Üblicherweise stehen bAV und Zeitwertkonto als Konkurrenzmodelle nebeneinander. Das bedeutet: In herkömmlichen Angeboten muss der Mitarbeitende sich zwischen beiden entscheiden. Dieser Entscheidungszwang wirkt sich negativ auf die Teilnahmequoten aus, weil junge Beschäftigte und auch Arbeitnehmer im mittleren Alter noch nicht wissen können, wie sich ihr Bedarf entwickelt. Vor diesem Hintergrund sind integrative Modelle sinnvoll, die zum Zeitpunkt der Einzahlung noch keine Entweder-oder-Entscheidung des Mitarbeiters erfordern.
Die Teilnahme sowohl an betrieblicher Altersversorgung als auch an Zeitwertkonten(ZWK)-Modellen steigt. So erhöhte sich die Quote der Entgeltumwandlung in der bAV in den letzten drei Jahren von 24 Prozent auf 47 Prozent; bei Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber ein ZWK anbieten, von 59 Prozent auf 68 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt die Deloitte bAV-Studie 2022. Demnach stiegen trotz der gegenwärtigen Krisensituationen die Investitionen der Arbeitnehmer in Vorsorge auf neue Höchststände an. Dies kann als deutliches Indiz gewertet werden: Das Bewusstsein für Vorsorge wächst.
Allerdings stehen die betriebliche Altersversorgung und das Zeitwertkonto als Konkurrenzangebote für Vorsorge nebeneinander. Das ZWK ermöglicht eine bezahlte Freistellung bei einem fortdauernden Arbeitsverhältnis; die bAV ist eine Versorgungsleistung, die bei Ausscheiden aus dem Unternehmen im Alter, bei Invalidität oder im Todesfall an die jeweils Leistungsberechtigten gewährt wird.
Problematisch: Entscheidung zwischen bAV und ZWK
Arbeitnehmer sind gezwungen, den Sparvorgang über eine Entgeltumwandlung einem der beiden Modelle eindeutig zuzuordnen. Je jünger Mitarbeitende sind, desto schwieriger ist es für sie zu beurteilen, ob ein angespartes Vorsorgevermögen eher für eine Freistellung oder eine Aufstockung des Alterseinkommens benötigt wird. Das gilt umso mehr, als Beschäftigten im Alter bis Mitte 40 noch völlig unklar sein muss, wie hoch der Deckungsgrad ihres benötigten Alterseinkommens durch die gesetzliche Rentenversicherung sein wird. Gleichzeitig tendieren Menschen dazu, in unsicheren Situationen Entscheidungen aufzuschieben, um eine sogenannte Kaufreue zu vermeiden.
Tatsächlich erweist sich, dass der überwiegende Teil der Arbeitnehmer, die über Angebote in beiden Modellen verfügen, diese Entscheidung nicht treffen können: 68 Prozent sparen daher in beiden Modellen. Aus konzeptioneller Sicht wäre es wünschenswert, wenn die Arbeitnehmer diese Entscheidung nicht zum Zeitpunkt der Einzahlung treffen müssten.
Integriertes Modell kann Schwächen ausgleichen
Ein integriertes Modell aus bAV und ZWK könnte den Sparvorgang insgesamt befördern und die Schwächen, die den jeweiligen Modellen zu eigen sind, durch die Kombination beider Modelle vermeiden oder vermindern. Aus Sicht der Arbeitnehmer ist ein Nachteil der bAV, dass ihr Vermögen ohne Möglichkeiten auf vorzeitigen Zugriff über einen sehr langen Zeitraum gebunden ist. Dies ist mit Blick auf die Kapitalanlage aber gerade ein Vorteil, der sich entsprechend auf höhere Renditen auswirken kann.
Dem Vorteil der flexiblen Verfügbarkeit im ZWK steht spiegelbildlich der Nachteil in der Kapitalanlage gegenüber, die eine kurzfristige Auszahlung berücksichtigen muss und daher deutlich geringere Renditen realisieren kann. Ein integriertes Modell sollte im Idealfall durch die Kombination beider Modelle die jeweiligen Schwächen – eingeschränkte Verfügbarkeit in der bAV, geringe Renditen im ZWK – vermeiden oder abmildern. In der Folge würden die Bedürfnisse der Arbeitnehmer besser abgebildet sowie die Teilnahme an der Vorsorge insgesamt erhöht.
Direkter Übertrag von Vermögen nicht möglich
Grundsätzlich wäre die einfachste Form der Integration, unverbrauchtes Vermögen aus dem ZWK-Modell beim Eintritt in den Ruhestand in bAV-Vermögen umzuwandeln. Dies ist leider nicht möglich.
Scheidet der Mitarbeitende mit unverbrauchtem ZWK-Vermögen aus, so tritt in aller Regel der Störfall ein und das Vermögen wird steuer- und sozialabgabenpflichtig in einer Summe ausgezahlt. Der Übertrag des Vermögens auf einen Folgearbeitgeber scheidet beim Eintritt in den Ruhestand jedenfalls aus.
Daneben steht alternativ eine Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV). Ob diese Übertragung attraktiv für die Arbeitnehmer wäre, ist für einen Arbeitnehmer im mittleren und erst recht im jungen Alter kaum zu beurteilen. Neben dem Abzug von Verwaltungskosten der DRV dürfte vor allem die Kapitalanlage der Rentenversicherung bei langen Restlaufzeiten Unsicherheit schüren.
Die gesetzliche Maßgabe zur Kapitalanlage, Verluste auszuschließen, stimmt jedenfalls wenig optimistisch. Allen genannten Optionen dürfte ein Übertrag in das beim Arbeitgeber vorhandene, durch den Betriebsrat mitbestimmte bAV-Modell vorzuziehen sein.
Integration der Modelle durch Verrechnungslogik
Da der Übertrag von Vermögen aus dem ZWK in die bAV nicht direkt möglich ist, bietet sich eine indirekte Variante an, die auf einer Verrechnungslogik beruht.
- Das ZWK ermöglicht neben Freistellungsphasen im aktiven Erwerbsleben auch die Finanzierung eines vorzeitigen Ruhestands oder einer Altersteilzeit. Dies können Phasen sein, die dem Eintritt in den Ruhestand vorgeschaltet sind. Der Arbeitnehmer kann damit faktisch einen vorzeitigen Ruhestand ohne Austritt vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze realisieren. Mit Blick auf eine Regelaltersgrenze von 67 Jahren – Tendenz steigend – besitzt dies für den überwiegenden Teil der Beschäftigten eine hohe Relevanz.
- Wird ein vorzeitiger Ruhestand über die bAV umgesetzt, so wirkt er sich vermindernd auf die Leistungshöhe aus. Beispielsweise kommen Rentenkürzungen zur Anwendung oder führen wegfallende Beitragszahlungen (bei beitragsorientierten Pensionsplänen mit Kapitalauszahlungen) und verkürzte Verzinsungszeiträume führen zu einer Minderung der Leistung.
- Durch die Finanzierung des vorzeitigen Ruhestands aus dem ZWK unterbleiben diese Abschläge beziehungsweise Verminderungen. Das ZWK-Modell erhöht auf diesem Weg indirekt die bAV-Leistung, da ein Zeitguthaben gewissermaßen bAV-Beiträge substituiert. Durch eine Anpassung des Teilzeitgrades vor der Freistellungsphase würden die Leistungshöhe und Länge der Freistellung auf die Belange des Arbeitnehmers ausjustiert.
- Um diesen Zusammenhang Mitarbeitenden transparent zu machen, muss eine integrierte Darstellung der Leistungen aus dem ZWK und der bAV implementiert werden. Dabei ist die faktische Zuordnung des Vermögens zu den beiden unterschiedlichen Anspartöpfen aus Arbeitnehmerperspektive nicht das entscheidende Merkmal, sondern potenzielle Zeitpunkte der Inanspruchnahme und das dann verfügbare Einkommen. Dazu ist die Gestaltung beider Komponenten aufeinander abzustimmen.
Info
Weitere Ergebnisse zur Deloitte-Studie „Entwicklungen und Trends in der bAV 2022“ lassen sich hier nachlesen.
Renditepotenzial durch Durationsverlängerung und Volatilitätspuffer erhöhen
Durch die integrierte Gestaltung lässt sich auch das Problem des ZWK-Modells der jederzeitigen Verfügbarkeit und der damit eingeschränkten Renditen reduzieren. In der Praxis bedingt die jederzeitige Verfügbarkeit eine Anlage in liquiden, schwankungsarmen Assets, deren Renditen zuletzt nahe null lagen. Würde der Sparvorgang aller Mitarbeitenden über ein integriertes Modell erfolgen, erhöhte sich der mittlere Zeitraum der Inanspruchnahme (Duration) substanziell. Dies ermöglicht ein ausdifferenziertes Kapitalanlageportfolio mit Aktien und illiquiden Anlageklassen. Die Renditen solcher Portfolios liegen bei sechs Prozent und teilweise sogar noch höher. Die Volatilität ließe sich zudem über eingebaute Pufferelemente begrenzen.
Integrierte Modelle sind möglich
Auch wenn die gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht optimal für integrierte Modelle sind, so sind doch solche Konzepte möglich. Die jeweiligen Schwächen von bAV und ZWK lassen sich entsprechend vermindern. Um einen substanziellen Mehrwert für die Mitarbeitenden zu erzielen, muss ein integratives Modell über eine ganzheitliche, kollektive Betrachtung der Cashflows und einer daraus abgeleiteten Kapitalanlage gesteuert und systematisch überwacht werden.
Autor
Jens Denfeld
Senior Manager, Human Capital/Benefits & Compensation Deloitte
jdenfeld(*)deloitte(.)de
www.deloitte.com