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Fair Pay ist ein hoch relevanter Faktor

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Für viele Unternehmen in Deutschland ist 2024 das Geschäftsjahr, in dem sie erstmals über geschlechterspezifische Vergütungsdifferenzen – den Gender Pay Gap – berichten müssen, und zwar schon im Nachhaltigkeitsbericht für 2024. Betroffen sind zunächst Unternehmen, die zum Stichtag 1. Januar 2024 nach der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) berichtspflichtig sind. Also börsennotierte Unternehmen, die zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: 20 Mio. Euro Bilanzsumme, 40 Mio. Euro Umsatz beziehungsweise im Jahresdurchschnitt 250 Beschäftigte. Wer unter diese Regelung fällt und sich bis jetzt noch nicht mit der Thematik beschäftigt hat, für den wird es eng.

Auch wenn der Gender Pay Gap nur eine von rund 40 quantitativen Kennzahlen ist, nach der Unternehmen nach europäischer Regulatorik (ESRS S1) berichten müssen, so ist er doch die komplexeste. Nicht weil die Berechnung so schwierig wäre. Denn zu berichten ist lediglich der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap. Das bedeutet: der Durchschnitt der Vergütung aller Männer minus dem Durchschnitt der Vergütung aller Frauen, dividiert durch den Durchschnitt der Vergütung aller Männer – jeweils für alle Mitarbeitenden eines Unternehmens weltweit. Basis sind die Jahresbruttovergütung und der korrespondierende Bruttostundenlohn.

Doch der Teufel steckt wie so häufig im Detail, und zwar schon bei der Datenerhebung. Hier seien exemplarisch einige Fragen aufgeführt, die es zu beantworten gilt:

  • Definition der Vergütung: Wie ist Vergütung überhaupt definiert, und zu welchem Stichtag ist sie zu erheben? Muss neben fester und variabler Vergütung eventuell ein Dienstwagen mitberücksichtigt werden, und wenn ja, mit welchem Wert?
  • Normierung der Daten: Liegen alle Informationen vor, die eine Normierung aller Vergütungselemente auf Vollzeitbasis ermöglichen, beispielsweise die des ausbezahlten Bonus, der sich auf das Vorjahr und damit potenziell auf einen anderen Beschäftigungsgrad als den aktuellen bezieht?
  • Konsolidierung der Daten: Wie werden Daten aus verschiedenen Ländern sinnvoll konsolidiert? Kann man mit Durchschnittsdaten arbeiten, und worauf ist bei der Gewichtung zu achten? Ist es sinnvoll, neben der Währungsbereinigung gegebenenfalls eine Kaufkraftbereinigung vorzunehmen?

Sind all diese Aspekte berücksichtigt, wurde der unbereinigte Pay Gap ermittelt und die Vorgehensweise sauber dokumentiert, ist der Pflicht Genüge getan. Aber wie ist das Ergebnis nun zu interpretieren? Als Berater werden wir oft gefragt, wie hoch der Pay Gap denn sein dürfe und was markt- oder branchenüblich sei. Da der unbereinigte Wert stark von der Verteilung von Frauen und Männern über die verschiedenen Beschäftigungsgruppen hinweg abhängt, ist er im Prinzip nicht benchmarkfähig, sprich vergleichbar. Es sei denn, es existiert eine Vergleichsgruppe mit sehr ähnlich strukturierten Unternehmen und ähnlicher Verteilung der Mitarbeitenden in den Beschäftigungsgruppen.

Daher muss die Frage vielmehr lauten: Lässt sich erklären, wie es zu dieser Lohnlücke kommt – und zwar unabhängig davon, wie groß oder klein die Zahl ist, die dazu ermittelt wurde? Denn auch ein kleiner unbereinigter Gender Pay Gap ist nicht gleichbedeutend mit gleichem Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit.

Handlungsfelder ableiten

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es einer ökonometrischen Analyse und der Bestimmung des sogenannten bereinigten oder adjustierten Gender Pay Gaps. In einer solchen Analyse werden alle Faktoren berücksichtigt, die die Vergütungshöhe beeinflussen, allen voran die Wertigkeit der Stelle, also der ausgeübten Beschäftigung. Hier ist es wichtig, eine Unterscheidung in diskriminierungsfreie und potenziell diskriminierende Faktoren zu treffen. Im Ergebnis wird transparent, ob es nicht erklärbare, potenziell auf Diskriminierung zurückzuführende Gehaltsunterschiede gibt und welche Faktoren diese gegebenenfalls begünstigen. Das ermöglicht nicht nur das Ableiten von Handlungsfeldern, sondern auch eine transparente kontextspezifische Berichterstattung.

In zahlreichen Fair-Pay-Projekten erworbene Erfahrungen zeigen: Die Zielsetzung in der Ermittlung des bereinigten Gender Pay Gaps geht deutlich über die Erfüllung von Berichtspflichten hinaus. Arbeitgeber haben verstanden, dass Fair Pay ein hoch relevanter Faktor für die Zukunft unserer Gesellschaft ist und damit im Sinne der nachhaltigen Geschäftsentwicklung und des Employer Branding ein erfolgskritisches Element.

Die Nachfrage nach Begleitung in solchen Projekten steigt zunehmend. Im Jahr 2024 werden Unternehmen stärker denn je handeln müssen, um zu wissen, wo sie stehen und wo sie auf dem Weg zu fairer Vergütung ansetzen wollen. Auch wenn die länderspezifische Berichterstattung in Form des EU Pay Transparency Act erst ab 2027 zum Tragen kommt, sollten schon jetzt länderspezifische Analysen einbezogen werden, um Unterschiede, zum Beispiel in den Vergütungstreibern, zu erkennen und zu adressieren.

Wie den Startpunkt setzen?

Für Unternehmen, die aktuell noch in den Startlöchern stehen oder sich noch orientieren, seien an dieser Stelle noch ein paar Erfahrungswerte geteilt: Beginnen Sie das Projekt mit einer sauberen Prozessdefinition. Besteht keine zentrale Verfügbarkeit der Daten für alle Länder oder auch nur innerhalb Deutschlands, sollten zunächst klare Definitionen der zu berücksichtigenden Vergütungselemente und Guidelines zur Erhebung formuliert werden. Dies ermöglicht Verantwortlichen in den Ländern, auch zukünftig standardisierte Updates für die als relevant identifizierten Datenelemente vornehmen zu können.

Beziehen Sie die prozesskritischen Kolleginnen und Kollegen rechtzeitig in die Planung mit ein und formulieren Sie klar die Relevanz und den Impact des Themas. Und zu guter Letzt: Sehen Sie Gender Pay Gap Reporting nicht als lästige Pflicht und Treiber von administrativem Aufwand, sondern als Chance auf Gewährleistung einer fairen Vergütung für alle Mitarbeitenden. Es ist diese Kür, die am Ende den Unterschied macht.

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