Der Fachkräftemangel wird in den kommenden Jahren wohl die größte Herausforderung für HR und Arbeitgeber sein. Schon heute fehlen in Deutschland mehr als 500.000 Fachkräfte, die Bundesagentur für Arbeit hat in 148 Berufen Engpässe verzeichnet, weitere 122 Berufe stehen unter Beobachtung. Und die Situation wird sich noch zuspitzen. Arbeitsmarktexpertinnen und -experten rechnen damit, dass aufgrund des demografischen Wandels und Renteneintritte bis 2035 der Wirtschaft rund sieben Millionen Menschen weniger zur Verfügung stehen werden.
Eine Lösung, um die Fachkräftelücke auszufüllen, ist eine kontrollierte Zuwanderung von Talenten aus dem Ausland. Das können sowohl bereits ausgebildete Fachkräfte als auch Menschen ohne eine bestehende berufliche Laufbahn sein, die als Azubis in Deutschland ihre Karriere starten.
Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes geplant
Um die Zuwanderung zu fördern, haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein Eckpapier erstellt, mit dem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) reformiert werden soll. Ziel ist es vor allem, bürokratische Hürden zu beseitigen und so eine einfachere und schnellere Beschäftigung von Talenten aus dem Ausland zu gewährleisten. Dafür soll eine Einreise von Fachkräften aus Drittstaaten auch dann erlaubt sein, wenn ihr Abschluss zwar noch nicht von einer deutschen Behörde anerkannt wurde, sie aber einen Arbeitsvertrag haben. Damit ist es möglich, ausländische Fachkräfte bereits während des Anerkennungsprozesses der Ausbildung in Deutschland zu beschäftigen.
Auch mögliche Weiterbildungen, die nach Prüfung des ausländischen Abschlusses möglicherweise nötig sind, sollen parallel zur Arbeit stattfinden können. Ist der Abschluss anerkannt worden, sollen Fachkräfte zukünftig auch in fachfremden Berufen in Deutschland arbeiten dürfen, wenn sie es denn wollen.
Andersherum soll auch gelten: Ist der ausländische Abschluss zumindest teilweise mit dem deutschen vergleichbar und kann das Talent seinen Lebensunterhalt in Deutschland selbst sichern, ist eine Einreise ohne Arbeitsvertrag möglich. Zudem sprechen sich Heil und Faeser dafür aus, die Gehaltsgrenze von aktuell 56.400 Euro jährlich, die Hochschulabsolventen benötigen, um eine Blue Card zu erhalten, zu senken.
Was müssen Arbeitgeber beim Recruiting ausländischer Azubis beachten?
Doch ein Talent muss noch keine vollausgebildete Fachkraft sein, um nach Deutschland zum Arbeiten einreisen zu dürfen. Unternehmen können auch Auszubildende aus dem Ausland rekrutieren. Für Bürger aus den EU-Staaten gelten wie auch für die Fachkräfte keine weiteren Einreiseregelungen und sie können in jedem Alter eine Ausbildung in der Bundesrepublik beginnen. Möchten Arbeitgeber allerdings Talente aus Drittstaaten als Azubis einstellen, benötigen die jungen Zuwanderer ein Visum. Das wiederum ist an einen Ausbildungsvertrag und den Nachweis von Deutschkenntnissen (mindestens das mittlere Niveau B1) gebunden. Zudem müssen Unternehmen der Bundesagentur für Arbeit beweisen, dass sie keine geeigneten deutschen Bewerberinnen und Bewerber für die Azubistelle finden konnten.
Mit diesen Regelungen im Hinterkopf können Arbeitgeber mit dem Recruiting starten. Dabei empfiehlt es sich, die Talente individuell anzusprechen und ihnen umfangreiche Informationen über Ausbildung, Berufsaussichten und Weiterbildungsmöglichkeiten bereitzustellen. Wer Unterstützung beim Recruiting braucht, kann sich an den Vermittlungsservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit oder an Vertreterinnen und Vertreter des Projekts „Passgenaue Besetzung von Ausbildungsplätzen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz wenden.
Ist ein neues Talent oder Auszubildender aus dem Ausland gefunden? Dann sollten sich Arbeitgeber darüber Gedanken machen, wie sie die Fachkraft am besten integrieren und im Unternehmen willkommen heißen. Für eine erfolgreiche Integration kann es helfen, dem Talent aus dem Ausland einen festen Ansprechpartner oder eine feste Ansprechpartnerin innerhalb des Unternehmens an die Seite zu geben. Zudem sollte die Fachkraft bei außerbetrieblichen Aktivitäten von Beginn an involviert sein und langfristig – natürlich in ihrem Einverständnis – für einen Sprachunterricht eingeschrieben werden. Denn um den Kolleginnen und Kollegen, aber auch den Lehrkräften im Berufsschulunterricht bestmöglich folgen zu können, sind Sprachkenntnisse essenziell.