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Arbeitgebersiegel: Wirkungslos bei der Bewerbersuche?

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Ob „Top Company“, „Great Place to Work“ oder „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ – Arbeitgebersiegel sollen potenziellen neuen Mitarbeitenden ein Signal geben: Hier werden die Beschäftigten gut behandelt, da lohnt es sich, sich zu bewerben. Doch die Idee vom vertrauensbildenden Qualitätssiegel scheint an der Realität der Jobsuchenden vorbeizugehen.

Nicht zuletzt die kritische Berichterstattung des Spiegel hat jüngst ein wenig schmeichelhaftes Schlaglicht auf das Geschäft mit den Arbeitgebersiegeln geworfen. Eine aktuelle Umfrage des HR-Softwareanbieters HR Works, die der Personalwirtschaft exklusiv vorab vorliegt, bestätigt jetzt, dass es mit Bekanntheit und Wirkung der begehrten Labels nicht weit her ist.

Das zentrale Ergebnis: Vier von fünf Befragten (79 Prozent) gaben an, keine Arbeitgebersiegel zu kennen. Selbst bei gestützter Abfrage, also mit einer Liste der gängigsten Siegel zur Auswahl, konnte fast die Hälfte (46 Prozent) keines von ihnen identifizieren. Ein ernüchterndes Zeugnis für ein Instrument, das eigentlich Vertrauen schaffen soll. Und ein Hinweis darauf, dass die Labels im Wettbewerb um Talente oft schlicht übersehen werden.

Visuelle Staffage statt Entscheidungshilfe

Auch in Bezug auf die wahrgenommene Relevanz ist das Ergebnis aus Sicht der Unternehmen, die sich um eine solche Auszeichnung bemüht haben, wenig erfreulich: Lediglich 22 Prozent der Beschäftigten finden Arbeitgebersiegel hilfreich bei der Jobsuche. Dem gegenüber steht eine fast ebenso große Gruppe (31 Prozent), die den Labels keinerlei Bedeutung beimisst.

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Das macht die Kommunikation für Arbeitgeber nicht eben einfacher. Denn viele Unternehmen setzen auf Siegel als vermeintlich neutrales Aushängeschild für ihre Arbeitgebermarke. Doch ohne Einordnung, Kontext oder eine stimmige Gesamtkommunikation bleibt das Logo auf der Karriereseite offenbar ein einsames Zeichen ohne Wirkung. „Unternehmen sollten Arbeitgebersiegel maximal als visuelle Ergänzung verstehen – aber nicht als zentrales Kommunikationsmittel“, empfiehlt Nadine Stricker, Senior HR & Recruiting Partnerin bei HR Works.

Glaubwürdig ist anders

Neben Bekanntheit und Relevanz hakt es auch an der Glaubwürdigkeit. Nur 27 Prozent der Befragten empfinden Arbeitgebersiegel als vertrauenswürdig. Ein fast genauso großer Teil (28 Prozent) äußert explizit Zweifel. Der größte Anteil – 46 Prozent – ist unentschlossen. Noch deutlicher wird das Glaubwürdigkeitsproblem bei Akademikerinnen und Akademikern. Hier sind es lediglich 25 Prozent, die die Siegel für glaubwürdig halten, 32 Prozent denken das Gegenteil.

Interessant sind dabei die Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während immerhin ein Drittel der Männer Arbeitgebersiegel als seriös einstuft, liegt der Wert bei Frauen bei gerade einmal 21 Prozent. Das ist ein bemerkenswerter Unterschied von zwölf Prozentpunkten – und ein Hinweis darauf, dass Siegel bei weiblichen Zielgruppen offenbar besonders kritisch hinterfragt werden.

Ohne großen Namen gänzlich unbekannt

Wenn überhaupt, dann schaffen es nur wenige Siegel in das Bewusstsein der Bewerbenden – nämlich die, die einen bekannten und vertrauenswürdigen Namen hinter sich haben. Klarer Spitzenreiter ist das Siegel „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ vom TÜV Rheinland, das 32 Prozent der Befragten kennen. Auf Platz zwei folgt das kununu-Siegel „Top Company“ mit einem Wert von 25 Prozent.

Danach wird es deutlich dünner: Der „New Work Award“ von XING sowie das Linkedin-Siegel „Top Companies“ erreichen jeweils nur 15 Prozent Bekanntheit. Alle übrigen Siegel rangieren im einstelligen Prozentbereich oder bleiben komplett unter dem Radar.

Kommunikation in die falsche Richtung?

Ein Grund für die schwache Präsenz könnte im Geschäftsmodell der Siegelanbieter selbst liegen: Viele richten ihre Marketingmaßnahmen vor allem an Arbeitgeber – also jene, die für ein Siegel bezahlen sollen. Für die Kommunikation gegenüber Bewerbenden bleibt da oft nur wenig Raum. Das Ergebnis: Die Labels sind zwar auf Unternehmenswebseiten präsent, erreichen aber offenbar nicht die Zielgruppe, für die sie eigentlich gedacht sind.

Für Unternehmen und HR-Abteilungen bleibt die Erkenntnis: Arbeitgebersiegel haben in ihrer aktuellen Form nur begrenzten Einfluss auf Bewerbende. Die meisten kennen sie nicht, viele vertrauen ihnen nicht – und nur wenige lassen sich davon bei der Jobwahl beeinflussen.

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Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.