Unternehmen in Deutschland können ihren Bedarf an IT-Fachkräften hierzulande nicht mehr vollständig decken; jede dritte Stelle bleibt unbesetzt. Die Firmen weiten daher ihre Personalsuche aus und rekrutieren auch international. Eine aktuelle Studie von der internationalen Recruiting-Plattform Remote zeigt, in welchen Ländern und Städten mit bereits etablierten oder aufstrebenden IT-Talentzentren sich die hiesigen Unternehmen künftig auf die Suche nach den gefragten IT-Fachkräften machen wollen. Für die Tech-Talent-Studie wurden im September rund 260 Personalentscheider und -entscheiderinnen in Deutschland befragt, die derzeit ortsunabhängige Tech-Positionen ausgeschrieben haben.
Jedes vierte deutsche Unternehmen sucht schon international nach IT-Personal
Der IT-Fachkräftemangel spitzt sich in Deutschland weiter zu. Nur jedes fünfte deutsche Unternehmen (20 Prozent) gibt an, am etablierten IT-Standort Berlin momentan noch viele Tech-Talente zu finden. So verwundert es nicht, dass rund jede vierte Firma (24 Prozent) bereits international nach IT-Fachkräften sucht. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) von ihnen rekrutieren diese außer in der deutschen Hauptstadt am liebsten in den bestehenden Tech-Hubs, London, Paris, New York und San Francisco. Immerhin fast vier von zehn Unternehmen (38 Prozent) suchen inzwischen aber auch in aufstrebenden Technologiezentren nach passenden Mitarbeitenden.
Nicht nur Deutschland hat Probleme, im eigenen Land oder auch den anderen etablierten IT-Zentren fündig zu werden. Aus einem Bericht von Gartner über aufstrebende IT-Talentzentren geht hervor, dass in ganz Europa ein Missverhältnis zwischen den Orten existiert, in denen Unternehmen IT-Personal einstellen wollen und an denen ein großes Angebot an entsprechenden Fachkräften vorhanden ist. So steht beispielsweise in Mexiko-Stadt, einem noch aufstrebenden Technologiezentrum, ein umfangreicher Pool an Experten und Expertinnen zur Verfügung, doch nur sehr wenige europäische Länder stellen dort bereits Personal ein.
Die Gründe dafür sind vielfältig: 24 Prozent der Befragten sagen, dass vor Ort keine Niederlassung der Firma existiert. 14 Prozent verfügen bisher nicht über Erfahrungen mit Personal aus diesen Orten oder Ländern und 13 Prozent nennen Sprachbarrieren als Hemmnis. Darüber hinaus geben je sieben Prozent die rechtlichen Anforderungen als Hürde an und haben Bedenken wegen kultureller Differenzen oder unterschiedlichen Zeitzonen.
Auch aufstrebende Tech-Orte von Helsinki bis Buenos Aires werden interessanter
Unternehmen könnten sich wohl bald an die Überwindung dieser Hürden machen. Laut der Remote-Studie ist es für 42 Prozent der befragten deutschen Unternehmen eher oder sehr wahrscheinlich, in Zukunft IT-Fachkräfte aus Mexiko-Stadt zu rekrutieren. Für ein Drittel (33 Prozent) der Personalverantwortlichen ist das nicht oder eher nicht wahrscheinlich, während das restliche Viertel (25 Prozent) unentschieden ist. Von den anderen aufstrebenden Standorten sind Helsinki und Budapest für die Befragten offenbar am attraktivsten: Dort nach ITlern und ITlerinnen zu suchen, ist für jeweils die Hälfte (50 Prozent) vorstellbar. Es folgen Warschau (46 Prozent), Melbourne (45 Prozent), Rio de Janeiro (41 Prozent), Johannesburg (39 Prozent) und Buenos Aires (37 Prozent).
Die bereits etablierten globalen Tech-Standorte bleiben auch im Hinblick auf die Zukunft aus heutiger Sicht jedoch noch interessant. So bezeichnet es mit 81 Prozent die große Mehrheit der deutschen Personaler als eher oder sehr wahrscheinlich, weiterhin in Berlin zu rekrutieren. Zwei Drittel (67 Prozent) wollen auch künftig auf London setzen, 62 Prozent auf Paris, 58 Prozent auf New York und 53 Prozent auf San Francisco. Auch Tokio (48 Prozent), Beijing (44 Prozent) und Hongkong (42 Prozent) sowie die Tech-Zentren Bangalore (41 Prozent) und Shanghai (40 Prozent) stehen hoch im Kurs.
Verschiedene Gründe für globale Rekrutierung
Das geringe Angebot an IT-Fachkräften hierzulande ist jedoch bei weitem nicht der einzige und auch nicht der Hauptgrund für die Unternehmen, sich global nach neuem Personal umzuschauen. Nur knapp ein Viertel (23 Prozent) der Personalverantwortlichen gibt an, international zu rekrutieren, um dem Mangel an geeigneten Tech-Kräften zu begegnen. Mit 43 Prozent ist es das Hauptmotiv der Unternehmen, den internationalen Talent-Pool zu nutzen, um neue Märkte zu erschließen. 36 Prozent sagen, dass sie ihre Teams diversifizieren wollen. Weitere 28 Prozent haben die zunehmende Verlagerung zu ortsunabhängigen Arbeitsmodellen im Zuge der Corona-Krise zum Anlass genommen, ihre Personalgewinnung global auszuweiten.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.