Die Skill-Lücke in Unternehmen ist kein Zukunftsproblem für HR, sie ist bereits da. Laut dem „HR Monitor 2025“ des Beratungshauses McKinsey schätzen HR-Professionals in Deutschland, dass 33 Prozent der Mitarbeitenden nicht über die erforderlichen Kompetenzen für ihre derzeitige Rolle verfügen. Hier sind vor allem Problemlösungsfähigkeiten sowie Kenntnisse bezüglich Datenanalyse und KI gemeint. Damit kann rund ein Drittel der Belegschaft seiner Arbeit nur eingeschränkt nachgehen – und das wirkt sich höchstwahrscheinlich negativ auf den Unternehmenserfolg aus.
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Der HR Monitor 2025
Für die Studie wurden gut 1.920 Unternehmen und rund 4.000 Mitarbeitende aus Europa befragt – sowie zu Vergleichszwecken aus den USA. In Deutschland nahmen rund 1.000 Menschen teil. Zudem führte McKinsey 50 Interviews mit HR-Expertinnen und -Experten durch.
Ein Problem, das es bei Einsatz einer strategischen Personalplanung nicht geben dürfte. Doch genau bei ihr gibt es in vielen HR-Abteilungen Nachholbedarf. Laut dem McKinsey-Report gaben 72 Prozent der befragten HR-Professionals in Deutschland an, dass es in ihrem Unternehmen einestrategische Personalplanung gebe. Meistens handelt es sich dabei aber – anders als von HR-Professionals gedacht – laut den Studienautorinnen und -autoren um eine operative und keine strategische Planung.
Während eine operative Personalplanung nach Definition McKinsey eine kurzfristige Personalplanung ist, um operative Anforderungen bis zu einem Jahr in die Zukunft abzudecken, schaut sich die strategische Personalplanung die nächsten drei bis fünf Jahre an. Sie prognostiziert den zukünftigen Personalbedarf basierend auf der Geschäftsstrategie sowie Szenarioplanung, um langfristig die Unternehmensziele zu erreichen.
Für die USA sieht die Situation beispielsweise folgendermaßen aus: 88 Prozent der befragten Unternehmen geben zwar an, eine strategische Personalplanung zu haben. Anschließend nach dem Planungshorizont gefragt, gaben aber nur 12 Prozent an, drei oder mehr Jahre im Voraus zu planen. – was laut McKinsey-Definition eben keine strategische Planung darstellt. Für Deutschland ist in dem Report keine Auswertung des Planungshorizonts zu finden.
Fähigkeitenanalyse wird oft nicht mit Personalplanung verknüpft
Um die Kompetenzlücke zu schließen, empfehlen die Studienautorinnen und -autoren aber nicht nur eine strategische, sondern dazu auch eine kompetenzbasierte Personalplanung. Dabei identifiziert HR kritische Fähigkeiten, sorgt dafür, dass diese entwickelt und im Unternehmen bereitgestellt werden, statt ausschließlich auf die Anzahl der Mitarbeitenden oder spezifische Jobrollen zu schauen.
Diesen Ansatz wählen nur wenige Unternehmen. Laut McKinsey verfügt die Mehrheit der Organisationen zwar über eine operative Personalplanung und eine umfassende Kompetenz-Taxonomie – mit 69 Prozent liegt Deutschland allerdings unter dem Durchschnitt der befragten Länder (77 Prozent). Doch nur 33 Prozent integrieren die Fähigkeitsdaten mit der Personalplanung. „In vielen Unternehmen laufen die Personalplanung und die Kompetenzerfassung parallel ab, ohne miteinander verknüpft zu sein“, heißt es im Report.
Schaut man sich wiederum die Kompetenztaxonomie an, so sind viele von ihnen nicht maßgeschneidert für das jeweilige Unternehmen. Denn 36 Prozent greifen auf standardisierte Modelle zurück, was von den Studienautorinnen und -autoren kritisch gesehen wird.
Tipps für die strategische Personalplanung
Wie kann eine strategische Personalplanung inklusive Kompetenztaxonomie nun aber konkret aussehen? Die McKinsey-Expertinnen und -Experten raten, benötigte Kompetenzen zu identifizieren, und dann das Recruiting sowie das Corporate Learning danach auszurichten. So sollte HR die Einstellungsanforderungen basierend auf Fähigkeiten statt starrer Berufsbezeichnungen definieren sowie Lern- und Entwicklungsprogramme gezielt den entsprechenden Kompetenzlücken anzupassen.
Sie empfehlen eine schlankere Taxonomie, die in der Regel 20 bis 30 Kernkompetenzen in maximal 10 bis 15 Jobfamilien abdecken sollte. Dies reduziere den Verwaltungsaufwand. Als Negativbeispiel nennen sie Frankreich, denn mehr als jedes dritte der französischen Unternehmen erfasst mindestens 21 Kompetenzen je Mitarbeitenden. Dies sei zu viel.
Auch sei es hilfreich, die interne Mobilität zu fördern, um so Mitarbeitende mit übertragbaren Fähigkeiten zu finden, die in eine neue, für den Unternehmenserfolg wichtigere Rolle wechseln können.
So geht SAP vor
An diesen Leitplanken scheint sich auch SAP und deren Personalvorständin Gina Vargiu-Breuer orientiert zu haben, als die neue People-Strategie des Softwarekonzerns entwickelt wurde. SAP hat es sich zum Ziel gesetzt, KI-Vorreiter zu werden. Dafür braucht es im Unternehmen neue Skills, wofür wiederum ein Teil der bestehenden Jobrollen gestrichen und neue aufgesetzt wurden. Dadurch gibt es Wachstums- und auch Stellenabbaubereiche in der Organisation. Vargiu-Breuer will SAP mit einer strategischen Personalplanung zukunftsfit machen, die auf dem Ansatz eines „Skill-led People Ecosystem“ basiert, wie sie unserer Redaktion in einem exklusiven Interview verriet. Heißt: Skills sollen zukünftig als Orientierungspunkte im Recruiting und bei der Mitarbeiterentwicklung dienen.
Dafür braucht es eine neue KI-basierte Oberfläche, an der SAP gerade arbeitet. Dort sollen Mitarbeitende ihr Skill-Profil anlegen können und das HR-Team den für SAPs Erfolg benötigten Skills-Framework eingeben. Welche Skills benötigt werden, ermittle das SAP-HR-Team mittels externer Benchmarks und 100 identifizierten „Role Owners“, die überprüfen, welche Skills in welchen Bereichen verlangt werden. Darauf basierend werden den Mitarbeitenden Angebote für Weiterentwicklungs- und Lernmöglichkeiten unterbreitet. Auch möchten Vargiu-Breuer und ihr Team Talente intern mehr verknüpfen, mehr Austausch zwischen ihnen fördern und so Jobrotationen zur neuen Norm machen.
Mercks Ansatz
Weitere Praxisansätze lassen sich im aktuellen Report der Unternehmensberatung Gartner finden. Für ihre Studie „Top Priorities for HR Leaders in 2025“ hat Gartner rund 1.400 HR-Führungskräfte in mehr als 60 Ländern befragt und kam zu ähnlichen Ergebnissen wie McKinsey. Als Positivbeispiel wurde im Studienreport Merck genannt. Demnach hat Merck den Ansatz, dass die strategische Personalplanung nicht einmal fürs ganze Unternehmen aufgesetzt und dann durchlaufen wird. Vielmehr gibt es im Unternehmen einen flexiblen Ansatz.
Das HR-Team fragt Führungskräfte in der ganzen Organisation, welche Probleme sie gerade bezüglich des Arbeitskräftepotenzials haben. Anhand dieser Informationen erörterten die HR-Professionals, wo die Personalplanung die höchste Priorität hat, weil sie sich am stärksten auf die Unternehmensziele auswirkt. Im zweiten Schritt schaute HR, ob sie die Daten, Skills und Tools haben, um das Prioritätsprojekt umzusetzen, also ob sie hier überhaupt handlungsfähig sind.
Die Gartner-Expertinnen und -Experten nennen aber auch selbst Tipps für ein erfolgreiches strategisches Personalmanagement. HR sollte sich fragen:
- Welche Ziele müssen erreicht werden?
- Welche Daten brauchen wir und inwieweit können wir damit Vorhersagen über den Personalbedarf treffen?
- Wie wollen wir identifizierte Skill-Lücken schließen – mittels Personalentwicklung oder Recruiting?
- Und wie viel HR-Personal brauchten wir für die Personalplanung und deren Umsetzung?
Sich spätestens jetzt mit der strategischen Personalplanung auseinanderzusetzen, scheint sinnvoll. Vor allem, wenn man bedenkt, dass einige HR-Expertinnen und -Experten damit rechnen, dass sie zukünftig an Bedeutung gewinnen wird – so hieß es etwa beim Report der DGFP und Bosten Consulting Group in ihrem „HR Excellence Check“.
Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.

