Veränderungsmanagement.