Seit Ende Mai ist klar: Das HR-Start-up Expertlead ist insolvent. Nun wurde bekannt gemacht, wie es mit dem Anbieter einer Freelancer-Plattform für Tech-Talente weitergeht. Mitbewerber Workgenius wird Expertlead übernehmen. Das gaben der Insolvenzverwalter der Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen und auch Workgenius gestern bekannt.
Zu dem Kaufpreis wurde nichts veröffentlicht. Der Grund der Insolvenz dahingegen wurde von BRL konkretisiert: Eine Finanzierungsrunde konnte nicht rechtzeitig abgeschlossen werden. Die letzte bekannte Finanzierungsrunde war vor knapp zwei Jahren, bei der Expertlead 9,5 Millionen Euro einsammelte.
Das insolvente Start-up konzentriert sich bei der Vermittlung von Digital-Expertinnen und -experten auf technische Schlüsselrollen wie etwa Software-Entwicklerinnen und -entwickler, Data Scientists oder Project Manager. Die Selbstständigen durchlaufen ein Interview-Verfahren, bei dem ihre technischen Fähigkeiten in einem Live-Coding-Test und einem technischen Q&A evaluiert werden. Expertlead nennt das Peer-to-peer-Screening. Gegründet wurde das Start-up im Januar 2018 aus der Start-up-Schmiede Rocket Internet heraus. Die beiden heutigen Geschäftsführer Alexander Schlomberg und Arne Hosemann hatten Expertlead damals vom Aufbauteam von Rocket Internet übernommen.
Käufer Workgenius begeistert von Screening-Technologie
Der Käufer bietet ebenfalls eine Freelancer-Plattform an, ist allerdings nicht auf IT-Talente spezialisiert und bereits seit 2012 am Markt. Neben dem Matching von Freelancern und Unternehmen dient die Plattform auch dem Management der Talente sowie der Zahlungsabwicklung. Vor fünf Jahren ist Workgenius in die USA expandiert, wo inzwischen der Stammsitz des Unternehmens ist. Über 200 Mitarbeitende arbeiten eigenen Angaben nach für den technologiebasierten Personalvermittler, der von Daniel Barke und Marlon Rosenzweig in Hamburg gegründet wurde.
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Mit der Übernahme von Expertlead beabsichtigen sie, ihre Marktposition in Europa weiter auszubauen und die bestehende Freelancer-Community zu erweitern. Die Dienstleistungen einschließlich der Screening-Technologie werden vollständig in Workgenius integriert. Die Anteile am Joint Venture Futurepath, das Expertlead gemeinsam mit Cariad, dem Software-Unternehmen des Volkswagen-Konzerns, gegründet hat, werden ebenfalls mit an Workgenius verkauft, wie uns die Kanzlei BRL mitteilte.
„Die Marke Expertlead bleibt vorerst bestehen“, äußert Käufer Daniel Barke zudem gegenüber unserer Redaktion. Erst vor anderthalb Jahren hat Expertlead sein Geschäftsmodell erweitert und vermittelt mit seiner HR-Software seit dem auch IT-Talente für Festanstellungen. Auch dies würde „als zusätzliches Angebot für unsere Kunden beibehalten“ werden, so Barke.
Die etwa 60 Mitarbeitenden sollen übernommen werden
Unter der Führung von Insolvenzverwalter Friedemann Schade und der weiteren Restrukturierungsspezialistin Fiona Schmidt, ebenfalls Rechtsanwältin bei BRL, wurde Expertlead seit Mai mit einem Team von Rechtsanwälten und Betriebswirten trotz des eingeleiteten Insolvenzverfahrens in vollem Umfang fortgeführt. Gründer Arne Hosemann wollte sich auf Nachfrage unserer Redaktion zur Insolvenz offiziell nicht äußern. Mitgründer Alexander Schlomberg sagt aber in der Workgenius-Pressemitteilung: „Mit WorkGenius haben wir einen globalen Partner, mit dem wir eine Vision teilen. Wir sind überzeugt, dass uns die Kombination aus Mensch und Technologie erlaubt, das globale Human Capital Powerhouse der Zukunft zu werden.“
Workgenius übernimmt den gesamten Geschäftsbetrieb von Expertlead, einschließlich „aller rund 60 Beschäftigten“ und auch inklusive der beiden Gründer, wie die Insolvenzverwalter von BRL schreiben. In Medienberichten und auch auf der Website von Expertlead heißt es, dort seien über 100 Mitarbeitende angestellt. Die Zahl bezieht sich laut BRL-Anwältin Schmidt neben den Festangestellten auch auf andere Beschäftigte, zum Beispiel freiberuflich tätige Mitarbeitende, und ist daher höher. „Ein paar Mitarbeitende sind im vorläufigen Insolvenzverfahren gegangen, aber nicht auffällig viele“, sagt Schmidt.
Bleibt Expertlead in Berlin?
Expertlead ist in Berlin ansässig, Workgenius in Hamburg. Für die Mitarbeitenden des übernommenen Start-ups seien Käufer Daniel Barke zufolge „beide Standorte noch im Bereich des Möglichen“. Wichtig sei vor allem, dass sie die Teams inhaltlich zusammenbringen, um den Kunden und Freelancern einen noch breiteren Service anbieten zu können.
Es ist die dritte Akquisition von Workgenius in den vergangenen 14 Monaten. Zuletzt wurden die Unternehmen JBC und Agency WorX in den USA übernommen. Der Umsatz der Workgenius Gruppe wächst dadurch auf 150 Millionen US-Dollar.
Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.

