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Corona-Krise verschlechert Jobchancen für Menschen mit Behinderung

Inklusion von Menschen mit Behinderung
Menschen mit Behinderung haben ohnehin geringere Jobchancen als andere und die Corona-Krise verstärkt dies noch.
Foto: © Halfpoint-stock.adobe.com

Das Inklusionsbarometer Arbeit 2021 der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Instituts zeigt, dass in Deutschland mittlerweile acht Prozent mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos sind als vor der Corona-Krise. Für sie erholt sich die Arbeitsmarktsituation langsamer als für die restliche Erwerbsbevölkerung. Auch ist es für Menschen mit Behinderung noch schwieriger, aus einer Langzeitarbeitslosigkeit herauszukommen.

2020 zehn Prozent mehr Arbeitslose mit Behinderung als 2019

Für die Studie „Inklusionsbarometer Arbeit 2021“ wurde untersucht, wie sich die Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt auswirkt, insbesondere auf Menschen mit Behinderung. Danach waren 2020 im Jahresdurchschnitt insgesamt 2,7 Millionen Menschen hierzulande arbeitslos – eine halbe Million mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Arbeitslosen mit Behinderung erhöhte sich dabei um fast zehn Prozent von 154.696 auf 169.691. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres lag sie im Schnitt bei 174.006 und damit noch höher als 2020. Der höchste Wert wurde im Januar mit 180.047 Arbeitslosen verzeichnet. Bis Oktober 2021 ist die Zahl zwar auf 166.500 zurückgegangen (das sind rund vier Prozent weniger als im Vorjahresmonat), allerdings sind fast 13.000 (acht Prozent) mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos als im Oktober 2019, vor der Krise. Die Arbeitslosigkeit liegt damit wieder auf dem Niveau von 2016.

Da sich die Situation in den Jahren vor Corona fast stetig verbesserte, heißt das: Alle seither erreichten Fortschritte sind verloren,

sagt Prof. Dr. Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institutes.

Hauptursache: ausgebliebene Qualifizierungsmaßnahmen

Rürup äußerte sich auch dazu, worauf die erhöhte Arbeitslosigkeit zurückzuführen ist: Nur vier Prozent des krisenbedingten Anstiegs ließen sich 2020 auf Kündigungen zurückführen, rund 30 Prozent gingen auf weniger Neueinstellungen zurück. Die Hauptursachen seien ausgebliebene Qualifizierungs- oder Beschäftigungsmaßnahmen aufgrund der Einschränkungen und eine geringeren Beschäftigungsaufnahme im Anschluss an eine solche Maßnahme gewesen. Daher hätten sich weniger Menschen mit Behinderung für eine (neue) Tätigkeit qualifizieren können als 2019.

„Wir brauchen Menschen mit Behinderung, die Personalentscheidungen treffen“, forderte
EU-Parlamentarierin Katrin Langensiepen im Juni im Gespräch mit der Personalwirtschaft.

Gefahr der Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu

Menschen mit Behinderung hätten deutlich länger gegen die Negativfolgen der Krise anzukämpfen, so Rürup. Einmal arbeitslos, fänden sie der Studie nach schwerer in den Arbeitsmarkt zurück als ihre Kollegen und Kolleginnen ohne Behinderung. Das sei mit Sorge zu betrachten. Laut der Analyse steigt die Gefahr, dass noch mehr Menschen mit Behinderung in die Langzeitarbeitslosigkeit geraten. Schon 2020 waren knapp 70.000 von ihnen mindestens ein Jahr ohne Beschäftigung, davon über die Hälfte sogar länger als zwei Jahre. Im Schnitt waren Menschen mit Behinderung im letzten Jahr 328 Tage ohne Job. Die Langzeitarbeitslosigkeit sei auch unabhängig von der derzeitigen Krise ein gravierendes Problem, mahnt Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Ohne eine aktive Unterstützung seitens Wirtschaft und Politik bestünden für Menschen mit Behinderung, die schon lange arbeitsuchend sind, kaum Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Diese Menschen würden schlichtweg vergessen und durch strukturelle Barrieren auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt.

Dieser Missstand erfordert ein aktives Gegensteuern, damit die Corona-Krise nicht zu einer anhaltenden Krise der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt wird,

so Marx.

Digitale Barrierefreiheit bei Digitalisierung nicht vergessen

Um den Beschäftigungsgrad spürbar zu erhöhen, kommt der räumlichen und digitalen Barrierefreiheit laut Studie eine wichtige Rolle zu. Es sei nicht auszuschließen, dass viele Unternehmen durchaus bereit sind, neue Mitarbeitende mit einer Beeinträchtigung einzustellen, dem aber Barrieren baulicher Art oder eine fehlende moderne Computer- und Softwareausstattung entgegenstünden. Ein höheres Tempo bei der allgemeinen Digitalisierung dürfe deshalb nicht ohne eine gleichzeitige Beschleunigung der digitalen Barrierefreiheit geplant werden.

Zu den vollständigen Studienergebnissen geht es > hier.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.