Aktuelle Ausgabe

Newsletter

Abonnieren

Job teilen auf Führungsebene – geht das?

Frau und Mann sitzen gemeinsam am PC
„Tatsächlich erkennen immer mehr Arbeitgeber die positiven Effekte des Job-Sharings.“ Foto: © pressmaster/Adobe Stock

Chefetagen fürchten das Durcheinander, ambitionierte Führungskräfte den
Karriere-Knick: Job-Sharing auf Top-Niveau ist in deutschen Konzernen selten anzutreffen. Dabei gibt es längst Beispiele, die den Erfolg des Teilens für beide Seiten belegen.

Seit Jahren steigt die Zahl der sogenannten Überbeschäftigten: Rund 1,4 Millionen Erwerbstätige wollen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes künftig weniger arbeiten als bisher– und das bei entsprechend geringerem Einkommen. Was liegt also näher, als Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu teilen? Zumal der Sharing-Gedanke dank AirBnB oder Uber längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

„Tatsächlich erkennen immer mehr Arbeitgeber die positiven Effekte des Job-Sharings“, erklärt Steffen Neefe, Country Manager DACH des Top Employers Institute. Das Institut zertifiziert seit 25 Jahren Unternehmen für herausragende Personalführung und -strategie. Neefe macht direkt klar, was die Vorteile sind: „Für den Angestellten liegen sie auf der Hand. Wenn sich zwei Mitarbeiter eine Stelle teilen, können sie Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen und kürzertreten, ohne das Unternehmen verlassen zu müssen.“ Infolgedessen würden Motivation und Produktivität deutlich zulegen – ein Effekt, von dem der Arbeitgeber am Ende deutlich profitiere.

Aber kann das Teilen einer Stelle auch in Führungspositionen funktionieren? Top-Sharing gilt als ein partnerschaftliches Führungskonzept mit neuen Formen der Entscheidungsfindung und damit sozusagen als Weiterentwicklung des Job-Sharing-Modells im Managementbereich. „Was in deutschen Chefetagen teilweise noch die Skeptiker auf den Plan ruft, kann in der Praxis ausgezeichnet funktionieren“, meint Steffen Neefe. „Top-Employer wie zum Beispiel British American Tobacco und SAP beweisen das seit Jahren.“

Sharing-Modell nach der Elternzeit

Bei BAT teilt sich Evelyn Funke, Senior HR Business Partner Marketing & Austria, mit ihrer Kollegin Anke Klus eine Leitungsposition im HR-Bereich. Als die beiden 2011 fast zeitgleich schwanger wurden, ergab sich das Sharing-Modell nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit fast wie von selbst.  Zwei HR-Manager-Leitungspositionen verteilen sich nun auf drei Frauen, die sich zu jeweils 80 Prozent die Führung teilen. Während Klus und Funke gemeinsam den HR-Manager-Posten für Marketing verantworten, kümmert sich Wiebke Schmidt-Buchholz um alle anderen HR-Funktionen. Übergeordnete Themen führt eine für alle je nach Kapazität und Fähigkeiten aus.

Ein Modell, das eine Reihe an Vorteilen mit sich bringt: „Zusammen arbeiten wir tatsächlich effektiver“, sagt Anke Klus. „Und das betrifft die verschiedensten Aspekte. Wir sind beispielsweise viel präsenter. Unsere Wahrnehmung im Unternehmen hat davon massiv profitiert. Nur ein Beispiel: Hat eine von uns ein krankes Kind daheim, braucht es nur ein kurzes Telefonat und die andere kann fast nahtlos übernehmen. Es gibt einfach immer einen Plan B und ganz selten müssen Termine ausfallen.“

Auch ein häufig gehörtes Gegenargument können die beiden entkräften und betonen, dass für das gegenseitige Update der Tandempartner kein besonders großer Zeitaufwand notwendig sei. „Wir haben uns von unseren Einzelbüros verabschiedet und teilen uns nun ein Büro“, erklärt Klus. „Das hat den großen Vorteil, dass man unglaublich viel schon auf einem Ohr mitbekommt. Unser Update-Gespräch dauert daher nicht mehr als ein paar Minuten.“ Und Evelyn Funke ergänzt: „Es ist viel mehr als ein reines ‚auf Stand bringen’. Nein, es ist gleichzeitig auch immer Coaching, Sparring, eine Weiterentwicklung des jeweiligen Themas und aufgrund dessen extrem wertschöpfend.“

Top-Sharing funktioniert nicht mit reinen Einzelkämpfern

Für Steffen Neefe ist das Duo daher ein sehr gutes Beispiel für funktionierendes Top-Sharing: „Wichtig für den Erfolg geteilter Führung ist, dass die Doppelspitze mit möglichst sich ergänzenden Stärken besetzt ist. So sind die beiden Führungspartner nicht nur wichtige Sparringspartner füreinander, sondern schaffen auch wertvolle Synergien und treffen entsprechend fundierte Entscheidungen.“

Dieser Chance, so Neefe, sollten sich Unternehmen nicht verschließen – zumal ganz unterschiedliche Sharing-Modelle denkbar seien. „Führungskräfte müssen sich nicht zwangsläufig zu 50 Prozent eine Stelle teilen, da kann das Verhältnis auch gerne 70:30 sein. Ebenso kann eine Seniorposition in Teilzeit auch mal mit einem Junior ergänzt werden“, meint Neefe. „Oder zwei Führungskräfte teilen sich eine Stelle, erhalten aber in den administrativen Aufgaben zusätzliche Unterstützung.“ Die Arbeitsaufteilung sei horizontal wie vertikal möglich. Klar sei aber, dass dies vom Unternehmen eine hohe Offenheit, Vertrauen und Flexibilität voraussetze.

Grundlegend wichtig für den Erfolg ist zudem, dass die Chemie zwischen den Jobsharern stimmt – und sich beide als absolute Teamspieler verstehen. „Man darf kein Einzelkämpfer sein, soll das Konstrukt erfolgreich sein. Und man muss bereit sein, Macht zu teilen“, betont Anke Klus, während Evelyn Funke meint: „Unsere Hauptantreiber sind die gleichen. Wir sind uns im ‚Was’ sehr ähnlich, im ‚Wie’ sind wir unterschiedlich, was sehr bereichernd für das Geschäft sein kann. Und darum geht es ja letztendlich.“

Software-gestützt den richtigen Top-Sharing-Partner finden

Auch Lothar Huber von SAP ist davon überzeugt, dass das Top-Sharing-Modell gewinnbringend für alle Akteure funktionieren kann – wenn sich die richtigen Partner finden: „Die größte Herausforderung für ein erfolgreiches Top-Sharing ist es, passende Führungskräfte zusammenzubringen, die harmonisch miteinander führen.“ Geeignete Tandem-Partner soll bei SAP demnächst eine Softwarelösung zusammenführen, die kurz vor der Pilotierung steht.

Die konkreten Bedingungen für das jeweilige Co-Leadership-Team klären die Beteiligten im nächsten Schritt. Hierzu hat der HR-Bereich von SAP einen Beratungsfahrplan mit Fragen vorbereitet, die die HR-Business-Partner gemeinsam mit den Tandempartnern und deren Führungskraft diskutieren: Wie lassen sich wichtige Entscheidungen treffen und Ziele vereinbaren? Dürfen sich Urlaubszeiträume überschneiden? Dank einer Reihe solcher Fragen entsteht für alle Beteiligten schnell Klarheit über die gegenseitigen Erwartungen in der konkreten Zusammenarbeit sowie der Organisation und Führung des Tandems.

Sharing stärkt Diversity

Einen weiteren wichtigen Aspekt im Zusammenhang mit Top-Sharing erkennt Huber im Thema Diversity: „Top-Sharing kann einen wertvollen Beitrag dazu leisten, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen beziehungsweise zu halten.“ Aber auch älteren Führungskräften böte das Teilen von Verantwortung die Möglichkeit, in ihrer Funktion zu verbleiben und schrittweise Aufgaben und Verantwortung abzugeben – ohne Knowhow-Verlust für das Unternehmen.

Flexibilität ist bei SAP fest in der DNA verankert. „Wir müssen in unserem Arbeitsumfeld ständig adaptieren, umwälzende Veränderungen in hoher Geschwindigkeit umsetzen“, erklärt Huber. „Was wir von unseren Mitarbeitern an Flexibilität fordern, möchten wir auch unseren Mitarbeitern bieten.“ Nicht zu unterschätzen ist dabei die positive Außenwirkung solcher Angebote. „Die individuelle Betrachtung von Mitarbeiter- und Arbeitgeberbedürfnissen zahlt sich am Ende aus“, ist Anke Klus überzeugt.