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Was macht ein gutes Bewerbermanagementsystem aus?

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Herr Brickwedde, Sie haben auch in diesem Jahr die besten Bewerbermanagementsysteme – neudeutsch ATS – ausgezeichnet. Wieso gleich mehrere?
Wolfgang Brickwedde: Ein System kann für ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe gut geeignet sein – für das andere eben nicht. Deshalb unterteilen wir das nach Einstellungsbedarf. Also danach, wie viel Personal im Jahr eingestellt werden soll.

Wieso spielt der Bedarf eine so große Rolle? Man könnte ja auch nach hauptsächlicher Zielgruppe unterscheiden – also etwa, ob es eher um Blue- oder White-Collar-Jobs geht.
Könnte man theoretisch, klar. Allerdings stellen viele Unternehmen beide Gruppen ein. Ein Industrieunternehmen braucht nicht nur Produktions-, sondern auch Verwaltungsmitarbeiter und ein Dienstleister zum Beispiel einen Hausmeister. Dagegen gibt es bei einem höheren Recruitingbedarf ganz praktische Gründe, die manchmal gegen ein bestimmtes System sprechen.

Welche?
Zum Beispiel gibt es ATS, da lässt ab einem gewissen Volumen an Bewerbungen die Performance – also vor allem die Geschwindigkeit – nach.

Wolfgang Brickwedde ist Direktor des Institut for Competitive Recruiting. (Foto: privat)
Wolfgang Brickwedde ist Direktor des Institut for Competitive Recruiting. (Foto: privat)

Lässt sich die Frage, was ganz allgemein ein gutes ATS ausmacht, denn beantworten?
Ein Punkt ist definitiv die Zukunftssicherheit. Da sind Lösungen, die ein ganzes Ökosystem um sich herum haben, natürlich im Vorteil. Dort lassen sich dann relativ einfach Add-Ons und andere Ergänzungen einspielen – und die nutzenden Unternehmen müssen das nicht mühsam selbst programmieren.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Individualisierungsmöglichkeiten durch die User?
Das ist schon ein wichtiger Aspekt. Früher musste man dem Anbieter einen Change Request schreiben – und mit Glück kam dann nach zwei Jahren eine Lösung. In moderner modular aufgebauter Software können die Abteilungen das hingegen selbst machen – aber nicht alle Zwischenschritte lassen sich ausschalten.

Zum Beispiel?
Einige ATS verlangen in jedem Fall eine Registrierung durch den Bewerber oder die Bewerberin. Dabei weiß man, dass man dadurch zwischen 50 und 90 Prozent der potenziellen Bewerbenden verliert. Viele Personalabteilungen wissen gar nicht, wie viel sie hier verschenken – vielleicht sollten sie dazu mal mit ihrer Marketingabteilung über Zahlen sprechen, z.B. die Anzahl derer, die auf „jetzt bewerben“ drücken, und derer, die tatsächlich im ATS ankommen. Aber insgesamt wird die Nutzerfreundlichkeit auf der Bewerbendenseite in Zukunft immer wichtiger.

Ihre Auszeichnung basiert auf einer Befragung von rund 2.500 Nutzerinnen und Nutzern von ATS. Gibt es Punkte, die diese besonders häufig kritisiert haben?
Durchgängig schlecht bewertet wurde zum Beispiel die Möglichkeit, aus dem System heraus Kandidaten zum Beispiel in Xing und Linkedin zu suchen. Aber auch die Optionen zur Kooperation mit Personaldienstleistern kommen oft nicht gut weg. So wie auch mit dem Controlling – wobei man hier etwas einschränken muss.

Wieso?
Teilweise kam bei der weiteren Nachfrage bei den Anbietern heraus, dass die vom Controlling geforderten KPIs doch von der Software geliefert werden können – die Nutzerinnen und Nutzer nur nicht wussten, wie. Da ist dann manchmal auch eine gewisse Unkenntnis schuld.

Welche Rolle spielt denn Künstliche Intelligenz in den Systemen?
Immer mehr Systeme integrieren KI schon heute. Ich hatte letzte Woche auch einen Award verliehen für Anbieter, deren KI-Integration gut bewertet sind. Die Liste ist aber zugegebenermaßen noch sehr kurz. Die Nutzerinnen und Nutzer haben im Zweifelsfall schon einmal ChatGPT genutzt und wissen, was KI kann. Und um diese dadurch geweckten Erwartungen zu erfüllen, gibt es – glaube ich – noch viel zu tun.

Info

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.