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Recruiting-KPIs bei Wisag Job & Karriere: Abschied vom Bauchgefühl

 

Stefan Kramer, Geschäftsführer der Wisag Job & Karriere, berichtet über seinen Einstieg in die KPI-Welt. (Foto: Stefan Kramer)
Stefan Kramer, Geschäftsführer der Wisag Job & Karriere, berichtet über seinen Einstieg in die KPI-Welt. (Foto: Stefan Kramer)

Mit Recruiting habe ich als heutiger Geschäftsführer der Wisag Job & Karriere seit fast 20 Jahren zu tun, Bewerbermanagementsysteme (BMS) sind auch schon lange Teil meiner täglichen Arbeit. Wir rekrutieren schließlich für die Wisag im großen Stil und stellen jedes Jahr für 150 unterschiedliche Jobprofile Tausende von Vakanzen ein. Und trotzdem verließ ich mich bis vor Kurzem auch als „Heavy Recruiter“ noch auf das viel zitierte Bauchgefühl – und an Bauch mangelt es bei mir nicht. Denn mir war nicht wirklich klar, was ich mit dem Reporting und den dort aufgeführten einzelnen Zahlen anfangen sollte. Wie diese mir auf die wirklich wichtigen Fragen Antworten liefern konnten, wusste ich nicht. Ich hatte keine Ahnung, was mich eine Besetzung kosten würde, investierte mein Budget mal hier in die Jobbörse A und mal da in die Jobbörse B und konnte den Führungskräften nur vage Auskunft über zu erwartende Recruitingzeiten und -Kosten geben. Davon, die Digitalisierung im Griff zu haben, war ich weit entfernt.

Schlechte Datenlage

Der eigentliche Grund für die Misere lag in der schlechten Datenlage. Als „Heavy Recruiter“ war ich dringend auf eine unabhängige, automatisierte und vergleichbare Auswertung quer über alle Jobboards angewiesen. Stattdessen bekam ich ein Sammelsurium von Daten, die uns nicht gehörten, nur begrenzt miteinander vergleichbar waren und die wichtigsten Fragen unbeantwortet ließen.

Die Jobboards zum Beispiel liefern zwar eigene Kennzahlen, diese erheben sie aber alle auf sehr unterschiedliche Weise. Während Jobbörse A die „Application Interests pro Stellenanzeige“ in einer Zahl aggregiert – und somit die Klicks auf den Bewerbungsbutton, längeres Verweilen auf der Anzeige, Weiterleiten der Anzeige und vieles mehr zusammenfasst – , beschränkt  sich Jobbörse B auf die Klicks pro Anzeige. Am Ende gab es viele Zahlen und Key Performance Indicators (KPIs), die aber nicht miteinander vergleichbar waren. Es fehlten vor allem Daten zur qualitativen Performance von Anzeigen: Welche Anzeige liefert auf welchem Kanal in welcher Zeit brauchbare Bewerbungen? Dazu braucht das BMS eine Verbindung zu den Jobboards. Denn ohne sie, konnte ich nicht so datengetrieben arbeiten, wie ich es gerne wollte.

Analytics-Lösung mit bidirektionalen Schnittstellen

Ich begab mich also auf die Suche nach Analytics-Lösungen und kam mit Florian Behn von der HR-Analytics-Software Gohiring ins Gespräch. Ich war schon nach unserem ersten Gespräch angefixt. Gohiring nutzt bidirektionale Schnittstellen (Push-APIs), mit deren Hilfe Daten vom BMS in die Jobboards und wieder zurückverfolgt werden konnten. Genau das hatte ich gesucht, weil es mir ermöglichte, Informationen zwischen den Jobboards und dem BMS zu verknüpfen und zu analysieren. Wisag Job & Karriere wurde zum Pilotkunden für die Analytics-Software von Gohiring, unser gewohntes BMS lief als Grundlage weiter.

Wie lange brauchen wir etwa um die Position eines Elektrikers in einer bestimmten Region zu besetzen?

Daten aus dem Recruitingprozess konnten so auf demselben Weg und unter denselben Voraussetzungen gemessen und miteinander vergleichen werden – unabhängig davon, auf welchen Jobboards die Stellenanzeigen geschaltet wurden. Die Daten wurden in einem eigenen Data Warehause (zentrale Datenbank) gespeichert – natürlich datenschutzkonform. So konnten wir Daten für die Analyse von Jobgruppen, Regionen oder Boards nutzen und sie historisch auswerten. Aus der Vergangenheit ließen sich so Schlüsse über die Zukunft im Sinn von Predictive Recruiting ziehen: Wie lange brauchen wir etwa um die Position eines Elektrikers in einer bestimmten Region zu besetzen? Diese Frage konnte ich nun vorausschauend beantworten.

Kennzahlen: Die Qual der Wahl

Zudem konnte ich endlich tiefer in die Recruiting-Kennzahlen eintauchen und diese gezielt zur Verbesserung des Prozesses nutzen. Recruiting-Kennzahlen mit Zeitbezug wie „Time-to-Hire“ sind aktuell schwer in Mode. Das liegt daran, dass man mit ihrer Hilfe die Candidate Journey optimieren kann. In Engpasszielgruppen ist das ein entscheidender Vorteil. Um die Qualität eines Recruitingkanals mit Bezug auf bestimmte Zielgruppen zu beurteilen, eignet sich die „Time-to-Hire“ allerdings nicht. Hier kommen Kennzahlen mit Kostenbezug ins Spiel: die „Cost-per-Applicant (CPA)“, die „Cost-per-Hire (CpH)“ oder die „Average Cost per Hire (ACpH)“. Die „Cost-per-Applicant“ ist isoliert betrachtet nichtssagend. Wenn Sie zum Beispiel auf eine Schaltung auf Jobboard A zum Preis von 900 Euro zehn Bewerbungen bekommen, liegt die CPA bei 90 Euro. Bekommen Sie auf eine Anzeige zum selben Preis auf Jobboard B dagegen 100 Bewerbungen, sinkt die CPA auf 9 Euro. Gehen wir beispielsweise davon aus, dass die Schaltung auf beiden Kanälen jeweils drei qualifizierte Bewerbungen bringt (Menschen, die Sie einstellen könnten), so erweist sich die Vielzahl der Bewerbungen auf Jobboard B als Eigentor, weil sie Prozesskosten verursacht (Screening und Absagen für zusätzlich 90 Bewerbungen).


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Entscheidend bei den Kostenkennzahlen ist also der Faktor Qualifikation. Deswegen hat sich für mich als „goldene Kennzahl“ zum Vergleich von Jobbörsen die „Cost-per-Qualified-Applicant (CpqA)“ erwiesen. In unserem Fall liegt diese bei 300 Euro. Gerade für Großunternehmen, die häufig viele Menschen für vergleichbare Positionen einstellen, ist diese Kennzahl sehr aussagekräftig im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit eines Kanals – und nicht so sehr die „Cost-per-Hire“.

Was hat’s gebracht?

Das alles waren für mich keine Zahlenspielereien, sondern wichtige Lernschritte, um die Prozesse in dem von mir geführten Recruitingunternehmen gezielt zu optimieren. Mein Team und ich haben dank Analytics angefangen, anders zu arbeiten und unsere Anzeigen anders einzukaufen. Das können wir jetzt viel gezielter machen und unser Budget besser einsetzen. Denn wir wissen, was uns eine qualifizierte Bewerbung pro Kanal kostet. Zudem besetzen wir Positionen heute schneller und mit weniger Aufwand, weil wir gezielt passende Bewerbungen statt „Traffic“ generieren. Auch unser Standing als Recruiterinnen und Recruiter im Unternehmen hat sich deutlich verbessert. Wenn ich heute mit den Fachabteilungen zusammensitze, kann ich meine Beratung mit Zahlen hinterlegen und verlässliche Prognosen für die einzusetzenden Budgets treffen. Der Weg ins datengestützte Recruiting hat sich also gelohnt.