Gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit – dieses Ziel hat das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (EntgTranspG), das am 6. Juli 2017 in Kraft trat. Das Gesetz soll unter anderem Transparenz bei Löhnen und Gehältern schaffen und betriebliche Prüfungen der Entgeltgleichheit ermöglichen. Zudem enthält es einen individuellen Auskunftsanspruch.
Ernüchternde Bilanz fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes
Doch auch fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ist der Gender Pay Gap – er gibt den Unterschied zwischen den Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern an – beträchtlich. Laut Statistischem Bundesamt erhielten weibliche Beschäftigte im Jahr 2021 durchschnittlich 18 Prozent weniger Bruttostundenlohn als männliche Mitarbeiter. Im europäischen Maßstab ist der Entgeltnachteil von Frauen in Deutschland überdurchschnittlich hoch.
Obwohl das Entgelttransparenzgesetz schon vor langem in Kraft getreten ist, hat sich die Mehrheit der Unternehmen nicht aktiv um dessen Umsetzung bemüht. Nur wenige Unternehmen haben ihre Entgeltstrukturen auf geschlechterspezifische Ungleichheiten überprüft. Dass nur wenige Unternehmen auf das Gesetz reagiert haben, liegt auch daran, dass es nicht wie in seinem ursprünglichen Entwurf eine verpflichtende betriebliche Entgeltgleichheitsprüfung vorsieht, sondern nur eine freiwillige.
Digitalisierung bietet neue Chancen für Entgeltgleichheit
Eine Prüfung der betrieblichen Entgeltstrukturen wäre jedoch wichtig, auch weil sich die Arbeitswelt durch den Einsatz digitaler Technologien erheblich verändert hat. Viele Berufe und Tätigkeiten sind verschwunden, andere entstanden und die Entwicklung schreitet voran. Zudem verändern sich die Anforderungen an bestehende Arbeitsplätze.
Diese Veränderungen sollten Unternehmen veranlassen, ihre Entgeltstrukturen zu aktualisieren. Zu diesem Schluss kommen die drei Wissenschaftlerinnen Andrea Jochmann-Döll, Christina Klenner und Alexandra Scheele. Sie haben, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Formen und Verfahren der betrieblichen Prüfung gemäß dem Entgelttransparenzgesetz untersucht. Im Rahmen der Studie haben sie sich mit Experten und Expertinnen sowie Gewerkschaftsvertreterinnen und-vertretern und in vier Betrieben mit Personalverantwortlichen, Werksleitung, Betriebsräten und Beschäftigten ausgetauscht.
Viele Ursachen für ungleiche Entlohnung
Ein zentrales Ergebnis ihrer Untersuchungen ist, dass noch viele Hemmnisse für Entgeltgleichheit bestehen:
- Ein hoher Anteil der systemrelevanten Berufe wird unterbewertet und somit unterdurchschnittlich bezahlt. In diesen systemrelevanten Berufen sind noch dazu Frauen überrepräsentiert. Die Unterbewertung von Arbeit, die überwiegend Frauen ausüben, sei, so die Wissenschaftlerinnen, eine der Ursachen für die Entgeltungleichheit. Aus ihrer Sicht entsteht die Unterbewertung durch eine nicht geschlechtsneutrale und Frauen benachteiligende Arbeitsbewertung in betrieblichen oder auch tariflichen Entgeltsystemen.
- Darüber hinaus sind Frauen oft nicht korrekt in Entgeltgruppen eingruppiert. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Frauen Tätigkeiten ausüben, die über das Anforderungsniveau ihrer aktuellen Entgeltgruppe hinausgehen oder wesentliche Anforderungen an die Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden.
- Die Covid-19-Pandemie hat die Gleichstellung der Geschlechter erneut ins Wanken gebracht. Untersuchungen haben gezeigt, dass Mütter häufiger als Väter während der Krise ihre Arbeitszeit verkürzt haben, um ihre Kinder zu betreuen. Das dürfte mittel- und langfristig den Gender Pay Gap wieder auseinanderklaffen lassen.
- Entgeltprüfungen scheiterten nicht nur am mangelnden Willen von Arbeitgebern, wie die Forscherinnen feststellen, sondern auch Betriebsräte seien damit überfordert. Letztere geben an, dass es für sie in der täglichen Arbeit schwierig sei, ein komplexes Problem wie Entgeltungleichheit anzugehen und Daten dafür einzuholen, aufzubereiten und auszuwerten.
Nachholbedarf in Unternehmen und bei Gesetzgebung
Nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen werden Fragen der Arbeitsbewertung und geeignete Prüfverfahren im Zuge der Digitalisierung immer wichtiger: Die veränderten Bedingungen erfordern, dass Unternehmen Tätigkeitsbeschreibungen regelmäßig anpassen und geschlechtsneutral formulieren, so dass sie als Grundlage für eine diskriminierungsfreie Entlohnung dienen können – und zwar sowohl für betriebliche Eingruppierungsrichtlinien als auch für Tarifverträge. Doch bei Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen haben Unternehmen noch Nachholbedarf.
Auch den Gesetzgeber sehen die Forscherinnen in der Pflicht. Er müsse das bestehende Gesetz überarbeiten und spätestens, wenn die geplante EU-Entgeltgleichheitsrichtlinie umgesetzt wird, daran anpassen.
Um Entgeltgerechtigkeit zu realisieren, sei es insbesondere wichtig, dass betriebliche Prüfungen nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sind. Zudem müsse es, so die Forscherinnen, bindende Vorgaben für betriebliche Prüfverfahren geben.
Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersversorgung. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Portal Total Rewards sowie um das F.A.Z.-Personaljournal. Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.