Personalwirtschaft: Herr Wagner, als die Corona-Pandemie vor rund einem Jahr ausbrach, ist die Nachfrage nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Wirtschaft gesunken. Galt das auch für Personalerinnen und Personaler?
Florian Wagner: Grundsätzlich ja – aber eben nicht für alle. Payroll-Experten waren auf einmal gefragt wie noch nie. Recruiter hingegen, die vor Beginn der Pandemie en masse in die Unternehmen kamen, wurden für ein halbes Jahr gar nicht mehr gesucht. Insgesamt kann man aber schon sagen, dass im zweiten Quartal 2020 der Markt auf einmal kein Kandidatenmarkt mehr war – ganz im Gegenteil.
Wie sieht es heute aus?
Vom Gefühl her sind wir fast wieder auf dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie. Die Zahlen, die wir in unserem Fachkräfte-Index erheben, zeigen ebenfalls nach oben, hier werden aber nur ausgeschriebene Stellen erfasst. Und viele Stellen werden heute eben nicht mehr traditionell ausgeschrieben.
Woran liegt das?
Unter anderem an der hohen Nachfrage nach bestimmten Spezialisten. Wir suchen für unsere Kunden zum Beispiel viele Kandidatinnen und Kandidaten, die fit im Bereich IT oder Finance sind. Die erreicht man über klassische Stellenanzeigen kaum noch. In den Statistiken fehlt aber noch eine weitere große Gruppe.
Welche?
Alle die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht im Rahmen einer klassischen Festanstellung tätig sind. Das umfasst zum Einen Mitarbeitende, die im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassungen arbeiten, zum anderen all jene, die als Freelancer auf Projektbasis arbeiten.
Wie war denn die Entwicklung im Projektgeschäft?
Als es mit der Pandemie losging, wurden wenig überraschend fast alle HR-Projekte, etwa im Bereich Organisationsentwicklung, gestoppt – um sie dann im vierten Quartal wieder aufzunehmen. Gerade Digitalisierungsprojekte sind aber natürlich in den vergangenen Monaten verstärkt in Angriff genommen worden. Aber auch der Aufbau eines HR-Controllings, das in vielen Unternehmen fehlt, wird mancherorts jetzt angegangen.
Wer waren die „Verlierer“, wo hat die Nachfrage noch nicht wieder angezogen?
Der Bedarf im Bereich Employer Branding ist noch nicht so hoch wie vorher. Vermutlich spielen die derzeit nicht stattfindenden Karriere-Messen in Verbindung mit Budgetkürzungen für das Personalmarketing 2020 hier eine Rolle, vor allem aber der Fakt, dass wohl kaum jemand damit gerechnet hat, dass die Wirtschaft nach dem ersten Lockdown so schnell wieder auf die Beine gekommen ist.
Werfen wir einmal einen Blick in die Zukunft: Werden sich die Trends so fortsetzen?
Corona war für viele Themen ein Katalysator, der Wandel fand ohnehin statt, nur langsamer. Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass auf absehbare Zeit Personaler, die IT-Prozesse verstehen, stark nachgefragt bleiben.
Der Fachkräfte-Index
Der vierteljährlich erhobene Hays-Fachkräfte-Index verzeichnet für das vierte Quartal 2020 wieder steigenden Personalbedarf. Und zwar in allen Branchen und allen Spezialisierungen, also auch dem Personalbereich. Dort stieg die Nachfrage im Vergleich zum Vorquartal sogar mit am stärksten, sie liegt allerdings immer noch deutlich unter dem Niveau, das sie zu Beginn des Jahres hatte. Besonders gefragt waren demnach HR-Business-Partner, Personalentwickler und HR-Manager. Der Hays-Fachkräfte-Index basiert auf einer quartalsweisen Auswertung von Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, der Tageszeitungen und des Business-Netzwerks Xing.
Matthias Schmidt-Stein koordiniert als Chef vom Dienst die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet die Onlineredaktion. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit dem Berufsbild HR und Karrieren in der Personalabteilung sowie mit Personalberatungen. Auch zu Vergütungsthemen schreibt und recherchiert er.