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Frauen werden eher rekrutiert als intern gefördert

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Es ist wahrscheinlicher, dass der CEO-Posten der 160 in DAX, MDAX und SDAX notierten Unternehmen in Deutschland mit einem Christian besetzt ist als mit einer Frau. Laut der neuesten Allbright-Studie bekleiden zehn Christians diese Rolle in Deutschland. Dem gegenüber stehen sieben Frauen. Trotz dessen verbessert sich der Frauenanteil in den höchsten Positionen dieser Unternehmen in diesem Jahr wieder – auch wenn die Dynamik der Entwicklung in diesem Jahr etwas abflacht.

So waren laut der schwedisch-deutschen Stiftung zum Stichtag am 1. September dieses Jahres 559 der Vorstandsposten in Deutschland mit Männern besetzt und 137 davon mit Frauen. Das sind 2,3 Prozentpunkte mehr Frauen als noch im Vorjahr. 70 Unternehmen erreichen einen Frauenanteil von 40 Prozent oder mehr in den Aufsichtsräten.

Männer machen eher im eigenen Unternehmen Karriere

Was bei der Betrachtung der einzelnen Personalien jedoch auffällt, ist, dass die Männer in C-Level-Position meist im eigenen Unternehmen Karriere machen, während die Frauen größtenteils extern rekrutiert werden. Denn 65 Prozent der neu rekrutierten Frauen wurden extern mithilfe von Headhuntern gefunden, bei den männlichen Vorständen waren es 42 Prozent.

Woran das liegen könnte, erklärt Oliver Kempkens, Managing Partner der Executive Search Boutique Kempkens x Kohler: „Je nach Industrie sind Karriereentwicklungen oft langatmig und Karrieren von Frauen als Führungspositionen werden oftmals unterbrochen, weshalb diese dann im internen Bewertungs- und Beförderungsranking zurückfallen.“ Auch würden sie als Headhunting-Boutique immer wieder den altmodischen Kommentar hören, ob eine Frau dem Stress der Rolle, insbesondere Rollen mit viel Führungs- und Reiseverantwortung überhaupt gewachsen ist. Jedoch höre er von der anderen Seite – von Bewerberinnen – auch immer wieder, dass diese zwar gerne in Führungspositionen kommen möchten, aber den Mehraufwand, wie zum Beispiel mehr Dienstreisen, nicht leisten möchten. „Das führt dann dazu, dass die sowieso geringere Auswahl an weiblichen Führungskräften noch kleiner wird und die Unternehmen oftmals vermehrt extern suchen“, fasst Kempkens das Problem zusammen.

Extern gesucht statt intern gefördert?

Machen es sich Unternehmen also damit leicht, dass sie Frauen für Vorstandsposten extern rekrutieren, anstatt die interne Frauenförderungen auf- oder auszubauen? „Ja, das könnte man so sehen”, sagt Oliver Kempkens. Bestehende Leadershipprogramme seien oftmals zu statisch und zu generalistisch. Man müsse insbesondere über diagnostische Elemente Potentialkandidaten und -kandidatinnen einschätzen und maßgeschneiderte Entwicklungspfade aufzusetzen – geschlechterunabhängig. Damit würde es „wahrscheinlich insbesondere für eine weibliche Riege weitaus fairer und karrierefördernder.”
 
Natascha Hoffner, Geschäftsführerin von HerCareer, sieht ein ähnliches Problem: „Es mangelt häufig an Problembewusstsein und am Willen, die Strukturen grundlegend und nachhaltig zu ändern, um wirklich Chancengleichheit herzustellen.“ Außerdem würden Frauen laut Kempkens in internen Bewertungs- und Beförderungsrankings oftmals durch Schwangerschaften oder Elternzeit zurückfallen. „Bei Männern würde man gar nicht auf die Idee kommen, sie wegen einer Elternzeit für eine Beförderung außen vorzulassen. Bei Frauen im sogenannten gebärfähigen Alter ist das leider gängige Praxis“, ergänzt Hoffner zu diesem Phänomen. Sie plädiert deshalb dafür die Praxis bei Mitarbeitenden-Bewertungen und -Beförderungen kritisch zu durchleuchten. „Man darf keine faulen Ausreden beim Thema Gleichberechtigung gelten lassen. Verantwortliche müssen sich mit dem Thema beschäftigen und Konzepte entwickeln, wie Mitarbeiterinnen optimal gefördert werden können“, führt die HerCareer Geschäftsführerin weiter aus.

Dass Frauenförderung alleine auch nicht das Allheilmittel ist, zeigt ein Kommentar von Körber-CHRO Gabriele Fanta auf LinkedIn: „Mir stand das Geschlecht w nie im Weg. Und umgekehrt bin ich im Fördern von Frauen auch schon gescheitert…” Fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und fehlende Unterstützung von Partnern und Partnerinnen: „Daran sind meine Versuche in meiner beruflichen Rolle oft gescheitert, Frauen zu entwickeln.”

Frauen sind extern gefragter als intern

Interessanterweise führt diese Benachteiligung bei internen Aufstiegsmöglichkeiten dazu, dass weibliche Führungskräfte extern deutlich stärker nachgefragt sind, wie Kempkens beobachten konnte. „Der Wettbewerb um qualifizierte Bewerberinnen ist ungleich höher als bei ihren männlichen Counter-Parts, da viele Unternehmen ihre Führungsteams diversifizieren wollen“, führt der Headhunter weiter aus. Viele Bewerberinnen könnten sich deshalb oft zwischen verschiedenen Optionen entscheiden.

„In den letzten zwölf Monaten lag unser Anteil an weiblichen Besetzungen bei 40 Prozent, was knapp 10 Prozent über dem Durchschnitt liegt“, berichtet der C-Level-Headhunter weiter. Das zeigt, dass Unternehmen durchaus bereit sind, für qualifizierte Frauen attraktive Angebote zu schaffen. „Die mangelnden internen Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen führen dann aber letztlich doch dazu, dass Frauen oft nur durch einen Wechsel in ein anderes Unternehmen in die nächste Hierarchie-Stufe gelangen“, sagt Hoffner. Die HerCareer-Geschäftsführerin gibt deshalb Frauen, die eine C-Level-Position anstreben, den Tipp, sich das Unternehmen genau anzuschauen und zu überprüfen, ob dort Frauen sowohl gefördert als auch befördert werden.

Rheinmetall-Vorstand mit mehr Frauen als Männer

Unternehmen, die laut der Allbright-Studie hier mit gutem Beispiel vorangehen, sind unter anderem Allianz, Airbus sowie Beiersdorf, die alle drei Frauen oder mehr im Vorstand haben. Seit diesem Monat gibt es zudem folgende erstmalige Entwicklung: Durch die Berufung von Dr. Ursula Biernert als Personalvorständin und Arbeitsdirektorin bei Rheinmetall hat ein DAX-Unternehmen erstmals mehr Frauen als Männer im Vorstand. Auch sie kam extern und hatte in ihrer Karriere mehrere Unternehmenswechsel. Auch die CFO, Dagmar Steinert, ist kein Eigengewächs, sondern durchlief die Stationen ihrer Karriere bei mehreren Arbeitgebern, auch wenn sie vor über zehn Jahren schon einmal bei Rheinmetall war. CEO Armin Papperger hingegen ist bereits seit 1990 bei Rheinmetall und seit 2012 im Vorstand.

Eines der Negativbeispiele ist hingegen Porsche Holding. Der Automobilkonzern hat den letzten Vorstand im DAX ohne eine einzige Frau.

Grafik: Allbright

Info

Frederic Haupt war Volontär der Personalwirtschaft.

Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.