Uniper ist der erste Konzern, der zusammen mit zwei Gewerkschaften die reine Beitragszusage (rBZ) an den Start gebracht hat. Dafür nutzt der Düsseldorfer Energiekonzern den zu diesem Zweck gegründeten Metzler Sozialpartner Pensionsfonds (MSPF), der das grüne Licht der BaFin für die Umsetzung erhalten hat.
Im Herbst 2022 ging es auf einmal ganz schnell: Zuerst bestätigte die BaFin im September die Unbedenklichkeit des Pensionsplans Metzler rBZ 1 zum neuen Sozialpartnermodell (SPM) von Uniper, und wenige Wochen später folgte das SPM für die chemische Industrie. Jetzt will die Bundesregierung unter der Federführung des BMAS den frischen Wind nutzen und den Markt für weitere SPM öffnen.
Dafür evaluiert das Bundesarbeitsministerium in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern, den Versorgungsträgern und der Politik den Status quo beim SPM und prüft, wie sich das System noch verbessern lässt. „Berlin verfolgt das Ziel, wenige, dafür aber große Kollektive für die reine Beitragszusage am Markt zu etablieren“, erläutert Christian Pauly von Metzler. „Wir erwarten in der zweiten Jahreshälfte 2023 deshalb eine neue Gesetzgebung, mit der die Bundesregierung die bestehenden regulatorischen Rahmenparameter anpassen wird, um die Attraktivität und Skalierbarkeit von Sozialpartnermodellen zu steigern.“ Ab 2024 – so die Vision – sollen dann die nächsten SPM folgen. „Wir erwarten, dass es künftig Öffnungsklauseln für Unternehmen gibt, die nicht an einen Tarifvertrag gebunden sind.“
Regulatorik der rBZ
Uniper ist hingegen so wie vorgeschrieben mit den Tarifvertragsparteien in das neue bAV-Modell gestartet. Im Mai 2022 fanden die Verhandlungen statt und führten rasch zu einem Vertragsmodell für das erste SPM und die erste rBZ in Deutschland. Doch was auf den ersten Blick so reibungslos aussieht, wäre ohne eine zweijährige Projektphase zuvor nicht möglich gewesen.
„Mit diesem Modell haben alle Beteiligten Pionierarbeit geleistet – wir als Arbeitgeber, AVEW als Arbeitgeberverband, IG BCE und ver.di als Gewerkschaften, Metzler als Versorgungsträger und die BaFin als Aufsichtsbehörde“, sagt Martin Eisele nicht ohne Stolz. Am 1. Januar 2023 ist das Modell in den Live-Betrieb gegangen.
Die neue Zusageform komplementiert die bAV, die bisher in Deutschland ausschließlich als Leistungszusage ausgestaltet war. Bei der rBZ gewährt der Arbeitgeber seinen Anwärtern und späteren Pensionären keine Garantien, in Zukunft eine bestimmte Betriebsrente zu leisten. Er ist nur dazu verpflichtet, Beiträge an einen Versorgungsträger zu zahlen.
Die Ansprüche der Beschäftigten auf Pensionsleistungen – eine lebenslange, aber nicht garantierte Rente – richten sich direkt gegen die Versorgungseinrichtung und hängen vollständig von der Entwicklung am Kapitalmarkt ab. Bei Uniper steht der Metzler Sozialpartner Pensionsfonds dahinter.
Drei mögliche Durchführungswege
Die Arbeitnehmer, die am Plan einer rBZ teilnehmen, partizipieren an der Portfolioentwicklung am Kapitalmarkt. Zugleich sind ihre Anwartschaften vom ersten Tag an unverfallbar. Eine Voraussetzung für eine rBZ ist ein Tarifvertrag.
Die Tarifpartner müssen alle Eckdaten miteinander aushandeln und vertraglich fixieren. Der Arbeitgeber muss keine Beiträge an den Pensionssicherungsverein zahlen, doch an die Stelle der entfallenden Arbeitgeberhaftung soll ein Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers treten, dessen Höhe die Tarifpartner miteinander vereinbaren.
Der Gesetzgeber verlangt für die rBZ einen regulierten Durchführungsweg. Zulässig sind Pensionskasse, Direktversicherung und Pensionsfonds. „Wir bei Uniper haben uns für den Pensionsfonds entschieden, weil wir den Durchführungsweg kennen und gute Erfahrungen damit gemacht haben“, sagte Martin Eisele. „Vor allem die Möglichkeiten der Kapitalanlage sind in unseren Augen beim Pensionsfonds am flexibelsten.“
Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, sich an Durchführung und Steuerung der reinen Beitragszusage zu beteiligen. „Der Arbeitgeber muss Verantwortung übernehmen“, so Eisele. „Hier müssen die Tarifparteien partnerschaftlich zusammenarbeiten.“
Motive für SPM und rBZ
Der Konzern, 2016 aus der E.ON-Gruppe in die Selbstständigkeit entlassen, trägt bis heute eine Vielzahl alter Versorgungspläne aus der Vergangenheit mit sich herum. In der bAV-Landschaft finden sich bislang geschlossene Altzusagen mit hohen Garantiezinsen und ein offener beitragsorientierter Versorgungsplan (IQ-Beitragsplan).
Der Konzern hat die Altzusagen 2008 für Neueintritte geschlossen, während der IQ-Beitragsplan bislang neuen Beschäftigten noch offensteht. Die Verzinsung dieses Plans orientiert sich an der durchschnittlichen Rendite der Bundesanleihen und hat in der Niedrigzinsphase ab 2008 schwach performt. Die meisten jüngeren Beschäftigten von Uniper in der Altersklasse bis 44 Jahre befinden sich im Beitragsplan, die älteren Kohorten nehmen vor allem an den geschlossenen Garantieplänen teil.
„Die Verzinsung des IQ-Beitragsplans war in den vergangenen Jahren eher unattraktiv, sodass vor allem unsere jüngeren Mitarbeiter den Wunsch nach einem lukrativeren Vorsorgeangebot geäußert haben“, berichtet Eisele.
Also machten sich die Verantwortlichen bei Uniper Gedanken über ein neues, attraktiveres bAV-Modell, das es so noch nicht gab. Die Vorgabe des Unternehmens lautete: Der neue Plan müsse kostenneutral sein. „Damit war beispielsweise die Option einer garantierten Mindestverzinsung vom Tisch“, sagt Eisele. „Daraufhin haben wir uns ernsthafte Gedanken über die reine Beitragszusage gemacht.“
Für das Modell sprach die Möglichkeit, den Beschäftigten ein freiwilliges Opting-in und Opting-out zu gewähren. Tatsächlich erhält jeder Mitarbeitende, der in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt, vom Arbeitgeber ein Angebot, in die reine Beitragszusage zu wechseln.
Uniper splittet das Angebot für Beschäftigte im Bestand und für Neueintritte auf. Die Beschäftigten im Bestand, die bereits in einem der bestehenden Vorsorgepläne sind, erhalten in diesem Jahr ein einmaliges Opting-in. Im Zeitraum vom 1. April bis 30. April müssen sie sich entscheiden, ob sie in ihrem alten Plan bleiben oder in das neue System wechseln wollen. Hingegen sind Neueintritte ab 1. Januar 2023 automatisch in der rBZ. Sie können aber auf eigenen Wunsch binnen einem Monat nach Dienstantritt durch ein aktives Opting-out aus der reinen Beitragszusage in den IQ-Beitragsplan wechseln.
Kostenneutralität der rBZ
Um die Vorgabe der Kostenneutralität für die rBZ zu erfüllen, belassen es Eisele und sein Team für die Beitragsstaffelung hinter der rBZ bei den identischen Werten des IQ-Beitragsplans. Damit sind die Arbeitgeberbeiträge in beiden Plänen gleich. Mit der Übernahme der Beitragsstaffel aus dem offenen Versorgungsplan wird allerdings auch sichergestellt, dass eine gewisse Vergleichbarkeit der beiden Systeme gegeben ist. Die Attraktivität der reinen Beitragszusage soll sich aus dem Modell selbst und der damit verbundenen Chance ergeben, nicht aber durch einen höheren Arbeitgeberbeitrag.
Zugleich hat der Uniper ein großes Interesse daran, dass möglichst viele Bestandsmitarbeiter in die rBZ wechseln. „Nur über Neueintritte lässt sich dieser Plan nicht mit dem erforderlichen Finanzvolumen füllen“, betont Eisele.
In die rBZ fließen unterschiedliche Beiträge ein:
- Arbeitgeberzuschuss,
- Beiträge aus der Entgeltumwandlung,
- weitergereichte Einsparungen des Arbeitgebers bei den Sozialversicherungsbeiträgen,
- Matching-Beitrag des Arbeitgebers auf das umgewandelte Entgelt,
- Sicherungsbeitrag gemäß § 23 Abs. 1 BetrAVG.
Den Sicherungsbeitrag sieht der Gesetzgeber als Sollbestimmung für die rBZ vor; er wird zwischen den Tarifparteien vereinbart. Diese Kompensation an die Beschäftigten für den Wegfall der eigenen Haftung für Rentenleistungen hat der Arbeitgeber zu zahlen. Bei der Ermittlung der Höhe des Sicherungsbeitrags orientiert sich Uniper am Budgetrahmen für den eigenen IQ-Beitragsplan.
Mit dem Sicherungsbeitrag wird in der Anwartschaftsphase eine Deckungsrückstellung gebildet. Mit ihr soll die Volatilität in der Rentenphase reduziert werden. Konkret geht es darum, in der Rentenbezugsphase mögliche Rentenkürzungen infolge einer schwachen Performance der Kapitalanlage aufzufangen, ohne damit jedoch eine Garantie abzubilden.
Der Sicherungspuffer
Für die Deckungsrückstellung, die aus dem Sicherungsbeitrag und der daraus erzielten Rendite gebildet wird, vereinbaren die Tarifpartner im Beirat zur rBZ eine Obergrenze. Dieses Limit kann der Beirat neu festlegen, auch im Hinblick auf die Performance des angelegten Kapitals am Finanzmarkt. Diese Flexibilität konnte der MSPF in den Gesprächen mit der BaFin aushandeln. „Das macht es für den Arbeitgeber leichter, eine bestimmte Obergrenze für die Deckungsrückstellung zu definieren“, sagt Christian Pauly.
Sicherheitsbeiträge oberhalb der Obergrenze gehen nicht an den Arbeitgeber zurück, sondern werden auf die Vorsorgekonten der Begünstigten verteilt. „Den Gewerkschaften war wichtig, dass dieser zusätzliche Arbeitgeberbeitrag in den Fonds nach Köpfen verteilt wird“, erläutert Martin Eisele.
Ein weiterer Aspekt ist die Effizienz des eingesetzten Kapitals. Wird der Sicherungspuffer nicht abgerufen, weil sich beispielsweise das Kapitalanlageportfolio stabil und positiv entwickelt, würde ansonsten die Deckungsrückstellung durch immer neue Sicherungsbeiträge ständig anwachsen, ohne eine Verwendung für das Kapital zu haben.
Versorgungsträger MSPF
Für die rBZ von Uniper haben die Sozialpartner einen Durchführungsvertrag mit dem Versorgungsträger, dem Metzler Sozialpartner Pensionsfonds (MSPF), geschlossen. Der Fonds entlastet den Arbeitgeber maßgeblich; er richtet den Sozialpartnerbeirat ein und legt die Beiträge, die in den Fonds einfließen, nach seiner Maßgabe an. In Zukunft wird der MSPF auch die Rentenleistungen an die Berechtigten auszahlen und die Renteninformationen versenden. Somit existiert in der Leistungsphase keine direkte Schnittstelle zwischen Arbeitgeber und Betriebsrentner mehr.
In diesem Kooperationsmodell der rBZ steht der MSPF im Mittelpunkt, wobei unterschiedliche Rechte auf den verschiedenen Ebenen wirken: das Tarifrecht, das Versicherungsaufsichtsrecht und das Arbeitsrecht. „Diese drei Rechtsbereiche so miteinander zu verzahnen, dass alle Zahnräder richtig ineinandergreifen, war bei unserem SPM nicht einfach“, sagt Martin Eisele. Die Diskussion und Klärung offener juristischer Fragen trugen dazu bei, dass sich die Projektphase bei Uniper über zwei Jahre hinzog.
Asset Liability Management (ALM-)Studie
In Kooperation mit dem MSPF wird Eisele mit seinem Team in Zukunft die Asset-Liability-Management-Studien für die rBZ erstellen. „Wir werden dem Sozialpartnerbeirat unsere Asset Allocation vorschlagen, darüber beraten und abstimmen lassen und sie dann umsetzen.“
Laut Tarifvertrag muss Uniper vom Start weg eine diversifizierte Kapitalanlage für die Gelder im neuen Fonds bereithalten. „Das war für uns eine Herausforderung, deshalb haben wir uns dafür entschieden, auf eine im Konzern bestehende Kapitalanlage zurückzugreifen“, so Eisele. Sobald sich in der rBZ eine kritische Masse an Kapital angesammelt hat, will der Konzern eine eigene Asset Allocation aufsetzen. „Die soll dann noch mehr auf die Besonderheiten einer reinen Beitragszusage abgestimmt sein, was zu einer veränderten Asset Allocation im MSPF führen könnte.“
Eine Besonderheit der ALM-Studie ist das Fehlen von „L“, also von Verpflichtungen. Das Pendant in der rBZ ist die Absicherung gegen Rentenkürzungen. „Wenn wir in den nächsten Jahren einen Rentnerbestand auch in der rBZ haben werden, dann stellt sich in der Kapitalanlage die Frage, wie sich die Wahrscheinlichkeit einer Rentenkürzung – ausgedrückt in der Kürzungshäufigkeit und der Kürzungshöhe – steuern lässt“, sagt Eisele. „Diese elementare Frage muss man sich in einer ALM-Studie für die rBZ schon früh beantworten: Wollen wir eine höhere Rendite oder eine geringere Rentenkürzungswahrscheinlichkeit?“
Die kommende ALM-Studie braucht wieder die Zustimmung des Sozialpartnerbeirats. Der paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite besetzte Beirat hat also die Aufgabe, die Asset Allocation und ihre Bandbreiten festzulegen. Weiterhin obliegt ihm die Entscheidung, ob die zusätzliche Deckungsrückstellung aus Sicherungsbeiträgen im Bedarfsfall verwendet wird, um eine Rentenkürzung zu reduzieren.
Volatile Renten
Uniper erwartet letztlich von der rBZ dank höherer Rendite, dass die Versorgungsberechtigten am Ende mehr Kapital für die Rentenphase zur Verfügung haben. „Natürlich können die Rentenzahlungen während des Ruhestands schwanken“, sagt Eisele. „Die Versorgungseinrichtung kann neuen Betriebsrentnern bei ihrem Renteneintritt keine finale, immer gleiche Rentenhöhe nennen.“ Deshalb weisen Eisele und sein Team in der Mitarbeiterkommunikation immer wieder darauf hin, dass die Renten aus der rBZ schwanken können – wichtig dabei: in beide Richtungen.
Defined Contribution Accounting
„Wir haben mit der rBZ erstmals in Deutschland die Möglichkeit, richtiges Defined Contribution Accounting anzuwenden“, sagt Martin Eisele. Uniper bilanziert international nach IFRS; das Fehlen von Garantien in der rBZ ermöglicht eine Entlastung der Verpflichtungsseite und somit der Rückstellungen des Konzerns.
„Die Skalierbarkeit des SPM ist für alle beteiligten Stakeholder ein zentrales Anliegen“, sagt Christian Pauly. Daher ist das SPM so ausgestaltet, dass auch andere Unternehmen, Verbände oder Gewerkschaften jederzeit beitreten können. Unter dem bestehenden Pensionsplan Metzler rBZ 1 lassen sich weitere inhaltsgleiche Tarifverträge bündeln. Damit profitierten langfristig alle von effizienten Strukturen in der Kapitalanlage sowie der Durchführung und Steuerung innerhalb des MSPF, so der Banker. „Zugleich bietet das bestehende Dienstleistungsportfolio von Metzler Pension Management die Möglichkeit, für einzelne Arbeitgeber oder Verbände Dinge individuell zu regeln.“
Für Martin Eisele ist die rBZ aus Sicht des Unternehmens auch ein De-Risking-Tool. „Das Zinsrisiko entfällt, das Anlagerisiko – aber natürlich auch die Chancen, die sich daraus ergeben – geht vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer über.“ Auch das Langlebigkeitsrisiko ist ausgeschlossen, denn den Begünstigten wird am Ende nur das Kapital ausgezahlt, das sich im SPM befindet. Die rBZ sei ein Beispiel dafür, wie aktives De-Risking durch Plangestaltung erfolgen und damit langfristig zu einer signifikanten bilanzielle Entlastung führen könne.
Die ungekürzte Erstveröffentlichung finden Sie in dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten 01/2023.
Autor
Dr. Guido Birkner
Chefredakteur, dpn – Deutsche Pensions- und Investmentnachrichten
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